Mülheim. . Durch Zins- und Währungswetten mit der WestLB machte die Stadt Mülheim seit 2003 über acht Millionen Euro Miese. Zwischen 2016 und 2026 drohen weitere Verluste. Nach einer Modellrechnung geht es um öffentliche Mittel in Höhe von rund 5 Mio. Euro.
Das Mülheimer Millionengrab der Zinswetten wird weiter ausgeschachtet. Zwischen den Jahren 2016 und 2026 steht erneut ein kräftiger Verlust zu befürchten. Nach einer Modellrechnung der WAZ drohen weitere gut 5 Mio. Euro öffentlicher Mittel verloren zu gehen durch eine Wette, die die WestLB beziehungsweise eine ihrer Nachfolgeorganisationen je nach Aussicht auf ihren eigenen Reibach ans Laufen bringen kann. Der Stadt bliebe nur, die Kröte zu schlucken und zu zahlen. Die Wette ausschlagen kann sie nicht.
Die Rede ist von einer sogenannten Swaption. Hinter dem Wortungetüm verbergen sich ein Swap (der Austausch von Zinszahlungen zwischen Bank und Stadt) und besagte Option, dieses Zinstauschgeschäft zu starten. Die Swaption ist Bestandteil des Ausstiegsszenarios, das die Stadt für ihre aus der Zeit von Ex-Kämmerer Gerd Bultmann stammenden, aus dem Ruder gelaufenen Wettgeschäfte mit der WestLB im Mai 2006 ausgehandelt hat.
Aktuell 215 000 Euro Minus für die Stadt
Für diese Wette ist vereinbart, dass die Stadt über eine Laufzeit von zehn Jahren auf einer Basis von 20 Mio. Euro einen Zinsdienst von 4,98 % jährlich an die in der Zerschlagung befindliche Landesbank zahlt. Im Gegenzug erhält die Stadt eine variable Zinszahlung der WestLB. Sie richtet sich nach dem jeweils aktuellen Stand des Drei-Monats-Euribor, eines Zinssatzes, zu dem sich europäische Geschäftsbanken untereinander Geld leihen. Aktuell lag der Zins im Mai bei durchschnittlich nur 0,68 %. Bedeutet: Wäre die Wette gestern abzurechnen gewesen, hätte die Stadt deutlich mehr zahlen müssen als die WestLB. Das Minus hätte, gerechnet für die letzten drei Monate, 215 000 Euro betragen.
Die WAZ hat zu diesem Geschäft eine Modellrechnung über die Vertragslaufzeit angestellt, um das Ausmaß eines Verlustrisikos zu erfassen. Zugrunde gelegt hat sie die Entwicklung des besagten Zinssatzes in den vergangenen zehn Jahren, jeweils den von der Bundesbank veröffentlichten Zinssatz im Monatsdurchschnitt, abgerechnet im Vierteljahres-Rhythmus (Februar, Mai, August, November).
Neuerliches Debakel ab 2016 droht
Dabei herausgekommen ist ein Verlust von 5,147 Mio. Euro, den die Stadt gemacht hätte, wäre die Wette in den vergangenen zehn Jahren zum Tragen gekommen. Weitere gut 5 Mio. Euro. Nach dem 1. Quartal dieses Jahres standen ohnehin schon 8,657 Mio. Euro Miese aus den Zins- und Währungswetten der vergangenen Jahre (ab 2003) zu Buche. Hält die Niedrigzinsphase im europäischen Raum weiterhin an, treffender noch: steigen die Zinsen nicht deutlich und über den vereinbarten Zinswetten-Satz von 4,98 %, droht der Stadt ab 2016 ein neuerliches Debakel. In besagter Zeitreihe der Bundesbank (ab 1999) lag der Drei-Monats-Euribor im Monatsschnitt gerade einmal in vier Monaten über der für die Stadt magischen Grenze. Keine guten Aussichten, zumal die fortdauernde EU-Finanzkrise nicht so schnell zu Zinssprüngen verleiten dürfte.
In der politischen Debatte hat die Zinswetten-Option bislang überhaupt keine Rolle gespielt. Offenbar haben sich die ehrenamtlichen Finanzpolitiker das Ausmaß des Verlustrisikos bis heute nicht vor Augen geführt. Vielleicht, weil die Kämmerei das Geschäft nicht so dramatisch wie von der WAZ geschildert bewertet. Kämmerer Uwe Bonan beharrt darauf, das dem Swap zugrundeliegende Kreditgeschäft in die Betrachtung einzubeziehen und gegenzurechnen. Da man hierfür einen variablen Zins vereinbart habe, entstünde in der Summe beider Geschäfte quasi ein Festzins. „Es ist eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung erforderlich.“ Die WAZ konnte er von seiner Sichtweise bisher nicht überzeugen.
Aussichten auf Klageerfolg umstritten
Am kommenden Montag, 2. Juli, tagt der Finanzausschuss (17 Uhr, Historisches Rathaus, Sitzungssaal B.115). Er berät in öffentlicher und nicht-öffentlicher Sitzung noch einmal die Aussagen in zwei Gutachten der eingeschalteten Düsseldorfer Kanzlei Baum, Reiter & Collegen zur Frage, ob die Stadt Schadensersatzansprüche gegen die beteiligten Banken oder ehemalige wie aktuelle leitende Angestellte aus dem eigenen Haus geltend machen kann. Gutachter und Verwaltung sehen lediglich für eine einzige Wette (auf die Entwicklung des Schweizer Franken) die Aussicht auf einen Klageerfolg. Die Einschätzung ist umstritten.