Mülheim. .

Seton-Geschäftsführer Thomas Bee lag mit seiner Prognose falsch. Der Geschäftsführer der Lederfabrik hatte nicht mit sonderlich vielen Teilnehmern beim Demonstrationszug zum Kassenberg gerechnet, zu dem die Gewerkschaft IG BCE und der Betriebsrat aus Sorge um den Verbleib von mehr als 300 Arbeitsplätzen in Mülheim aufgerufen hatten. Doch am produktionsfreien Freitag sorgten gut 200 Mitarbeiter und weitere Sympathisanten für ein Signal pro Standort Mülheim.

Überrascht zeigten sich sowohl Gewerkschaftssekretär Hans Reitzig als auch Betriebsrat Sayim Güngör vom Inhalt der WAZ-Berichterstattung am Donnerstag. Ihnen sei bislang nicht bekannt gewesen, dass die Firma, die hochwertiges Leder für namhafte Automobilhersteller produziert, a) ein durch Grundbuch-Eintrag abgesichertes Vorkaufsrecht für das Lindgens-Areal am Kassenberg hatte, b) es per Verzichtserklärung bereits 2008 hat streichen lassen und c) nach WAZ-Informationen auch vor dem Verkauf des Grundstücks 2011 an die Investorengruppe SMW (Sparkasse, Mülheimer Wohnungsbau, Hoffmeister-Gruppe) noch einmal von Alteigentümer Kurtludwig Lindgens ein Kaufangebot unterbreitet bekommen hatte.

Wie berichtet, hatte Seton 2008 und auch unter der neuen amerikanischen Eigentümerin GST Autoleather 2011 die Möglichkeit ausgelassen, den Produktionsstandort nahe der Ruhr für seine Zukunft zu sichern. Nun läuft im Mai 2014 der Mietvertrag am Kassenberg aus. In zähen Verhandlungen mit der SMW, die laut Seton-Geschäftsführer Bee in vier bis sechs Wochen ein Ergebnis gebracht haben müssen, versucht der Betrieb nun doch noch eine Mülheimer Lösung hinzubekommen.

Verlagerung nach Sachsen oder Bayern in der Hinterhand

Eine Verlagerung der am Kassenberg beheimateten Nachgerbung nach Freiberg (Sachsen) oder Rehau (Bayern) hat die Geschäftsführung bereits in der Hinterhand. Geht die Nachgerbung, so befürchten IG BCE und Betriebsrat, folgt womöglich alsbald der Rest. Der Standortgarantie für die Lahnstraße von Geschäftsführer Bee inklusive dortigem Mietvertrag bis 2024 mag die Arbeitnehmerseite nicht recht eine Sicherheit entnehmen.

Betriebsrat Sayim Güngor beklagte gestern erneut eine mangelhafte Kommunikation seitens der Geschäftsführung. „Es sind viele Fragen offen“, sagte er etwa mit Blick auf die ablehnende Haltung seines Arbeitgebers zum Angebot, Produktion und Verwaltung in einer ab September leerstehenden Halle in Nachbarschaft zur Container-Hochschule auf dem nördlichen Mannesmann-Areal in Styrum zusammenzuziehen. Der Verweis auf hohe Investitionen, die dort nötig seien, sei nicht nachvollziehbar.

Auch bei einem Umzug nach Freiberg oder Rehau müsste Seton Geld in die Hand nehmen, sagt er. Zudem müsse das Unternehmen dort den qualifizierten Personalstamm komplett neu aufbauen. „Es ist die günstigste Variante, hier zu bleiben“, so Güngör.

Hoffnung auf langfristig tragfähige Lösung

Gewerkschaftssekretär Reitzig hofft trotz der drängenden Zeit noch auf eine Einigung zwischen Seton und SMW, mindestens für eine Verlängerung des Mietvertrages um einige Jahre. Mit der zahlreichen Teilnahme am Demonstrationszug habe die Belegschaft jedenfalls „ein Signal an die Protagonisten gesendet, in stärkerem Maße ihre soziale Verantwortung zu zeigen für ein arbeitnehmerfreundliches Ergebnis“. Reitzig schloss Mülheims Politik, die mit SPD und Wir-Linke Präsenz zeigte, dort ein. Sie möge helfen, „eine langfristig tragfähige Lösung am Standort Mülheim zu finden“.

Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD), die zurzeit in der finnischen Partnerstadt Kuovola weilt, hatte derweil eine Solidaritätsnote an die Seton-Mitarbeiter gerichtet: „Ich kann Ihnen versichern, dass die Stadt ein hohes Interesse daran hat, dass den gut ausgebildeten Fachkräften ihre Arbeitsplätze und der Stadt der Standort erhalten bleiben.“ Sie setze darauf, dass die Unternehmensleitung die Standortvorteile sehe und am Ende eine „einvernehmliche Lösung“ stehe.