Mülheim. .
Innerhalb weniger Jahre hat sich die chinesische Pianistin Yuja Wang an die Spitze der internationalen Musikwelt gespielt. Debütierte sie 2008 beim Klavierfestival in Bottrop, so füllt sie nun die großen Konzertsäle und ist Gast in Fernsehshows. Selbst bei Harald Schmidt war sie schon. Nun gastierte sie im Rahmen des Klavier-Festivals mit einem Programm, das seinen Schwerpunkt in der Spätromantik hatte, in der Stadthalle.
Die Musik des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts scheint Yuja Wang besonders zu liegen. Ihr halsbrecherisches Virtuosentum, orchestrale Klangpracht und ein energiegeladenes Spiel kann sie in diesen Werken am besten entfalten.
Gleich mit den vier kurzen Werken von Sergej Rachmaninow setzt sie klare Zeichen. Metallisch und hart spielt sie die e-Moll-Etüde aus den Etudes-Tableaux. Akkorde haben bei ihr die Wucht eines Axtschlags, Bässe werden wuchtig akzentuiert. Der zierlichen Pianistin sieht man diese Kraft gar nicht an, aber wenn man ihr nur zuhört, fühlt man sich an einen pianistischen Bodybuilder wie Tzimon Barto erinnert.
Halsbrecherische Einfälle
Gleichzeitig scheint ihr keine virtuose Anforderung zu schwer zu sein. Rachmaninows Akkordläufe oder die Anforderungen, die Alexander Skrjabins Sonate Nr. 5 in Fis-Dur stellt, bewältigt sie mit Leichtigkeit. Dazu spielt sie auch schnellste Läufe mit glasklar angeschlagenen Tönen.
In Gabriel Faures Ballade Fis-Dur gönnt sie sich auch einige emotionale Augenblicke, in den Sieben Fantasien op. 116 von Johannes Brahms sogar Momente des stillen Glücks. Im Andante con grazia scheint die motorische, aber langsame Bewegung zu gleichförmig und die Spannung bricht ein.
Zum Finale spielt Yuja Wang eine spanisch inspirierte Trias: „Triana“ von Isaac Albeniz, „Soirée dans Grenade“ von Claude Debussy und die Bizets Carmen-Variationen. Das dunkle Feuer und die tänzerische Energie dieser Musik liegt Yuja Wang perfekt. Die halsbrecherischen pianistischen Einfälle bei Bizet hören sich an, wie von Franz Liszt erdacht, die Klavierbearbeitung stammt aber von Vladimr Horowitz.
Keine übertriebene Gestik oder Mimik
Yuja Wang stürzt sich voller Begeisterung in diese Musik, gleichzeitig verzichtet sie hier, wie in allen Stücken des Abends auf jede übertriebene Gestik oder Mimik. Ihre Körpersprache ist nur das Resultat des Musizierens.
Nach den Carmen-Variationen tobte das Publikum in der Stadthalle vor Begeisterung über so viel virtuose Energie. Als Dank spielte Yuja Wang drei Zugaben, darunter das Stück, mit dem sie kürzlich schon in der Harald-Schmidt-Show aufgetreten war, Art Tatums jazzige Version von „Tea for two“.