Er selbst sagte hinterher, dass dies wohl sein bisher bestes Konzert gewesen sei. In der Tat: Was der erst 19 (!) Jahre junge Pianist Kenji Miura, seit kurzem erst Student in der Klavierklasse von Prof. Klaus Hellwig in Berlin, an Überraschungen in seinem Programm im fast ausverkauften Kammermusiksaal bereit hielt, das überstieg bei weitem den Eindruck eines guten und „normalen“ Recital. Miura, eine zierliche Gestalt, wächst zum Jung-Titanen auf den Tasten, wenn er Werke von Johann S. Bach, Ludwig van Beethoven, Frederic Chopin, Sergej Rachmaninow und Claude Debussy spielt.
Sympathieträger
Die Gruppe „Konjungtur“, vor neun Jahren als Sponsor-Gremium aus Jung-Unternehmer-Kreisen gegründet und inzwischen schon nicht mehr verzichtbar für Bottrops Kultur (aber auch für andere, soziale Bereiche), hatte das Riesentalent eingeladen für ein Projekt unter dem Titel „Help Japan“. Dahinter verbirgt sich ein ambitioniertes Benefiz-Programm für die Region des Landes in Fernost, das vor einem Jahr von Erdbeben, Tsunami, Reaktor-Katastrophe und vielen Toten erschüttert wurde. „Konjungtur“ unterstützt dort einen Kindergarten und sammelt hierzulande Spenden. Auch durch dieses Konzert. Kunst öffnet Geldbörsen – und Herzen. Denn Pianist Miura trat als Sympathieträger einerseits durch seine Bescheidenheit, andererseits durch sein stupendes musikalisches Können auf.
Ein Asiat verschafft sich Zugang, scheinbar mühelos, mit allen Sinnen, bei Europas Klassik, Romantik, bis frühe Moderne. Miura trifft genau den barocken und strukturbewussten Ton in Bachs „Französischen Suite“ mit ihren galanten Tänzen von der Allemande bis zur Gigue, öffnet in den 32 Mini-Variationen Beethovens (c-moll) einen von der linken Hand „dominierten“ Klanggarten zwischen jugendlichem Aufbruch und nachdenklicher Endzeit-Paraphrase, lässt Chopin bei der lieblichen Berceuse op. 57 und der träumerischen Barcarole op. 60 von innen glühen, lodern.
Nach der Pause überraschte er mit seinem Rachmaninow-Verständnis. In den Preludes op. 23 und 32 verabschiedet er sich völlig von dem Klischee, dass dieser russische Komponist vor allem ein geschätzter Salonlöwe mit viel Glitzerklängen gewesen sei.
Es setzte Bravo-Rufe
Nein, bei Kenji Miura wird das Potenzial Rachmaninows als fein schattierender, bei aller spätromantischen Nähe vor allem klarsichtiger, manchmal gar visionärer Klavierkönner offen gelegt. Gerade bei diesen Interpretationen will man die pädagogische Verantwortung von Klaus Hellwig heraus hören. Das war jedenfalls eine modellhafte „Clarté“ bei diesem Komponisten. Dieser leitete wiederum hinüber zum Schaffen Debussys: Seine Preludes, so schwierig sie sein mögen, bekamen in Miuras Spiel eine Selbstbehauptung von zukunftsweisender Leichtigkeit, wie man es selten bisher vernehmen konnte. Mit einer Debussy-Zugabe verabschiedete sich der Gast aus Japan eindrucksvoll. Es setzte Bravo-Rufe. Miuras Soli auf dem Klavier-„Orchester“, das er vollgriffig so behandelte, war jedenfalls die beste Werbung für die demnächst anstehenden Bottroper Konzerte beim „Klavierfestival Ruhr“.