Mülheim. .
Stillstand mag Christina Riegel gar nicht, das Verharren in einer Situation, das Zufriedengeben mit Gelerntem. Mehr lernen, mehr wissen, mehr erleben will sie und hat „immer den Anspruch, alles herauszuholen, was geht“. Deshalb absolvierte sie im vergangenen Jahr die Meisterprüfung – und weil sie da alles Machbare herausholte, lieferte sie von den 185 erfolgreichen Prüflingen im Friseurhandwerk bei der Handwerkskammer Düsseldorf das beste Ergebnis ab. Nun wird sie als „Jahresbestmeisterin“ ausgezeichnet.
Dabei sah es nach dem Abschluss an der Gustav-Heinemann-Schule zunächst so aus, als würde sie beruflich in eine andere Richtung gehen. Immerhin hatte sie das Abitur in der Tasche, „da“, zitiert Christina Riegel oft Gehörtes, „muss man mehr machen, als nur eine Friseurlehre“. Also begann sie ein Studium. Sonderpädagogik sollte es sein, war aber nicht das Richtige. „Mir fehlte das Kreative.“ Also ignorierte sie die Vorbehalte der anderen, schmiss das Studium und verkündete: „Papa, ich werd’ Friseur.“
45-Stunden-Wochen
2003 begann sie die Ausbildung, und obwohl sie Waschen, Schneiden, Fönen lernen wollte, war es am Anfang eine Überwindung. „Man ist es nicht gewöhnt, den Kopf fremder Menschen anzufassen, ihnen die Haare zu waschen – besonders Männern.“ Aber sie gewöhnte sich daran und erkannte schnell: Die Berufswahl war für sie richtig. Nach zwei Jahren bestand sie die (verkürzte) Ausbildung und blieb als Gesellin noch fünf weitere Jahre im Ausbildungsbetrieb.
Doch der Alltag im Salon ist hart. Eine Tatsache, die laut Christina Riegel vielen nicht bewusst ist. Mehr noch als die Vorurteile gegen ihren Beruf und die damit verbundenen „Friseusen“-Klischees bringt sie vermeintliche Gleichgültigkeit auf die Palme: „Alle reden von Mindestlöhnen, gehen aber zu einem Friseur, bei dem der Haarschnitt acht Euro kostet.“ Von 45-Stunden-Wochen, die man meist stehend verbrachte, berichtet sie, von Arbeitstagen ohne (Trink-)Pausen und von letztlich kaum 1000 Euro Monatslohn.
Ausbildung zum Make-Up-Artist
Christina Ringel liebt ihren Beruf, das Gefühl, Menschen etwas Gutes zu tun. Dennoch war sie mit diesem Arbeitsalltag auf Dauer nicht zufrieden – da musste doch mehr herauszuholen sein. Also entschied sie sich, ihren Meister zu machen. Vollzeit tat sie das, fünf Monate lang. „Das war eine harte Zeit“, sagt die 29-Jährige rückblickend. Da sie nicht mehr in einem Salon angestellt war, musste sie sich ihre Materialen – Lockenwickler, Handtücher – selbst kaufen.
Hinzu kamen neue Fächer wie Steuerrecht und Buchführung. „Bis zwei Uhr nachts“ habe sie oft am Schreibtisch gesessen und gelernt. „Ich bin auf Hochtouren gelaufen.“ Da war es nach der so gut gemeisterten Meisterprüfung schwierig, wieder runterzuschalten. Also schloss sie eine dreimonatige Ausbildung an, in der sie das perfekte Schminken lernte. Sie ist nun „Make-up-Artist“.
Diese beiden Bereiche, Haare und Make-up, möchte sie künftig verbinden. Aktuell arbeitet sie an ihrer Mappe, um als Visagistin, etwa bei Fotoshootings, Fuß zu fassen. Zudem wird sie an einer Essener Privatschule für Make-up-Artists das Fach „Haare“ unterrichten. Nach Jahren, die sie selbst eine „Durststrecke“ nennt, hofft sie nun einen neuen, finanziell lukrativeren Weg einzuschlagen. „Ich weiß, dass es besser wird.“ Sie wird das Bestmögliche dafür tun.