Der Trend ist klar: Mülheimer Betriebe melden weniger Ausbildungsplätze, gleichzeitig steigt die Zahl unbesetzter Stellen. Ein Widerspruch? Häufig passen die Wünsche der jungen Leute nicht mit denen der Arbeitgeber zusammen.
Immer wieder beschweren sich Firmen über mangelnde Schulbildung oder schlechte Umgangsformen und Motivation. 332 Jobs sind in Mülheim noch offen, das Ausbildungsjahr beginnt am 1. August oder 1. September.
Die Arbeitsagentur hat die gesunkene Stellenzahl registriert, möchte aber „noch nicht ganztägig in die Betriebe gehen“, wie Sprecherin Katja Hübner es formuliert, um verstärkt für Ausbildung zu werben. „Es gibt auch immer noch Nachzügler, die sich erst später bei uns melden.“ Etwa 60 Prozent der Betriebe gäben ihre Ausbildungsplätze bei der Arbeitsagentur bekannt.
Anforderung gewandelt
Der Hauptgrund für die höhere Zahl an noch unbesetzten Stellen liege tatsächlich darin, dass die Bewerber nicht immer zu den Stellen passten, so Hübner. Oft seien die Vorstellungen der Jugendlichen nicht realistisch. Zudem hätten sich die Anforderungen der Arbeitgeber gewandelt. „Früher hat für die Bankkauffrau noch der gute Realschulabschluss gereicht – diese Zeiten sind vorbei. Die Arbeitgeber picken sich gern möglichst früh die Rosinen unter den Bewerbern heraus. Aber irgendwann gibt es keine Rosinen mehr.“
Für spät Entschlossene seien die Chancen zurzeit am besten in den Bereichen Kaufmann oder -frau für Einzelhandel, Verkäufer(in) im Lebensmittelhandwerk, speziell in Bäckereien, in Bürokommunikation und Elektronik. „Wir hatten in diesem Jahr weniger Bewerber“, sagt Nicole Brylok von Elomech Elektroanlagen. Die Firma bildet unter anderem zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik aus. „Vielleicht liegt das daran, dass wir die Anforderungen an die Schulbildung erhöht haben.“ Früher stand der Hauptschulabschluss in der Stellenanzeige, heute der Realschulabschluss.
Montageinspekteur Klaus Haß erklärt: „Wenn’s um die Bildung geht, fasst man sich bei manchen Bewerbern an den Kopf. Viele wissen einfach nicht, dass Elektronik auch etwas mit Mathe zu tun hat.“ Fünf Azubis hat Elomech zum August eingestellt – „wir hätten gern drei mehr gehabt“.
Ralf Wüstefeld, Obermeister der Friseur-Innung, kennt diese Probleme. „Wir haben immer weniger geeignete Kandidaten.“ Acht Bewerbungen bekam Wüstefeld in diesem Jahr, führte drei Gespräche. Nach langem Suchen fand er eine Auszubildende, stellte jedoch immer wieder auch „katastrophale Allgemeinbildung“ und fehlende Bereitschaft zum „selbstständig Denken“ fest. Auch Unpünktlichkeit sei ein Problem. Wüstefeld lobt die, die er eingestellt hat, musste in der Vergangenheit jedoch auch schon Verträge wieder aufheben.
Ralf Drönner von der Firma Geese-Bau in Oberhausen, die auch häufig junge Mülheimer beschäftigt, reiht sich in die Reihe derer ein, die weniger Bewerbungen und mehr Lücken in der Schulbildung feststellen. „Vielleicht ist das Handwerk heute nicht mehr so interessant?“ Dass Bildung und Umgangsformen häufig problematisch sind, will Katja Hübner von der Arbeitsagentur pauschal nicht bestätigen. „Nicht jeder ist motiviert und immer pünktlich.“ Für diejenigen, die in der Berufsschule zu kämpfen haben, gibt es die Ausbildungsbegleitenden Hilfen – laut Sprecherin „extrem nachgefragt“.
Verdi beklagt prekäre
Situation für Azubis
Katja Arndt, Jugendsekretärin bei Verdi, stellt einen ganz anderen Aspekt in den Vordergrund. „Im Einzelhandel bewerben sich deshalb zu wenige junge Leute, weil sie wissen, dass die Ausbildungsverhältnisse dort oft prekär sind – besonders im Bereich Lebensmittel.“ Die Gewerkschafterin berichtet von Überstunden, Unterbezahlung und fehlenden Ansprechpartnern. Ihre Forderung: „Arbeitsagentur und IHK sollten nicht jeden ausbilden lassen – auch wenn dann die Zahlen nicht so schön aussehen.“