Mülheim. .

Udo Pierburg (64) ist von Beruf Krankenpfleger, und das seit 50 Jahren. Seit fünf Jahrzehnten hat er auch denselben Arbeitgeber. Heute ist er in der Pflegedienstleitung im St. Marien-Hospital tätig.

50 Jahre im Berufsleben – wie hat das angefangen?

Udo Pierburg: Ich wurde am 1. April 1962 im St. Marien-Hospital als Vorschüler angestellt. Das war die Vorstufe, bis man zur Krankenpflegeschule ging. Aber man musste schon viel machen – putzen, Patienten füttern und auch waschen.

Allein unter Frauen?

Pierburg: Ja, anfangs waren wir vier Pfleger unter 100, 120 Schwestern. Davon waren etwa 60 Ordensschwestern vom Orden der Hl. Elisabeth zu Essen.

Wie kommt denn ein Junge von 14 zum Pflegeberuf?

Pierburg: Damals hieß das ja noch Krankenwärter, erst ab 1963 hieß man Pfleger. Meine Mutter war selbst Krankenschwester, ich bin im Grunde hineineingewachsen. Ich kam häufig samstags, sonntags zum Helfen ins Krankenhaus, habe zum Beispiel das Essen verteilt. Später bin ich dann zwei Jahre zur Ausbildung an der Krankenpflegeschule gewesen. Wir waren zu fünft in unserem Kurs, drei Männer und zwei Frauen. Es war übrigens der erste Kurs, in dem auch Männer ausgebildet wurden. Im April 1967 habe ich mein Examen als staatlich examinierter Pfleger gemacht.

Wie ging es dann weiter?

Pierburg: Vier Wochen nach dem Examen habe ich die Stationsleitung einer Männerabteilung für Innere Medizin übernommen. Da war ich gerade 18 Jahre alt. Es folgten weiter chirurgische und innere Stationen.

Sie haben nie den Arbeitgeber gewechselt, warum?

Pierburg: Die Arbeit wurde durch die Ordensschwestern geprägt, es war eine schöne Zusammenarbeit. Dadurch habe ich mich über die Jahre mit dem Haus und den Patienten verbunden gefühlt. Für mich kommt an erster Stelle der Patient.

Das klingt sehr idealistisch...

Pierburg: Ja. Der Beruf ist für mich auch wie eine Berufung. Man geht in den Pflegeberuf hinein, wächst damit – das ist dann wie in einer Familie, in der man sich gut aufgehoben fühlt. Da zu sein, zu pflegen – das ist fast wie in einem Orden, so ähnlich sehe ich das.

Kam bei einer solchen Berufsauffassung nicht auch mal das Private zu kurz?

Pierburg: Manchmal. Aber ich bin ledig. Und für mich war es immer wichtig, für die Patienten und Kollegen alles zu geben. Da sind schon mal 13, 14 Stunden weggegangen. Ich kenne keine Überstunden, für mich ist das Dienst am Kranken.

In 50 Jahren im Pflegeberuf haben Sie sicher viel erlebt...

Pierburg: Höhen und Tiefen. Damals war ja noch der Orden der Träger, man musste als Pfleger oft um jedes neue Teil ringen. Bei den Ordensschwestern war Sparen das A und O, Ordnung und Sauberkeit. Eine 60-Betten-Station wurde damals mit vier, fünf Leuten in zwei Schichten betreut.

Das klingt aber auch nach einer hohen Belastung für die damalige Zeit...

Pierburg: Früher hatte man schon mehr Zeit für den Patienten. Wir haben die Leute morgens versorgt, gewaschen, die Medikamente verteilt, dann kam die Visite mit den Ärzten, und dann waren wir fertig. Es gab ja auch nur ein Kurvenblatt anstatt der Patientenakten.

Heute ist es ganz anders, alles muss ins PC-System übertragen werden. Es gab damals die Operationen, und alles andere musste auf der Station gemacht werden. Kernspin, CTs, Koloskopie, Bronchoskopie – das gab es ja alles noch nicht. Das ist heute eine enorme Belastung für das Pflegepersonal, es ist das Dreifache zu tun von dem, was wir damals in derselben Zeit gemacht haben. Ich bewundere meine Kollegen, für das, was sie heute leisten.

Wie haben Sie sich über 50 Jahre Freude am oft nicht einfachen Beruf erhalten?

Pierburg: Es gab Tiefpunkte, ja, aber es war immer eine gute Kollegialität, ein gutes Miteinander, es war familiär. Ich versuche, das ein bisschen zu erhalten.

Was ist heute besser?

Pierburg: Man spricht offener miteinander. Was den Beruf angeht: Die Medizin entwickelt sich immer weiter, das Pflegepersonal hat heute viel mehr Möglichkeiten, als wir es damals hatten. Die Ausbildung ist vielschichtiger geworden.

Gab es ein Erlebnis, an das Sie noch gerne denken?

Pierburg: Wir hatten in den 1960er Jahren einen Patienten aus einer Brotfabrik, der sich bei einer Mehlstaubverbrennung schwer verletzt hatte. Der Mann musste jeden Tag zweimal mit Salbe eingeschmiert werden, jeden Tag haben wir die Hautreste abgezogen. Nach acht Wochen ist er ohne Narben nach Hause gegangen, das hat mich so gefreut.

Aber es gab auch unschöne Erlebnisse in 50 Jahren...

Pierburg: Ich habe viele Patienten sterben sehen, das hat mich in jungen Jahren sehr belastet.

Darf man Mitgefühl haben oder muss man eine professionelle Distanz wahren?

Pierburg: Das ist wichtig. Aber es ist auch wichtig, Angehörigen Mitgefühl zu zeigen. Es darf aber nur bis zu einer gewissen Grenze gehen, sonst geht man selbst zugrunde. Das das lernt man mit den Jahren.

Sie werden bald 65 Jahre alt. Freuen Sie sich schon auf den Ruhestand?

Pierburg: Ich gehe im Juli/August in Rente. Ich möchte aber weiter arbeiten, auf 400-Euro-Basis.

Was raten Sie jungen Leuten, die sich für den Pflegeberuf interessieren, was muss man mitbringen?

Pierburg: Idealismus und Verständnis für den kranken Menschen. Man muss immer darauf achten, dass man liebevoll mit den Patienten umgeht. Wir haben es mit Schwerstkranken zu tun. Man muss sich gut überlegen, ob man das auch will.