Mülheim.

Vor genau anderthalb Jahren übernahm Dr. Andrea Schmidt die Leitung der Mülheimer Frauenklinik. Seither widmet die junge Chefärztin (42) ihre branchenüblich überlangen Arbeitstage einer Abteilung, aus der regelmäßig gute Nachrichten kommen, nämlich: gesund geborene Babys. Aber Entbindungszahlen sind nicht die einzige Messgröße.

Wann haben Sie zuletzt selber im Kreißsaal gestanden?

Dr. Andrea Schmidt: Gestern. Ich habe eine Patientin betreut, die ihr erstes Kind bekommen hat. Meine Arbeit macht mir Spaß, und ich fasse auch gerne selbst mit an.

Mit 596 Geburten in 2011 hatten Sie ja deutlich mehr zu tun als im Jahr zuvor.

Schmidt: Es waren sechs Prozent mehr Babys als im Vorjahr. Der Anteil der Kaiserschnitte blieb mit 30 Prozent gleich.

Ihre Abteilung ist zwar die einzige Entbindungsstation in Mülheim, aber starker Konkurrenz jenseits der Stadtgrenzen ausgesetzt. Werdende Eltern vergleichen heutzutage meist mehrere Angebote – wo sehen Sie ihre Qualitäten?

Schmidt: Unsere Geburtshilfe bietet den Patientinnen eine familiäre, persönliche Atmosphäre.

Im Mai hat die Frauenklinik erstmals einen regelrechten „Familientag“ veranstaltet. Wird es ihn dieses Jahr wieder geben?

Schmidt: Ja, geplant ist er für Anfang Juni, der genaue Termin steht jedoch noch nicht fest. Die Premiere war ein voller Erfolg und hat auch den Mitarbeitern Spaß gemacht, trotz der zusätzlichen Arbeit.

Wie groß ist eigentlich Ihr Team?

Schmidt: Momentan sind wir insgesamt acht Ärzte, hinzu kommen rund 30 Pfleger(innen) und Hebammen.

Hat sich die Besetzung stark verändert, seit Sie Chefärztin sind?

Schmidt: Ja, aber das ist üblich. Als ich kam, waren viele ärztliche Stellen unbesetzt. Inzwischen sind wir vollständig besetzt, und die Oberärzte vertreten verschiedene Schwerpunkte. Wir haben u.a. Ärztinnen, die Russisch und Türkisch sprechen, das erleichtert die Kommunikation. Wir können z.B. die Kreißsaalführung und den Selbstuntersuchungskurs für die Brust in verschiedenen Sprachen anbieten.

„Familienorientierte Geburtshilfe“ zählt ausdrücklich zu Ihren Schwerpunkten. Welche setzen Sie noch?

Schmidt: Wir haben eine Inkontinenz- und Beckenboden-Sprechstunde eingeführt, die sehr gut angenommen wird. Oft sind naturgemäß ältere Patientinnen betroffen, die Kinder geboren haben, auch Geburtsverletzungen hatten. Aber man wundert sich auch, wie viele jüngere Frauen man sieht. Ich engagiere mich außerdem sehr für die minimal-invasive Chirurgie, das bedeutet, dass wir auf Bauchschnitte verzichten können, was doch sehr im Sinne der Patientinnen ist. Für das zertifizierte Brustzentrum bilden wir das komplette Behandlungsspektrum ab.

Auf Ihrer Abteilung werden viele Krebspatientinnen behandelt, auch operiert. Das vor einem Jahr gestartete Wanderprojekt „Über den Berg“ hat viel Aufmerksamkeit erregt und Mut gemacht. Aber: Erleben Sie oft, dass Frauen die Vorsorge versäumt haben?

Schmidt: Leider ja. Noch immer gehen nicht alle Frauen zu den gynäkologischen Vorsorgeuntersuchungen und die Seniorinnen zunehmend weniger. Manche meinen: „Ich habe ja keine Gebärmutter mehr, also kann mir nichts passieren.“ Einige ältere Patientinnen waren seit der Geburt ihrer Kinder nicht mehr beim Frauenarzt. Viele untersuchen ihre Brust auch nicht selber. Es ist oftmals schwierig, sich selbst zu motivieren. Sich mit etwas möglicherweise Unangenehmen zu beschäftigen…

Welche Ziele haben Sie sich für 2012 gesetzt?

Schmidt: Wir sind momentan sehr mit der Elternschule beschäftigt und wollen hier mehr Angebote für die Mülheimer Frauen schaffen. Hierfür möchten wir im Laufe dieses Jahres eine bessere Lokalität schaffen, einen zentralen Anlauf- und Treffpunkt, denn bisher finden die Veranstaltungen an unterschiedlichen Orten statt. Wo genau die Elternschule künftig sein wird, ist allerdings noch nicht spruchreif.