Mülheim. .
Sie sitzen am Samstag auf den gepackten Rucksäcken und warten auf den Zug, der sie nach Weimar zurückbringt. Für die 15 Urbanistik-Studenten, die genau eine Woche in Mülheim gewohnt und das Charrette-Projekt gemeinsam mit ihrem Professor Harald Kegler begleitet haben, beginnt am heutigen Montag das neue Semester.
Jeder der Viertsemester wird im kommenden halben Jahr als Semesteraufgabe einen städtebaulichen Entwurf machen, bevor es im Anschluss für ein halbes Jahr ins Ausland geht. Da bleibt nicht viel Zeit für Erinnerungen an die spannende Woche im Ruhrgebiet.
"Zurück in die gepflegte Langeweile"
Auf die Frage, welche Stadt ihnen besser gefällt, Mülheim oder Weimar, lacht Hisar Ersöz und sagt: „Es geht zurück in die gepflegte Langeweile! Hier im Ruhrgebiet gibt es viele große durchmischte Städte auf engem Raum. Das ist spannend!“ Dieser Meinung schließt sich die Gruppe an, es fallen Begriffe wie „hip“ und „cool“ und „Industriekultur“ und Leonard Suttner gibt zu, dass er nicht so positive Erwartungen hatte, weil das Ruhrgebiet für ihn kein „Super-Image“ besaß.
Charette-Woche zur Innenstadt
Sie hatten also nicht viel mit dem Ruhrgebiet – und schon gar nicht mit Mülheim – verbunden. Jetzt schwärmen sie und sagen, dass es ihnen hier von Tag zu Tag besser gefiel, sie die Menschen toll und offen fanden und in Mülheim „wunderschöne“ Ecken entdeckt hätten. Vor allem aber loben sie das Forschungsprojekt und die Bürger, die zum Erfolg beigetragen hätten.
Großes Bedürfnis nach Beteiligung
„Wir waren ganz begeistert und auch überrascht von den zahlreichen Menschen, die die ganze Woche über ins Charrette-Büro kamen. Sie schienen ein großes Bedürfnis gehabt zu haben, sich zu beteiligen. Die Ideen waren alle spannend, konstruktiv, kreativ und wurden direkt vor Ort lebhaft diskutiert“, erinnert sich Constanze Ackermann.
Die Studenten hatten sich im Vorfeld mit dem Verfahren an ihrer Uni auseinandergesetzt und das Erlernte in Mülheim „in echt“ erlebt. Gleichberechtigt diskutierten Menschen aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung eine Woche lang Ideen mit den Mülheimern, die in großer Zahl hereinkamen und sich sogar extra Urlaub genommen hatten, um sich in die Diskussion einzubringen.
„Die Stimmung war energiegeladen und impulsiv, die Vorschläge insgesamt sehr realistisch“, findet Constanze Ackermann und würde mit ihren Kommilitonen gerne verfolgen, wie es weiter geht. Die Vorschläge für die Zwischennutzung des Charrette-Büros und des Kaufhof-Gebäudes halten die jungen Leute für realisierbar – eine Zwischennutzung war ja Bedingung des Forschungsprojekts.
Ausstellungsfläche für Künstler und Designer
Viele Ideen lagen im Bereich der Freizeitnutzung für Jugendliche und der Nutzung als Ausstellungsfläche für Künstler und Designer. Auch die „Parksommer-Ideen“ gefielen ihnen sehr. Aber es ging ja nicht nur um die Kaufhof-Immobilie, sondern um die ganze Innenstadt. Davon haben sie zwar nicht allzu viel gesehen, da sie immer bis 22 Uhr im Büro waren. Aber manchmal konnten sie die Innenstadt bei dem schönen Wetter doch genießen. Und fanden es sehr nett, dass sie ihr schmutziges Geschirr mit ins Café Solo nehmen durften. Wo es dann ganz selbstverständlich in die Spülmaschine gestellt wurde.
Tim Van Puyenbroeck und Sabrina Schlomski glauben, dass das Verfahren „mit den Bürgern und für die Bürger“ in Mülheim positiv fortgeführt werde, denn die Spontaneität der Menschen und die konstruktive Zusammenarbeit sei beeindruckend. Zudem würde der Prozess ja offensichtlich von der Politik mitgetragen. „Wir wünschen uns auch, dass das Bundesforschungsprojekt als solches deutschlandweit weitergeführt wird, denn die Bürger haben mit ihrer Beteiligung ganz offensichtlich ein Erfolgserlebnis. Es finden Auseinandersetzungen im positiven Sinn statt.“