Die Mülheimer sind stolz auf ihre grüne Stadt am Fluss, wo die Natur so oft ganz in Laufweite liegt. Doch anspruchsvolle Vogelarten, die früher in Scharen an der Ruhr heimisch waren, haben sich längst zurückgezogen.

Andere Vögel sind dafür wieder da, weil sie hier eine Nische gefunden haben. Wozu die Vogelschützer einiges beigetragen haben.

Vogelexpertin Elke Brandt sorgt sich heute aber vor allem um die Bodenbrüter, wie zum Beispiel die Feldlerche oder den Kiebitz. Diese Tiere, die ihre Nester auf dem Boden bauen, brauchten viel freie Fläche, die sie heute in der intensiv betriebenen Landwirtschaft kaum noch fänden. Mehr Freiflächen inmitten der Äcker, die nicht bewirtschaftet würden, wären eine mögliche „Insel“, auf die sich die selten gewordenen Bodenbrüter zurückziehen könnten.

Das war mal ganz anders. In Saarn, wo die Landsberger Straße auf die Mintarder trifft, im Bereich des alten Bahndamms, habe es Ende der 1960er, Anfang der 70er Jahre reichlich Rebhühner und Fasane gegeben, erinnert sich Elke Brandt. „25 bis 30 Fasane konnte man beim abendlichen Spaziergang früher sehen. Heute ist da nicht ein einziger mehr“, sagt die stellvertretende Vorsitzende der NABU Regionalgruppe Ruhr. „Und Rebhühner hören Sie da auch nicht mehr.“ Entwässerungsgräben und stark abgemähte Flächen hätten diesen Tieren die Nahrungsgrundlagen und die Deckung geraubt.

Der Auberg sei früher ein echtes „Eldorado für die Feldlerche“ gewesen. Früher. Als Elke Brandt vor einigen Jahren Vögel für die Biologische Station kartiert hatte, fand sie dort gerade mal ein einziges brütendes Vogelpaar. Denn nicht nur die Landwirtschaft, auch die stärkere Nutzung der Naherholungsgebiete rauben den Vögeln ihren Lebensraum. Hundehalter freuen sich, wenn sie ihre Tiere endlich einmal frei laufen lassen können – bodenbrütende Vögel erschreckt aber Lärm und Bewegung.

Doch es gibt auch gute Nachrichten, selbst vom Auberg, wo sich so viele verschiedene Interessen ballen: So sei dort der Wachtelkönig, ein längst auf der Roten Liste stehender Bodenbrüter, nachgewiesen worden, berichtet Elke Brandt. Auch in den Trinkwasserschutzgebieten bei Ickten habe man den Ruf des seltenen Vogels schon gehört. Dort, wo es keine Passanten oder Hunde gibt und keine intensive Landwirtschaft, da wird er nicht gestört. „Wenn man ein Gebiet beruhigen kann, stellen sich die Vögel wieder ein,“ weiß die Vogelexpertin und nennt ein weiteres Beispiel: Im Schutzgebiet Kocks Loch gibt es wieder Braunkehlchen – nach 30 Jahren. Und auch der Wanderfalke, der vor 40 Jahren verschwand, konnte wieder angesiedelt werden: Hoch oben an Kaminen und Schornsteinen hängen die Nisthilfen für diese Felsenbrüter – in Mülheim an der Ruhrtalbrücke.

Seitdem die Wälder nicht mehr gründlich vom Altholz befreit werden, findet sogar der Mittelspecht – „den gab es hier früher gar nicht“ – mit seinem auffälligen feuerroten Scheitel eine Nische. Zum Beispiel im Uhlenhorst.

Im Uhlenhorst, im „Eulenwald“, leben heute allenfalls die robusten und flexiblen Käuze, keine Uhus, weiß Brandt. Und doch: Im Essener Süden und sogar in Kocks Loch seien diese großen Eulen schon gesehen worden. Ob sie dort bleiben? „Je spezialisierter eine Art ist, umso stärker ist sie auch gefährdet.“

Wie etwa der Star: Er und seine Nachkommen leben, sagt Elke Brandt, hauptsächlich von den Larven der Wiesenschnake. Wo es aber wenig wilde Wiesen gibt, fehlt diese Nahrungsquelle. Und für Star, Rauchschwalbe und Sperling fehlen auch zunehmend passende Nistplätze. In der Stadt sind freche Spatzenangriffe auf Kekskrümel selten geworden. „Aber da, wo die Ställe noch offen sind, etwa bei der Pferdehaltung, da sieht man noch viele Spatzen.“

Seltene Gäste auf der Durchreise trifft man an Orten, die Elke Brandt „Trittstein-Biotope“ nennt: Weißstörche pausieren in der Wassergewinnungsanlage. Die Vögel kommen, wenn man sie lässt, aber oft fehle Geduld. Echtes Durchhaltevermögen bewies eine Familie, die in ihren Giebel eine Öffnung als Nisthilfe einbaute. Diese „Wohnung“ blieb lange leer: Nach 13 Jahren zog jetzt eine Schleiereulen-Familie ein.