Mülheim. Am Donnerstag beginnen die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst. Die Gewerkschaft Verdi setzt von Beginn an auf massiven Druck und droht, notfalls sofort in der Arbeitskampf zu treten - und zwar flächendeckend.

Bastian, Fachangestellter für Bäderbetriebe, Vollzeitstelle, Bruttoverdienst 2100 Euro; Gerd, Müllfahrer, Vollzeitstelle, Bruttoverdienst 2369 Euro; Philipp, Verwaltungsfachangestellter mit einer 30-Stunden-Woche, Bruttoverdienst 1400 Euro; Lars, Facharbeiter beim Grünflächenamt, Vollzeitstelle, Bruttoverdienst 2200 Euro. Sie alle fühlen sich unterbezahlt, beklagen eine permanent zunehmende Leistungsverdichtung, machen Überstunden, bemerken in ihren Bereichen einen stetigen Personalabbau. Sie alle sind fest entschlossen, den Arbeitskampf sofort zu beginnen, falls die Arbeitgeber am Donnerstag kein diskussionswürdiges Angebot auf den Tisch legt.

„Wir werden damit nicht in einzelnen Bereichen starten, sondern in allen. Die Zeiten, wo erst mal nur die Müllwerker streiken, sind vorbei. Die Infobriefe für Kita-Eltern zum Beispiel sind schon vorbereitet“, sagt Verdi-Geschäftsführerin Henrike Greven, die mit zahlreichen Gewerkschaftsmitgliedern zur Pressekonferenz ins DGB-Haus geladen hatte. Tenor der Veranstaltung und Motto der Gewerkschaft: „Wir sind es wert“.

Von der Privatwirtschaft abgehängt

Sie seien es leid, seit zehn Jahren immer nur einen Inflationsausgleich bekommen zu haben. Von den Tarifentwicklungen in der Privatwirtschaft sei man längst abgehängt. 6,5 Prozent, mindestens aber 200 Euro mehr im Monat lautet die Forderung. „Eigentlich hätten’s 15 Prozent sein müssen, aber wir sind ja nicht verrückt“, so Greven.

Stadtkämmerer Uwe Bonan hat durchgerechnet, wie teuer die Forderung die Stadt käme: Rund 6 Millionen Euro. So viel wird es nicht werden, wie die Erfahrung von Tarifverhandlungen zeigt. Doch mit den 750 000 Euro, die er in seinem Haushalt ansetzt, wird er nicht auskommen.

Auch im öffentlichen Dienst wird nicht jeder reichlich entlohnt

Den von Arbeitgebern, aber auch vielen Bürgern zu hörenden Einwand, im öffentlichen Dienst habe man schließlich einen sicheren Job und verdiene doch eigentlich ganz gutes Geld, wollen die Beschäftigten der Stadt und der städtischen Betriebe nicht gelten lassen: Wer mit 1700 Euro nach Hause komme, habe am Ende des Monats keinen einzigen Cent mehr übrig.

Und wer Sicherheit des Arbeitsplatzes betone, müsse auch von der ständig steigenden Belastung sprechen. Zwei Beispiele: Von 53 Stellen für Außendienstmitarbeiter im Grünflächenamt seien acht unbesetzt. Statt aus 25 Mitarbeitern bestehe die kaufmännische Verwaltung der MEG nur noch aus 20. „Der Krankenstand liegt bei sieben bis acht Prozent“, erklärt der MEG-Betriebsratsvorsitzende. „Und wenn bei uns mal einer ausfällt, weil er krank ist, dann wird ein Leiharbeiter eingestellt. Der kennt sich zwar nicht aus und ist nach drei Tagen wieder weg, aber was soll’s“, meint Peter, der als Mülllader arbeitet. Sein Bruttoverdienst: 2200 Euro.

Der Frust unter den Kollegen wächst

Weil es zu wenig Ersatz für ausscheidende Kollegen gebe, gehe nach und nach die Erfahrung flöten, beklagt Anne. „Unsere Werkstätten, die sterben doch aus.“ Sie arbeitet seit 35 Jahren bei den Verkehrsbetrieben. Der Frust unter den Kollegen wachse stetig. „Ein Busfahrer fängt mit 1900 Euro brutto an, junge Kollegen bekommen Zeitverträge.“ Den Krankenstand schätzt sie auf 12, 13 Prozent.

Verdi fordert denn auch die generelle Festanstellung fertiger Azubis. Vor allem aber will man einen großen Schluck aus der Pulle. Doch woher sollen die Städte das Geld nehmen? „Sicher, die Situation der Kommunen ist dramatisch. Aber für die Finanzkrise sind wir nicht verantwortlich“, sagt Greven. Wer dann? Zum Beispiel der Bund: Wer den Gemeinden neue Aufgaben zumute, müsse auch für das Geld sorgen. Sie fordert eine politische Lösung: „Steuerreformen könnten dem Bund 40 bis 50 Milliarden Euro pro Jahr einbringen.“ Kämmerer Bonan würde sich schon über ein paar Millionen freuen.