Mülheim. .

Im Tarifstreit haben am Montagmorgen mehr als 1100 Beschäftigte der Mülheimer Stahl- und Eisenindustrie mit einem Warnstreik ein imposantes Zeichen gesetzt. Ulrich Dörr, Ortsbevollmächtigter der IG Metall, ermahnte die Arbeitgeber vor versammelter Streikmannschaft am Tor zum Mannesmann-Bildungszentrum, endlich ein Angebot zu präsentieren: „Wir können auch anders!“

Die Gewerkschaft ist mit drei Hauptforderungen in die Tarifrunde gegangen. 7 % mehr Entgelt sind gefordert, daneben verbesserte Regelungen der Altersteilzeit, um mehr Beschäftigten zu besseren finanziellen Bedingungen den frühzeitigen Ruhestand zu ermöglichen, und, drittens: Auszubildende sollen garantiert und unbefristet übernommen werden. Derzeit gilt eine auf zwei Jahre befristete Weiterbeschäftigung.

„Alle drei Themen stehen gleichberechtigt nebeneinander“, stellte Dörr am Montag klar. Und doch stand der Warnstreik insbesondere im Zeichen des Fachkräfte-Nachwuchses. Es sei ein Skandal, so Mülheims IGM-Chef, dass deutschlandweit 35 % der Unter-30-Jährigen feststeckten in befristeten Arbeitsverträgen, in Leiharbeit und prekären Beschäftigungsverhältnissen. „Das wollen wir nicht mehr dulden“, rief er der Menge zu, in deren ersten Reihen etliche junge Beschäftigte von Vallourec & Mannesmann, Europipe, Salzgitter Mannesmann Grobblech, der Salzgitter Mannesmann Holding und der Friedrich-Wilhelms-Hütte lautstark ihre Zustimmung bekundeten. Dörr: „Es wird keinen Abschluss geben, in dem die unbefristete Übernahme von Auszubildenden nicht Schwarz auf Weiß drinsteht.“

100 Boxhandschuhe hatte die Gewerkschaftsjugend als Zeichen ihrer Kampfbereitschaft verteilt. Steffen-Lutz Wardel, Jugend- und Auszubildenden-Vertreter bei Vallourec & Mannesmann, trat selbst ans Mikrofon: „Es muss aufhören, die Jugend auf die Wartebank zu setzen“, sagte er unter großem Beifall. „So lange man einen befristeten Job hat“, sagte der 21-jährige, selbst befristet angestellte Industriemechaniker zur WAZ, „kann man sich kein planbares Leben leisten.“ Wie etwa solle ein junger Mensch ohne sicheren Arbeitsplatz eine Familie gründen, wenn er nicht wisse, ob er sie auch ernähren könne.

„Die Rente mit 67 ist in der Stahlindustrie nicht durchzusetzen“, plädierte Europipe-Betriebsratsvorsitzender Manfred Bogen für eine Ausweitung der tariflichen Altersteilzeitregelung. Die älteren Beschäftigten bräuchten angesichts der Belastungen im Arbeitsalltag mit Schichtdiensten „eine breitere Ausfahrt in den wohlverdienten Ruhestand“.

Ulrich Dörr hält auch die Forderung von 7 % mehr Entgelt nötig, um nicht nur die relativ hohen Inflationsraten auszugleichen, sondern auch ein Plus im Portmonee zu haben. Dies sei für die Volkswirtschaft insgesamt wichtig. Dörr zeigte sich zuversichtlich, aufgrund des starken Organisationsgrades von 95 % in der Branche („Das ist eine Macht“) ein gutes Tarifergebnis zu erzielen. „Es ist höchste Zeit, dass die Arbeitgeber auch mal ein Angebot vorlegen.“

Zur nächsten Verhandlungsrunde am 21. November in Düsseldorf rief der IGM-Ortsbevollmächtigte die Mitglieder auf, sich am begleitenden Protest zu beteiligen.

Solidarität erfuhren die Warnstreikenden durch Mülheims SPD-Parteichef Lothar Fink. Der wurde schließlich gesichtet, wie er mit einem Boxhandschuh von dannen zog. Für welchen Kampf er den wohl benötigt . . . ?

„Auftragseingänge lassen deutlich nach“

Bernhard Strippelmann, Hauptgeschäftsführer beim Arbeitgeberverband Stahl in Düsseldorf, machte gegenüber der WAZ deutlich, dass die Arbeitgeber zurzeit noch rechneten, welche Kosten mit den Gewerkschaftsforderungen verbunden seien. „Es bedarf auch noch einiger Klarstellungen seitens der IG Metall bezüglich der Altersteilzeit.“

Strippelmann sieht allerdings keine Voraussetzungen für große Gehaltssprünge gegeben. Das wirtschaftliche Umfeld für die Stahl- und Eisenbranche verschlechtere sich derzeit permanent. „Die Auftragseingänge lassen deutlich nach“, sagte er mit Verweis unter anderem auf die Prognose vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung, nach der mit einem Minus von 7,9 % im kommenden Jahr zu rechnen ist. Schon jetzt lasse die Produktion nach. Die Jahresprognose werde verfehlt.