Mülheim. .

Eine rechtsextremistische Szene in Mülheim sieht der Leiter des polizeilichen Staatsschutzes beim Präsidium Essen, Dieter Christ, nicht. Vielmehr seien in der Stadt Einzelpersonen auffällig. Nichtsdestotrotz: Angesichts der schrecklichen Erkenntnis jüngst, dass aus der Szene heraus die Zwickauer Terrorzelle über Jahre hinweg unbehelligt morden konnte, sei erhöhte Aufmerksamkeit geboten.

Christ referierte dieser Tage auf Einladung des Mülheimer Integrationsrates zum Thema „Rechtsradikalismus in Mülheim an der Ruhr“. Der Leiter des im Präsidium Essen angesiedelten polizeilichen Staatsschutzes machte allerdings schon zu Beginn deutlich, dass seine Ausführungen kein umfassendes Bild über rechtsextremes Wirken in Mülheim ergeben könnten. Seine Behörde sei lediglich für die Verfolgung und Verhinderung politisch motivierter Kriminalität zuständig, erkennungsdienstliches Wirken sei dem Verfassungsschutz vorbehalten.

Fast 70 Prozent allder Straftaten seien Propagandadelikte gewesen

Christ verantwortet den polizeilichen Staatsschutz für die Städte Mülheim, Essen und Oberhausen. Seit 2009 habe man in den drei Städten 510 Straftaten im Bereich rechtsextrem motivierter Kriminalität registriert, wohl aber bei hoher Dunkelziffer. Fast 70 % davon seien Propagandadelikte gewesen, etwa hingeschmierte Hakenkreuze, SS-Runen oder der Hitlergruß. Christ machte klar, dass seine Behörde diese Delikte „nicht wie Ladendiebstahl im vereinfachten Verfahren, sondern erkennungsdienstlich behandelt“. Oft sei aber festzustellen, dass unbedachtes, provokatives Handeln Jugendlicher dahinterstecke. Für Mülheim stellt der Staatsschutz fest, dass es keine Treff- oder gar Brennpunkte des rechtsextremen Spektrums gebe. Aus dem Plenum war Widerspruch zu hören. Speldorf wurde als auffällig genannt.

Seit Februar 2011 gibt es einen NPD-Stadtverband. Vom Vorsitzenden Marc Rostkowski weiß der Staatsschutz, dass „er mit dem Anspruch antritt, bei der nächsten Kommunalwahl in den Stadtrat einzuziehen“. Zwar sei bei der Mülheimer NPD „kein besonderes Mobilisierungspotenzial“ zu sehen, „aber“, so Christ, „man weiß nie, wo noch eine stille Reserve, eine Kameradschaft ist“.

Die aus der Neonazi-Szene hervorgegangenen Autonomen Nationalisten, die Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele ansähen, hätten in Essen und Mülheim keine Gruppenstärke, dass man von einer Szene sprechen könne. Gerade mal sechs Autonome Nationalisten in Essen habe man im Visier, es sei ein Überbleibsel einer etwas stärkeren Bewegung zu Beginn des Jahrtausends. Allerdings registriert der Staatsschutz eine zunehmende Zahl öffentlicher Versammlungen in Essen. In Mülheim gab es 2011 „nur“ die eine Kundgebung der NPD im April auf dem Kurt-Schumacher-Platz.

Der Staatsschutz-Leiter kündigte an, rechtsextreme Kriminalität gemäß des Acht-Punkte-Plans von NRW-Innenminister Jäger noch stärker ins Visier zu nehmen. „Wir werden den Kontrolldruck erhöhen.“ Dazu gehöre auch, dass man für 400 Personen in Mülheim, Essen und Oberhausen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit deren waffenrechtliche Erlaubnis überprüfe.

Zwölf Mülheimer Adressen als Anschalgsziele

Im Zuge der Ermittlungen des Bundeskriminalamtes zur rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle um Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe hat der polizeiliche Staatsschutz im Präsidium Essen noch einmal Altfälle der Jahre 1998 bis 2011 auf Indizien für eine Verbindung zu der rechtsterroristisch motivierten Mordserie überprüft. Nach bisherigen Erkenntnissen gibt es keine Anhaltspunkte für ebensolche Verquickungen.

Dies berichtete der Leiter der Essener Staatsschutzbehörde, Dieter Christ, nun im Mülheimer Integrationsrat. Überdies berichtete er, der den polizeilichen Staatsschutz für Mülheim, Oberhausen und Essen leitet, dass auf der in Zwickau aufgetauchten Datenliste mit Adressen vermeintlicher Anschlagsziele rund zwölf Mülheimer Adressen aufgetaucht seien – darunter die von SPD und CDU.

Betroffene Parteien, Verbände und andere Organisationen habe der Staatsschutz persönlich kontaktiert. Unklar sei jedoch weiterhin, welchem Zweck die auf einem Memory-Stick gefundenen Adressdaten dienen sollten.