Düsseldorf/Karlsruhe. Der am Mittwochmorgen in Düsseldorf festgenommene Carsten S., der verdächtigt wird, an Morden der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle beteiligt gewesen zu sein, steht vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH). Er wird über Untersuchungshaft entscheiden.

Der am Mittwochmorgen in Düsseldorf verhaftete mutmaßliche Waffenlieferant der Zwickauer Terrorzelle, Carsten S., ist dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) vorgeführt worden. Der 31-Jährige wurde von einem Polizeihubschrauber nach Karlsruhe gebracht. Der Ermittlungsrichter wollte ihm den Haftbefehl eröffnen und über die Untersuchungshaft entscheiden. Der Beschluss wurde für den späten Nachmittag erwartet.

Die Bundesanwaltschaft wirft Carsten S. die Beschaffung einer Waffe für die Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) im Jahr 2001 beziehungsweise 2002 vor. Er sei deshalb der Beihilfe zu sechs Morden und einem Mordversuch dringend verdächtig. Weiter soll Carsten S. zeitweilig der einzige gewesen sein, der persönlichen Kontakt zu dem untergetauchten Trio des NSU hatte.

Beamte der GSG 9 hatten S. am Vormittag in Düsseldorf in einem Haus an der Markenstraße festgenommen. Derzeit durchsuchen Beamte des Bundeskriminalamts und des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen die Wohnung des Festgenommenen.

Carsten S. war offenbar 1999 und 2000 im „Thüringer Heimatschutz“ aktiv

Nach den bisherigen Erkenntnissen war S. demnach 1999 und 2000 im rechtsextremistischen „Thüringer Heimatschutz“ aktiv. Bis 2003 soll er Kontakte in rechtsradikale Kreise gehabt haben. Er habe in enger Verbindung zu den drei im Jahr 1998 abgetauchten Mitgliedern des „NSU“ gestanden und soll diese laut Bundesanwaltschaft finanziell unterstützt haben.

Carsten S.
Carsten S. © Sergej Lepke/WAZ Fotopool

Bei Carsten S. handelte es sich offenbar um einen sehr engen Verbündeten der Terrorzelle: Zeitweilig soll er den Ermittlungen zufolge der Einzige aus dem rechtsextremistischen Umfeld des NSU gewesen sein, der unmittelbaren Kontakt zur Zwickauer Zelle hatte. Gemeinsam mit einem anderen mutmaßlichen Unterstützer soll S. den Rechtsterroristen 2001 oder 2002 eine Schusswaffe und die dazugehörige Munition verschafft haben.

Er soll Waffe und Munition in Jena gekauft und anschließend an den ebenfalls verdächtigten Ralf W. weitergegeben haben, der seinerseits dann einen Kurier mit dem Transport zu den NSU-Mitgliedern nach Zwickau betraut haben soll. "Angesichts seiner engen persönlichen und ideologischen Verbindung zu den „NSU“-Mitgliedern soll der Beschuldigte billigend in Kauf genommen haben, dass die Schusswaffe für rechtsextremistische Morde verwendet werden könnte", teilte die Bundesanwaltschaft mit. Ob die Waffe dann auch tatsächlich eingesetzt wurde, ist allerdings bisher noch nicht geklärt.

Chronik der Fahndung nach den NSU-Terroristen

4. November 2011: Bei der Fahndung nach zwei Bankräubern entdeckt die Polizei in Eisenach in einem ausgebrannten Wohnmobil zwei Leichen und mehrere Schusswaffen.

Am selben Tag kommt es in Zwickau zu einer Explosion in einem Wohnaus. Das Haus brennt nieder. Noch ist unklar, ob es eine Verbindung zwischen den beiden Fällen gibt.

7. November 2011: Zwei Waffen aus dem Wohnmobil stellen sich als die Dienstwaffen der Polizistin Michèle Kiesewetter und ihres Kollegen heraus.

Michèle Kiesewetter wurde 2007 in Heilbronn bei einem Attentat ermordetet, ihr Kollege damals schwer verletzt.

8. November 2011: Ein DNA-Test bestätigt die Verbindung der im Wohnmobil tot aufgefundenen Männer zu dem Polizistenmord in Heilbronn. Die Polizei geht davon aus, dass die beiden Männer auch für den Banküberfall in Eisenach verantwortlich waren. Überraschend...

...stellt sich an diesem Tag die mit internationalem Haftbefehl gesuchte Mitbewohnerin der Bankräuber, Beate Zschäpe, der Jenaer Polizei. Die 36-Jährige soll die Zwickauer Wohnung in Brand gesteckt haben, um Spuren zu vernichten.

11. November 2011: Bei den Ermittlungen kommt heraus, dass mit einer der gefundenen Pistolen zwischen 2000 und 2006 acht türkischstämmige und ein griechischstämmiger Kleinunternehmer erschossen wurden.

Die Anhaltspunkte deuten daraufhin, dass die Morde von einer rechtsextremistischen Gruppierung begangen wurden. Die Bundesanwaltschaft übernimmt die Ermittlungen.

Auf DVDs, die in der ausgebrannten Wohnung gefunden wurden, ist ein Propagandafilm der Gruppierung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU). In dem Video brüsten sich die Mitglieder der Terrorgruppe mit den Morden. In einem Ausschnitt ist eine selbst konstruierte Nagelbombe zu sehen.

13. November 2011: Beamte des Landeskriminalamtes Niedersachsen nehmen Holger G. fest. Er stehe im "dringenden Verdacht", sich an der terroristischen Vereinigung NSU beteiligt zu haben.

18. November 2011: Bund und Länder beschließen auf einem Krisengipfel ein Zentralregister für rechtsextremistische Gewalttäter und ein "Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus".

24. November 2011: Mit Andre E. wird ein weiterer mutmaßlicher Helfer der Terrorzelle festgenommen. Der Sachse soll den Propagandafilm erstellt haben.

29. November 2011: Die Polizei nimmt den früheren NPD-Funktionär Ralf Wohlleben fest. Ihm wird vorgeworfen, die Terroristenzelle unterstützt zu haben.

9. Dezember 2011: Die Innenministerkonferenz der Länder (IMK) strebt ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD an.

11. Dezember 2011: Mit Matthias D. aus dem Erzgebirgskreis geht den Fahndern ein weiterer mutmaßlicher Helfer der NSU ins Netz.

4. Januar 2012: Die Abgeordnete der Grünen im Landtag Thüringen legen einen Antragsentwurf für einen Untersuchungsausschuss zum NSU-Terror vor.

Der Untersuchungsausschuss soll klären, ob es bei den Ermittlungen zur NSU-Terrorzelle zu Versäumnissen gekommen ist.

13. Januar 2012: Die Fraktionen im Bundestag einigen sich auf die Bildung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der mögliche Versäumnisse bei den Ermittlungen zur NSU aufdecken soll.

25. Januar 2012: Ermittler durchsuchen in Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg Wohnungen und Geschäftslokale von vier mutmaßlichen Unterstützern der NSU.

26. Januar 2012: Der Deutsche Bundestag beschließt die Einsetzung des Untersuchungsausschusses.

1. Februar 2012: In Düsseldorf wird mit Carsten S. ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der Terroristen verhaftet. Er soll der NSU eine Waffe besorgt haben.

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