Düsseldorf. . Nach einer Studie des Verfassungsschutz ist das männliche Wählerpotenzial rechtsextremer Parteien ausgeschöpft. Jetzt haben sie die Frauen im Fokus.
Die Zielgruppe ist weiblich: die rechtsextremistische Szene wirbt verstärkt um Frauen und Mädchen. Für die Strategie von NPD und Neonazis werden sie immer wichtiger, nicht nur für Wahlen. Zu diesem Schluss kommt der NRW-Verfassungsschutz in einer umfangreichen Studie. Das moderne Rollenverständnis, mit dem sie neue Anhängerinnen ködern wollen, werde aber nur vorgetäuscht. „Der Kern der rechtsextremistischen Ideologie ist und bleibt frauenfeindlich“, warnt Innenminister Ralf Jäger (SPD) gegenüber der WAZ.
Folgt man der siebenseitigen Analyse mit dem Titel „Nationalismus ist Mädchensache“, so steckt vor allem die NPD in einem Dilemma. Die Partei habe bei Wahlen „ihr männliches Wählerpotenzial angesprochen und weitgehend ausgeschöpft – ihr weibliches Potenzial noch nicht“. Bei ihrem Versuch, sich auch in NRW zunächst in den Kommunen zu verankern, um über die Rathäuser den Sprung in den Landtag zu schaffen, sollen Frauen öffentlich ein anderes Bild der NPD prägen. „In dem Maße, in dem die Partei ein seriöseres und weniger abschreckendes Image aufbauen möchte, steigt ihr Interesse an weiblichem Personal“, heißt es in dem Bericht.
Jung und mit einfacher Bildung
Denn die NPD wird eindeutig von Männern beherrscht. Nach Daten des Verfassungsschutzes sind nur 15 bis 20 Prozent der 750 NPD-Mitglieder an Rhein und Ruhr weiblich, in der rechtsextremistischen „Bürgerbewegung pro NRW“ mit zehn bis 15 Prozent sogar noch weniger. Dass Männer eher rechtsextremistisch wählen als Frauen, ist in Deutschland eine Konstante seit 1945. Auch die Wählerschaft der vom Verfassungsschutz beobachteten NPD ist zu zwei Dritteln männlich, meist jung und mit mittlerer oder einfacher Bildung.
Noch weiter schrumpft der Frauenanteil auf der Ebene der Funktionsträger. Zu den 20 aktiven Kreisvorsitzenden der NPD in Nordrhein-Westfalen zählen zwei Frauen, im 15-köpfigen Landesvorstand sind es drei. Allerdings weisen sozialwissenschaftliche Studien nach, dass es in punkto Fremdenfeindlichkeit in der Bevölkerung keine markanten Unterschiede nach Geschlechtern gibt. Jäger wertet die Festnahme von Beate Zschäpe als Beleg, „dass Rechtsextremismus und Terrorismus keine rein männlichen Phänomene sind“. Mehr als jede zehnte Straftat von Rechtsextremen in NRW geht auf das Konto von Frauen. Tendenz: steigend.
„Cool statt aggressiv“
Aus Sicht des Verfassungsschutzes gewinnen rechtsextremistische Gruppen für Frauen an Bedeutung. Das sei „ein Indiz, dass Frauen und Mädchen eine stärkere Teilhabe an der Szene beanspruchen“, folgert der Bericht. Die NPD versucht diesen Trend zu bedienen. Dabei greift sie laut Jäger zu „neuen und soft erscheinenden Werbemethoden“, tarnt rassistische Propaganda mit Fotos „modern und cool wirkender Mädchen“ in Schülerzeitungen oder auf den Hüllen von Musik-CDs.
„Auch die Inhalte verändern sich“, sagt Minister Jäger, „Kennzeichen ist die Abkehr von aggressiven Parolen.“ Rechtsextremisten stellten sich als Opfer von Provokationen und Repressionen politischer Gegner dar, als „moderne Rebellen“, ganz ähnlich den Linksextremisten. Greifen sie zu Gewalt, so werde dies als legitime Selbstverteidigung verharmlost. Der Innenminister warnt auch vor rechtsextremistischen Frauenorganisationen, die sich angeblich für Gleichberechtigung einsetzen. Hinter dem Schein moderner Weiblichkeit verberge sich oft „die hässliche Ideologie des Rassenwahns und ein Mutterkult, der am Nationalsozialismus anknüpft“.