Mülheim. .
Kreuzung Leineweberstraße/Friedrich-Ebert-Straße/Friedrichstraße (Berliner Platz):
Ich stehe an der Ecke Leineweber-/Friedrichstraße, will rüber zum Haus der Nationalbank, Richtung Schloßstraße. Etwa eine Minute lang zieht Verkehr aus Richtung der Sparkasse und Bahnen aus der anderen Richtung der Leineweberstraße an mir vorbei. Und dann? Nichts. Weder von links noch von rechts rollt eine Bahn oder ein Bus an und trotzdem stehe ich an der roten Ampel. Warum denn überhaupt noch? Denkt sich wohl auch der junge Mann neben mir: Er löst sich aus der Menschentraube, die sich mittlerweile gebildet hat, und geht über Rot, natürlich folgen ihm einige.
Aus meinem Plan, mal kurz in die Stadt zu gehen und Brötchen zu kaufen, wird so schnell nichts. Nach gefühlten Stunden – tatsächlich sind es 2 Minuten und 10 Sekunden – wird’s endlich grün. Aber wie lange? Zehn Sekunden. In dem ganzen Trubel kann das für ältere Menschen mit Rollator ein Problem werden.
Der nächste Versuch: Von Tengelmann will ich rüber zur Sparkasse und mir bietet sich das gleiche Bild wie auf der anderen Seite der Kreuzung. Zunächst warte ich eine Minute, bis die Ampel auf Grün umspringt. Ich schaffe es gerade bis zu Straßenmitte, schaue auf und das nächste rote Ampelsignal leuchtet vor mir auf. Na super! Wieder 40 Sekunden warten. Menschen, die die grüne Phase um Sekunden verpasst haben, schauen sich kurz um und rennen noch schnell über die Straße, vermutlich weil sie wissen, wie lange sie sonst warten müssten. Die sind wohl noch ungeduldiger als ich.
Überweg Leineweberstraße zur Altstadt:
Auf der Leineweberstraße schlendern und mal eben die Straßenseite wechseln? Entweder mache ich das wie alle anderen und laufe über die Straße, ohne auf die Ampel in der Mitte der Straße zu achten. Oder warte. Fast zwei Minuten lang.
Kreuzung Leineweber-/Kaiserstraße (Kaiserplatz):
Ich stehe an der Bahnhaltestelle Kaiserplatz, kurz bevor die Bahn in Richtung Flughafen abbiegt. Hier beobachte ich, dass die Menschen dort, wo sie aus der Bahn steigen und nur schnell auf die andere Seite wollen, die Ampelschaltung völlig ignorieren. Kein Wunder! Sie müssten eine Minute, zehn Sekunden warten.
Vom Schloß Broich zur Innenstadt:
So sieht das nicht nur mitten in der Innenstadt aus. Auf dem Weg vom Schloß Broich bis zur Stadt muss ich an der Mühlenberg-Kreuzung vor der Schloßbrücke erst mal 50 Sekunden warten, schaffe es wieder nur bis zur Straßenmitte. Wieder Rot. Und wieder 35 Sekunden warten. Das gibt’s doch nicht! Und dann wartet unmittelbar nach der Schloßbrücke die nächste Fußgängerampel an der Schollenstraße auf mich. Und mit ihr natürlich auch das nächste Rot und etwa eine Minute Wartezeit.
T-Kreuzung Dickswall/Tourainer Ring:
Vielleicht kann man das Forum ja aus der anderen Richtung besser erreichen. Fehlanzeige! Ich stehe vor der großen Kreuzung auf dem Dickswall, und muss hier sogar richtig aufpassen, dass mich keiner über den Haufen fährt. Die Ampeln schalten hier nämlich auf Grün, obwohl noch Autos aus Richtung Leineweber- und Althofstraße aus der Kurve kommen, um auf den Tourainer Ring abzubiegen. Sie erkennen mich spät, aber immerhin komme ich ungeschadet rüber. Doch auch hier das alte Problem. Ich bin auf der Mitte der Straße angekommen, schaue nach oben: Rot!
Kreuzung Eppinghofer/Parallelstraße:
Das Forum ist ja auch über den Hauptbahnhof zu erreichen. Also versuche ich es hier noch mal, aber auch hier heißt es: Warten. Egal ob ich aus der Eppinghofer- oder Parallelstraße komme oder ob ich direkt vorm Haupteingang stehe und die Straßenseite wechseln will: Ich warte eine gestoppte Minute und 20 Sekunden.
Friedrich-Ebert-Straße, zwischen Kaufhof und Schloßstraße:
Schon fast aus Reflex bleibe ich vor der Straße stehen, als ich aus dem Bus steige und zur Schloßstraße rüber will, erblicke aber zu meinem Erstaunen ein grünes Männchen statt eines roten. Was ist denn da los? Ich kann die Straße hier so lange überqueren, bis ein Bus oder eine Bahn anrollt. Und unmittelbar nachdem diese vorbeigezogen sind, schaltet die Ampel wieder auf Grün. Dass es das hier auch noch gibt . . .
Fußgänger klagen, Autofahrer klagen. Eigentlich alle klagen über Rot an den Ampeln in der Innenstadt. Wie kann das sein? Die WAZ ließ sich die hoch komplexen Ampelschaltungen von den Fachleuten der Stadtverwaltung erklären – die Quintessenz ist so einfach wie einleuchtend: Des einen Grün ist nun mal des anderen Rot! Und doch gibt es Stellschrauben, an denen noch ein bisschen gedreht werden kann . . .
ÖPNV-Vorrang. Für die Lichtsignalanlagen in der Innenstadt, so Verkehrsplaner Roland Jansen, gilt: Vorrang haben Busse und Bahnen. In der Rangfolge danach ordnen sich der Individualverkehr, Radfahrer und Fußgänger ein.
Geschwindigkeiten von einem Meter pro Sekunde
Fußgänger. Sie sind die langsamsten – und bekommen laut Jansen in Mülheim längere Zeit zum Queren einer Straße eingeräumt, als in der fast 80 Seiten starken „Richtlinie für Lichtsignalanlagen“ zwingend vorgeschrieben. Dort ist geregelt, dass eine Ampelschaltung sich an einer Geschwindigkeit von maximal 1,2 Metern pro Sekunde bemessen darf. Mülheimer dürfen’s gemütlicher angehen. Die Stadt rechnet nur mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde. Zusätzlich wird Fußgängern ausreichend Zeit eingeräumt, die Straße zu räumen, wenn der rote Fußgänger längst aufleuchtet. Umkehren müsse niemand, so Jansen.
Berliner Platz. An der Mammut-Kreuzung mit etlichen Verkehrsbeziehungen kennt der Verkehrsrechner acht Ampelphasen, davon vier Hauptphasen, die – ohne Störung – innerhalb einer Stunde 45 Mal durchlaufen werden. Sprich: Innerhalb von 90 Sekunden müsste jeder Verkehrsteilnehmer am Berliner Platz einmal Grün gehabt haben. 80 ÖPNV-Fahrten pro Stunde bringen den Rhythmus wegen der Vorrangschaltung aber immer wieder durcheinander.
Verkehrsrechner. Auf Anfrage spuckt der Verkehrsrechner im Amt für Tiefbau und Verkehrswesen eine exakte Statistik aus, die aufzeigt, wie lange welcher Verkehrsteilnehmer an welcher Stelle auf Grün warten musste. In einer Tagesauswertung für die östliche Fußgängerquerung am Berliner Platz ist dann etwa nachzulesen: Rund ein Drittel der Fußgänger musste nach Betätigung der Fußgängertaste weniger als eine Minute auf Grün warten, nur 11 % wartete 90 Sekunden. Dazu werden Fußgängern rund um den Berliner Platz bis zu 30 Sekunden eingeräumt, die Straßenseite zu wechseln – Zeit, in der andere Verkehrsteilnehmer Rot haben. Länger Grün, sagt Jansen, könne man den Fußgängern da nicht einräumen. „Dann wird der Stau zur Schloßbrücke hin noch länger.“
Grüne Welle für den Durchgangsverkehr
Verbesserungsbedarf. Den gibt es auch noch am Berliner Platz. Wer die Friedrich-Ebert-Straße queren und rüber zu Tengelmann will, soll in absehbarer Zukunft nicht mehr so lange warten müssen. Die Stadt hat den Anlieferverkehr für die Schloßstraße anders geregelt. Bisher fuhr er von der Friedrichstraße kommend über den dortigen Rechtsabbieger geradeaus zur Schloßstraße durch, zu Lasten des Grüns für Fußgänger an besagter Stelle, jetzt kommt er von der Schloßbrücke, über die dortige ÖPNV-Trasse.
„Eine Arbeitsgruppe mit Siemens und MVG tagt regelmäßig“, sagt Amtsleiter Klaus-Dieter Kerlisch. „Wir sind auf Ballhöhe und schauen ständig, wo was verbessert werden kann. Als nächstes werde man dann auch genauer die Situation der Fußgänger an der T-Kreuzung Dickswall/Tourainer Ring (siehe oben) unter die Lupe nehmen. Denn auch Kerlisch ist nicht entgangen, dass sich dort des Öfteren Fußgänger und Abbiegeverkehr in die Quere kommen.
Kein Chance für Verbesserungen. Die sehen die Fachleute am Übergang Leineweberstraße zur Altstadt („maximal 60 Sekunden nach Aufforderung wird’s grün“), an der Mühlenberg-Kreuzung (versetzte grüne Welle für den Durchgangsverkehr) und an der Haltestelle Kaiserplatz, wo die Ampel aus Sicherheitsgründen kein Grün zeigt, wenn eine Bahn vor Ort ist, da der weitere Überweg Richtung Forum ampellos ist.