Mülheim. .
Die Mülheimer Verkehrsgesellschaft (MVG) bietet einen Begleitservice für alle Menschen an, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Ein kostenloser Service, der im Ticketpreis enthalten ist.
Von der Haustür zur Haltestelle sind es nur gut 150 Meter. Ein Katzensprung, und man ist in der Straßenbahn. Doch was für bewegliche Menschen ein „Mal-eben“ ist, ist für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, oft nicht machbar. Ihnen stellt die MVG jetzt Begleiter zur Seite, die sie zu Hause abholen und ihnen helfen bei der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln – ob mit Rollator, Krücke oder Gipsarm.
Viel mehr als 150 Meter sind es wirklich nicht, die Herbert Gutzeits Wohnung vom Straßenbahnhalt trennen. Doch dem 82-Jährigen fällt das Laufen schwer, ohne Rollator geht es gar nicht mehr. Immer wieder muss er ein Päuschen einlegen, mal tief durchatmen, Luft holen. „Ich hatte zwei Infarkte, ich muss aufpassen“, erklärt er Elke Schleginski, obwohl Erklärungen nicht nötig sind. Sie ist eine von 16 Mitarbeitern des MVG-Serviceteams und begleitet mit ihrem Kollegen Klaus Gerhard Albertz den Senior in die Stadt – dabei gibt der 82-Jährige natürlich das Tempo vor.
Begleitservice für Senioren
Seit Mai 2010 bietet die MVG den Begleitservice; damals wurde in Kooperation mit Sozialagentur und Pia das Serviceteam gebildet. Seitdem gab es rund 360 Begleit-Einsätze. „Im Durchschnitt“, sagt Nicole Füssel, bei der Verkehrsgesellschaft zuständig für Kundenmanagement und Marktkommunikation, „haben wir 20 Anforderungen pro Woche.“ Ein bis zwei Neukunden kämen im Schnitt wöchentlich hinzu. Aus Sicht der MVG könnten es aber mehr werden. In Essen und Duisburg, den anderen beiden Städten im Verkehrsverbund Via, läuft das Angebot schon länger – und besser.
Dem demografischen Wandel will man so begegnen. Denn die steigende Zahl älterer Menschen lässt zwei Möglichkeiten zu: Man stellt sich darauf ein oder hat langfristig weniger Fahrgäste. „Wir wollen damit auch die Menschen an den Nahverkehr binden“, sagt MVG-Sprecher Olaf Frei. Zudem sei es für viele Senioren eine Kostenfrage: Nicht jeder könne immer mit dem Taxi zum Arzt oder Einkaufen fahren. Der Begleitservice der MVG kostet eine gültige Fahrkarte und sonst nichts.
Plausch inklusive
Derweil fährt eine Linie 102 in Richtung Stadtmitte an Herbert Gutzeit vorbei. Die Haltestelle ist noch weit, und er bemerkt die Tram gar nicht. Von seinen Ausflügen erzählt er gerade und dass er gerne an der frischen Luft sei. Ein netter Plausch ist beim Begleitservice inklusive. Vielen älteren Menschen, sagt Elke Schleginski, sei dieser Kontakt wichtig. Ebenso wichtig wie die Möglichkeit, mal raus zu kommen. Immer nur zu Hause, findet Herbert Gutzeit, falle einem ja die Decke auf dem Kopf. „Bei schönem Wetter bin ich immer unterwegs. Ich schaue gerne Leute“, sagt der Dümptener. Und: „Ohne den Service ginge das gar nicht mehr.“
Warum, das zeigt sich an der Haltestelle. Sein Rollator, der ihm beim Laufen Sicherheit gibt, behindert ihn beim Einsteigen. Siebeneinhalb Kilo wiegt seine Gehhilfe, allein kann Gutzeit sie nicht die Treppen hochhieven. Außerdem brauche er beide Hände, um sich selbst die Treppen hochzuziehen. Mit Begleitung geht das flott. Elke Schleginski reicht Herbert Gutzeit den Arm, führt ihn sicher zum Sitzplatz, während Klaus Gerhard Albertz den Rollator trägt. Meistens begleitet nur ein Servicemitarbeiter den Kunden, aber auch das sei kein Problem. „Erst der Herr, dann der Rollator“, nennt Albertz die goldene Regel, denn: „Ein Rollator kann ja nicht fallen.“
Dann geht es gen Hauptbahnhof. Dort trennen sich Begleiter und Kunde, vorher wird aber eine Zeit für die Rückfahrt verabredet – denn die Begleitung ist keine Einzelfahrt.