Mülheim. .
Seit Monaten tobt in der Politik ein Streit darum, wie und an wen die Stadt die Stromkonzession vergeben soll. Wie es heißt, ein riesiges Millionen-Geschäft für die nächsten Jahrzehnte. 2014 läuft der aktuelle Strom-Vertrag mit dem RWE aus. Und dann? Sechs Unternehmen aus ganz Deutschland hatten ihr Interesse an der Mülheimer Stromkonzession bekundet – übrig blieb am Ende nur das RWE, alle anderen warfen das Handtuch und gaben kein Angebot ab.
Auch der Lokalmatador, die Medl, an der zu 49 % das RWE beteiligt ist, zog jüngst das bekundete Interesse zurück. Wie auch die Stadtwerke Duisburg oder die Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg. Beide erklärten auf Anfrage der WAZ, dass für sie das Stromgeschäft in Mülheim wirtschaftlich nicht lohnend gewesen wäre. Punkt. Gelsenwasser, zunächst stark interessiert, geben offiziell gar keine Stellungnahme ab. Aber auch sie zogen sich zurück.
Kein Wunder, schallt es aus Teilen der Politik: Vor allem die SPD, allen voran die Oberbürgermeisterin, auch die CDU hätten frühzeitig ihre uneingeschränkte Sympathie für RWE signalisiert. „Da überlegt sich doch jedes Unternehmen zweimal, ob es die Zeit und das Geld in ein Angebot überhaupt noch investiert“, so Lothar Reinhard von den MBI, die es gerne gesehen hätten, wenn ein stadtübergreifendes Bündnis zum Zuge gekommen wäre. „Es lief alles von vornherein auf das RWE hinaus“ – ein Interessent gab dies hinter vorgehaltener Hand zu verstehen. Besonders wettbewerbsfreundlich sei das nicht gewesen.
Eine Farce
Von den Liberalen hört sich das so an: „Es war nicht anders zu erwarten.“ Zumindest habe man eine Diskussion noch geführt und nicht sofort auf das RWE gesetzt, so Peter Beitz. Von einer Farce spricht Achim Fänger (Wir-Linke): „Natürlich wird’s der Stromriese, der Markt ist längst unter den Großen aufgeteilt.“ Eine gewisse Verwunderung über den Interessentenschwund gibt es bei der CDU. Aber Nachteile erwartet man für die Stadt nicht.
Wer die Konzession besitzt, darf im Stadtgebiet ein Stromnetz unterhalten und von anderen Stromanbietern Durchleitungsentgelte kassieren. Für das Recht, Leitungen auf städtischem Grund zu verlegen, erhält die Kommune eine jährliche Konzessionsabgabe. Für Mülheim beträgt sie jährlich 12 Mio Euro. Es ist der höchstmögliche Satz, wie Hendrik Dönnebrink, Chef der Beteiligungsholding, betont. Und wenn mancher Politiker glaubt, dass bei nun nur einem Bewerber die Stadt kaum noch mehr herausholen könnte, dem gibt Dönnebrink mit auf den Weg: Egal wer die Konzession bekommt, „für die Stadt würde es keineswegs mehr als jene zwölf Millionen geben“. Dies habe die Bundesnetzagentur so festgelegt. Der oft erzeugte Eindruck, dass es hier um ein gigantisches Millionengeschäft gehe, bei dem die Stadt mitmischen könne, sei abwegig.
Netz bedeutet Einfluss
Überhaupt geht es für die Stadt nicht um mehr Geld, höchstens um Zugaben, wie ein Extra am Neuwagen. „Wir verhandeln jetzt zum Beispiel über die Folgekosten von Straßenaufbrüchen, wenn Leitungen erneuert werden müssen“, so Dönnebrink. Überhaupt habe die Stadt mit einem vorgegebenen Muster-Konzessionsvertrag festgelegt, was sie von dem Anbieter erwartet und fordert. Ein externer Gutachter werde das Angebot des RWE daraufhin prüfen.
Dass all die anderen Interessenten abgesprungen sind, wundert Dönnebrink nicht: Denn jeder hätte zunächst das Netz vom RWE kaufen, also stark investieren müssen. Die Aufregung und Empörung in der Politik kann er nicht nachvollziehen: Weder Strompreise noch Stromart werden durch den Vertrag in irgendeiner Form beeinflusst. Dem Bürger könne es egal sein, durch wessen Leitungen der Strom laufe.
Falsch, glaubt Reinhard: „Wer das Netz besitzt, der besitzt auch Einfluss.“