Mülheim.
Birgit Donzelmann ist die Begeisterung immer noch anzumerken – obwohl die Bergtour, die sie gemeinsam mit neun anderen Frauen unternommen hat, nun schon fast zwei Monate zurückliegt. Die einwöchige Tour war eine ganz besondere Reise und Höhepunkt sowie Abschluss des Projekts „Über den Berg zwanzigelf“.
Das Wanderprojekt des Brustzentrums Mülheim/Oberhausen hat zehn Frauen, die eine körperlich wie seelisch anstrengende Brustkrebs-Therapie hinter sich gebracht haben, physisch und mental in die Lage versetzt, die große Bergtour zu wagen – medizinisch und sportpädagogisch begleitet. „Wenn mir das vorher jemand vorgeschlagen hätte, hätte ich gesagt, das schaff’ ich nie im Leben“, sagt Birgit Donzelmann. Die vor ihrer Erkrankung sportlich aktive Mülheimerin musste nach ihren Therapien quasi bei Null anfangen. Zusammen mit ihren Mitstreiterinnen aus Mülheim und Oberhausen absolvierte sie ein dreimonatiges Vorbereitungstraining unter fachlicher Anleitung. Steigungen beim Walken brachten Birgit Donzelmann dabei regelmäßig zum Japsen. Wie sollte sie erst in den Alpen wandern, hatte sie sich gefragt.
Gruppe und Trainer motivierten
Aber wie das so ist: Die nette Gruppe, die aufmunternden Trainer motivierten so stark, dass Birgit Donzelmann – wie jede einzelne Frau – über sich selbst hinauswuchs. Der Beweis: Das Foto vom gemeinsam erklommenen Berggipfel. Denn so ganz nebenbei hat die Endvierzigerin auch noch ihre Höhenangst überwunden. „Ich habe mir gesagt: 2010 habe ich schon so viel geschafft – jetzt will ich auch mit da oben stehen“, erinnert sie sich.
Astrid Schulz, die als Gesundheitstrainerin am Ev. Krankenhaus Mülheim die Frauen das ganze Jahr über begleitet hat, betont: „Auf Tempo und Leistung kam es aber gar nicht an.“ Frau Schulz hat ja gesehen, was den Frauen vielleicht selbst gar nicht so aufgefallen ist: wie enorm sich die körperliche Fitness zuvor entwickelt hat. Aber niemand stand auf dem Prüfstand. Jede Tour sei durch den erfahrenen Bergwanderführer vor Ort so gestaltet worden, dass kein Druck aufgebaut wurde und jede Frau, die sich nicht wohl fühlte, die Wanderung jederzeit abkürzen konnte.
Frauen schlugen sich wacker
Gesunde Ernährung und alternative Medizin waren Themen, mit denen die zehn Frauen so nebenbei in Berührung kamen: Das Hotel bot gemüse- und obstreiche Biokost an, der Besuch bei einem Bio-Imker und einer Kräuterfrau nahm einen ganzen Nachmittag in Anspruch. Bei strahlend blauem Bergwetter harmonierte das Miteinander in der Gruppe besonders gut, der Grundstein für manche Freundschaft wurde gelegt.
Beim Wandern schlugen sich die Frauen wacker, schafften auch den Aufstieg auf den 2000 Meter hohen Gipfel und die neunstündige Tour rund um den Widderstein. Aber darum ging es nur vordergründig: „Jede einzelne Frau hat ihre eigenen Berge, die es zu bewältigen galt“, sagt Schulz. „Und das hat jede Frau für sich ganz prima geschafft.“
"Ich bin wieder ich"
Vom Albtraum zum Alptraum – so bilanziert Astrid Schulz das Pilotprojekt. Da wird ihr nicht nur Birgit Donzelmann recht geben. Die sagt nämlich heute, 21 Monate nach der schlimmen Diagnose: „Ich bin wieder ich. Den Krebs habe ich abgehakt.“ Wenn sie heute vor einer schwierigen Aufgabe stehe, die es zu bewältigen gelte, denke sie an das, was sie in diesem Jahr schon alles geschafft hat, setze sich nicht unter Druck, gehe es langsam, im eigenen Tempo an.
Natürlich komme kurz vor einem der alle drei Monate stattfindenden Nachsorge-Termine ein bisschen die Angst zurück. Aber sonst sei sie wirklich über den Berg – im doppelten Sinne, zieht sie ihre persönliche Bilanz: „Ich habe mein altes Leben wieder.“