Mülheim. .
Am Ende des Stadtentwicklungsprojektes „Schlimm City“ diskutierten Forscher, Architekten, Künstler und Bürger über Mülheims Zukunft. Die Stadt brauche ein Symbol, findet Designer Hermann Rokitta. Künstler Jan Ehlen wünscht sich Häuserbesetzungen.
In den vergangenen vier Wochen hat Mülheim „Schlimmes“ erlebt: Da waren Protestzüge, Interventionen, Diskussionen – künstlerische Stimmen zur Stadtentwicklung raunten vom Kaufhof über Eppinghofen bis in den Speldorfer Süden. Nun hat das Stadtspektakel ein Ende: das Projekt des Ringlokschuppens, „Schlimm City“, resümierte am Sonntag in der letzten Runde.
Wie lässt sich toter Raum mit Leben füllen?
Nach etwa 70 Veranstaltungen, 45 Projekten und über 4000 Besuchern wurde beim abschließenden Stadtgespräch „I love Schlimm City!?“ noch einmal kritisch diskutiert. Im ehemaligen Kaufhof, der DeZentrale von Schlimm City, haben sich Besucher zur Abschlussdiskussion in einen Kreis gehockt. Zur Redner-Runde gehören Ulrike Hass vom Institut für Theaterwissenschaften (Ruhruni Bochum), der Architekt Dirk Haas, der Designer Hermann Rokitta, der Künstler Jan Ehlen sowie Jens Imorde vom Netzwerk Innenstadt NRW. Der Einladung sind auch Mitglieder des WAZ-Leserbeirates gefolgt. Gespannt verfolgen sie das letzte Stadtgespräch und sprechen mit.
Vor allem geht es um die Frage nach der Entwicklung: Welche Ideen, Planungen und Arbeiten gibt es für die Stadt von morgen? Wie lässt sich toter Raum mit Leben füllen? Der Einzelhandel werde weniger, das Zentrum der Stadt zur sozialen Peripherie. Ist das Zentrum überhaupt noch Zentrum? Und daher: „Sollte der Fokus und die Förderung nicht mehr auf die Menschen anstatt auf Gebäude gerichtet werden“, fragt Moderator Holger Bergmann, künstlerischer Leiter des Ringlokschuppens.
Jens Imorde glaubt nicht, dass der Einzelhandel aus der Stadt verschwindet. Vielmehr existierten zwei Ebenen in einer Innenstadt: „Zum einen der Handel, zum anderen die individualisierte Ebene.“ Es gelte, den Ausgleich zwischen beiden zu schaffen. So bleibt also die Aufgabe, sich von der alten „Zentrumsidee“ zu verabschieden und neue Konzepte zu finden.
„Leute reinholen, begeistern, Identifikation mit der Stadt schaffen“
Ulrike Hass erinnert an die übersehenen Räume, die B- und C-Lagen der City, die als Raum für junge Künstler und Unternehmensgründer genutzt werden könnten, als Ort zum Ausprobieren. „So könnte man dem Ruhrgebiet die Parole geben ‚Wir sind Raum für junge Leute.“
Bobby-Car-Rennen im alten Parkhaus
Designer Hermann Rokitta gefällt die Idee. „Mülheim braucht ein Symbol, welches auch weit weg wahrgenommen wird, eine Identität als Anziehungspunkt.“ Nach dem Motto „Leute reinholen, begeistern, Identifikation mit der Stadt schaffen und darüber Finanzierungen planen.“
Dirk Haas sieht das anders: „Man muss Stadtentwicklung mit Leuten planen, die bereits vor Ort sind.“ Rokittas Vorschlag, getrennte Bereiche miteinander zu vernetzen, stimmt Haas jedoch zu. „Warum nicht ein Büro schaffen, in dem Künstler und Unternehmer nebeneinander arbeiten, unter einem Dach mit Kinderbetreuung“, schlägt Rokitta vor.
Schlimm City braucht eine Fortsetzung
Künstler Jan Ehlen geht einen Schritt weiter und denkt laut über die Besetzung leerstehender Gebäude nach. Denn: „Gerade in der Mülheimer Politik braucht es viel Druck, damit was passiert.“ So könnte Dringlichkeit aufgebaut werden – aus der am Ende Kreatives entsteht.
In einem Punkt sind sich alle einig: Schlimm City braucht eine Fortsetzung. „Das Projekt sollte kein einmaliges Feuerwerk sein, sondern einen Prozess in Gang setzen, der über Jahre gehen muss“, meint Moritz Darge vom WAZ-Leserbeirat. Beiratsmitglied Edith van Ewyk findet: „Nun sollten sich Arbeitskreise bilden, in denen sich Stadtplaner, Künstler, Unternehmer und Eigentümer zusammensetzen.“ Ergebnisse sollten fixiert, Denkansätze weiter gedreht werden. „Schlimm City als ständige Institution würde der Stadt gut tun“, findet Moritz Darge.