Mülheim. Eine Verkehrsführung, die ratlos macht und ein Baustellen-Chaos, das den Einzelhandel um seine Existenz kämpfen lässt: Mülheim hat zweifellos einige Probleme. Doch gegen das “Schlimm-City“-Plakat hat sich die Stadt gewehrt - mit Erfolg.

Erst waren es die Verkehrsführungen, die Auswärtige wie Einheimische nur schwer durchschauten und die dem Einzelhandel die Kunden an der Stadt vorbeiführten. Dann kamen die großen Baustellen, die dem Einzelhandel in der Innenstadt die Kassen leerten, und jetzt kommt die Kultur, die die Krise der Innenstadt mit „Schlimm-City“ betitelt. Das ist zu viel.

Das Entsetzen über den Schriftzug, der über der Schloßstraße die Veranstaltungsreihe ankündigt, ist insbesondere in der Händlerschaft, die teilweise ums wirtschaftliche Überleben kämpft, groß. Gerade in der Werbegemeinschaft Innenstadt (WGI), die sich seit Monaten bemüht, die Mülheimer Innenstadt zu stärken, kommt großer Unmut auf: Mit einem Schlag sieht man all die Bemühungen ins Gegenteil verkehrt.

Plakatierung soll kurzfristig entfernt werden

Mancher hält „Schlimm-City“ nicht für provozierend, sondern schlicht für geschäftsschädigend. Wie die WAZ erfuhr, soll die Plakatierung „Schlimm-City“ kurzfristig wieder entfernt – und hoffentlich schnell vergessen werden.

Abgestimmt war sie in keiner Weise, betont die Chefin der Mülheimer Stadtmarketing und Tourismus GmbH, Inge Kammerichs. Sie kritisiert auch die äußere Form der Plakatierung: „Sie tritt alles mit Füßen, was wir uns als Verbesserung am äußeren Erscheinungsbild vorgenommen haben.“ Sie verweist auf Regelungen, die auch der Ringlokschuppen kennt. Der Ringlokschuppen ist Urheber der Aktion „Schlimm-City“, will damit provozieren und Diskussionen wie neue Ideen für die Innenstadt produzieren.

Droht ein weiteres Absinken der Kunden?

Nichts gegen Kultur in der Innenstadt, sagt Inge Kammerichs. Im Gegenteil: Wir brauchen sie. Aber nicht in dieser Form. „Dies ist falsch, verärgert Menschen, darüber kann sich keiner freuen.“ Die Veranstalter, glaubt City-Managerin Gudrun von der Linden, mögen sich nichts Böses dabei gedacht haben. Aber diese Form ist kontraproduktiv für den Handel.

„Es tut weh. Es richtet Schaden an.“ Was bleibt am Ende hängen? Mülheim gleich schlimm? Droht ein weiteres Absinken der Kunden? Gerade das will die WGI stoppen und allmählich ins Gegenteil verkehren. Für den Handel geht es um Menschen in der Stadt, um Einnahmen, und damit auch um Arbeitsplätze.

Schlimmer geht’s immer – das zeigt der Zoff über das künstlerische Projekt „Schlimm-City“, ins Leben gerufen vom Ringlokschuppen und vielen anderen Akteuren. Händler, MST und Werbegemeinschaft sind brüskiert ob des Titels, sehen ihn als einen Rückschlag für all ihre Mühen in den letzten Wochen und Monaten, den Stadtkern nach vorne zu bringen.

Höhepunkt des Ärgers: Das Transparent mit der Aufschrift „Schlimm-City“ direkt über der Schloßstraße gespannt. Gerüchte über gerichtliche Schritte haben die Runde gemacht, wenngleich Hermann Pogge, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Innenstadt (WGI), das Ansinnen einer „Einstweiligen Verfügung“ vehement zurückweist: „Das ist eine Ente.“

Treffen mit allen Beteiligten

Am Montag gab’s dann ein Treffen mit Beteiligten von Werbegemeinschaft, Mülheimer Stadtmarketing und Ringlokschuppen bei Kulturdezernent Peter Vermeulen hinter verschlossenen Türen. Holger Bergmann, Künstlerischer Leiter, der mit dem Schlimm-City-Programm augenzwinkernd und spielerisch auf Provokation setzt, zielt bei seinen Erläuterungen auf Inhalte ab: Es gehe nicht um Totschlag-Argumente, so Bergmann, „nicht mal um Nadelstiche, sondern im besten Sinne geht es darum, mit künstlerischer Akupunktur alte Muster aufzubrechen, in denen sich die Innenstadt bewegt“.

Es handele sich dabei um eine Art kreativen Forschungsdienst. „Mit Kunst und Kultur wollen wir Denkanstöße geben.“

Es gäbe auch keinen Zweifel über die vielen Anstrengungen, die engagierte Händler in der letzten Zeit unternommen hätten, betont Bergmann: „Das Projekt kommt genau richtig, um all diese Bemühungen von anderer Seite zu stärken.“ Nun, man wird sehen, wie dieses „Stadtspiel in Realversion“, so der Untertitel, vom 14. September bis 9. Oktober in der Innenstadt ankommt.

Finanzielle Unterstützer hat man dafür gewonnen: etwa 60.000 Euro gibt es von der Leonhard-Stinnes-Stiftung, 30.000 Euro von Sponsoren, 20.000 Euro kommen vom Land, und der Ringlokschuppen trägt seinen Anteil dazu bei. Dafür gibt’s drei Wochen Programm in der Innenstadt: Performance, Lesungen, Konzerte, Installationen, Aktionen, Stadtgespräche. Der Kaufhof wird temporär wiedereröffnet: als Leer-Anstalt.