Mülheim. .
Fördertürme kann jeder. Die drei „Ruhrpottlocals“ wählten als Markenzeichen lieber einen gelben Kanarienvogel, der, die Augen nur Kreuze und die Krallen in die Höhe, auf dem Rücken liegt. Der tote Grubenvogel, der dennoch gar nicht makaber, sondern poppig-niedlich daher kommt, offenbart, was Nina Hubinger, Thomas Biesgen und Nico Giesen auszeichnet: der Mut zum Querdenken, die Lust an der Provokation und der Wunsch, ihre Heimat zu modernisieren.
Diese Eigenschaften lassen sich auch auf dem Schaufenster ihres neuen Ladens ablesen. „Mülheim ist tot, lang lebe Mülheim“ klebt dort. Es ist eine Reaktion auf die Reaktionen, die ihnen entgegenschlugen, seit sie das Ladenlokal am Löhberg 30, Ecke Wallstraße, renovieren. Beileidsbekundungen gab es von Passanten und Unverständnis über das Wagnis, in Mülheim ein Geschäft zu eröffnen. „Das ist der Mölmsche Mopperkopp“, sagt Thomas Biesgen – wie Nina Hubinger selbst Mölmscher. Das Trio versucht es, statt zu moppern, lieber mit Optimismus. „Die Innenstadt“, sagt der Essener im Bunde, Nico Giesen, „ist nicht tot, sondern nur totgesagt.“
Kapuzenpullis und Kinderkleidung mit Aufdruck
„Das Kaufverhalten der Leute hat sich einfach verändert“, glaubt Thomas Biesgen. Der Blick durch die City beweise aber, dass Kunden gezielt kämen, wenn das Angebot stimme. „Viele Einzelhändler haben es verpasst, sich dem anzupassen.“ Der Markt lebe und man müsse sich miterneuern. Die Ruhrpottlocals wollen Teil dieser Erneuerung sein und entschieden deshalb, von Essen nach Mülheim zu ziehen, um hier „Gedöns“ zu verkaufen – und das klingt trödeliger als es ist.
In ihrem hellen Eck-Geschäft stehen Kerzen mit aufgedruckter Aussage ebenso in weißen Regalen wie Schmuck, Schlüsselanhänger, Karten aus Holz und und und. Natürlich hängen auch T-Shirts an einer Wand. Damit haben die Ruhrpottlocals im vergangenen Dezember nämlich angefangen. Inzwischen gibt es auch Kapuzenpullis und Kinderkleidung mit bunten Aufdruck, in dem sich der mausetote Kanarienvogel oft erst auf den zweiten Blick sehen lässt.
Intensive Recherchen nötig
Ein nebenberufliches Gemeinschaftsprojekt ist es, in die jeder der drei Selbstständigen eine eigene Nische besetzt: Nina Hubinger ist Grafik-Designerin, Nico Giesen arbeitet im Marketing im Bereich der strategischen Planung und Thomas Biesgen bringt als selbstständiger Handelsvertreter Produkte aus dem Bereich Wassersport und Lifestyle in die Läden. Ihre Fachkenntnis bringen sie nun in einem Laden zusammen, der mehr sein soll als nur Geschäft.
Die drei 30-Jährigen haben dort ihre Schreibtische stehen, wollen den Raum als Büro nutzen. Zudem soll er anderen selbstständig Kreativen aus dem Ruhrgebiet eine Plattform bieten, ihre Waren auszustellen. Bei ihnen, sagt Nico Giesen, gibt es „nur Gedöns, in dem viel Handarbeit steckt. Wir möchten Kleine unterstützen.“ Und das muss, vom Stoffelefant bis zum Ohrring, nicht teuer sein. Intensive Recherchen, viele Besuche auf Messen und in anderen (kleinen) Läden waren nötig, bis das Sortiment der Ruhrpottlocals stand.
Eine Spur Lokalpatriotismus
Ihre Haupttätigkeiten und die zusätzliche Nutzung als Büro, das räumen alle Drei ein, nehmen ihnen den Druck, den Laden wirtschaftlich führen zu müssen. Dennoch glauben sie, dass sie eine Lücke in der Mülheimer Innenstadt füllen: mit Design, Handarbeit, Geschenkartikeln und einer Spur Lokalpatriotismus. Nina Hubinger: „Wer jetzt eine Kleinigkeit oder ein Mitbringsel für Freunde sucht, muss nicht mehr nach Bochum oder Essen fahren.“