Mülheim.
Droht in den Städten und damit im Land der Zusammenhalt im Volk, die Bindung zwischen Politik und Verwaltung auf der einen und den Bürgern auf der anderen Seite immer mehr zu schwinden? Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld äußerte jetzt erneut ihre Sorgen.
„Nimmt man die offensichtlichen Zeichen für die zunehmende Entfremdung zwischen Bürgerschaft, Politik und Verwaltung auch nur ansatzweise ernst, dann müssen wir zwingend gegensteuern“, sagte sie vor rund 600 Gästen beim diesjährigen Bürgerempfang in der Stadthalle.
Gegenseitiges Nicht-mehr-Verstehen, Misstrauen und öffentliche Unterstellungen könnten keine Basis für gute Stadtpolitik sein. Sie können kein tragfähiges Fundament für den gesellschaftlichen Zusammenhalt bilden. Doch gerade darauf seien die Städte auf Gedeih und Verderb angewiesen, so die OB.
Auch der Bürgerempfang soll mehr Gemeinsamkeit schaffen. Waren in früheren Jahren deutlich mehr Bürger geladen, so wurde auch dieser Empfang im Zuge der Sparmaßnahmen abgespeckt. 200 Bürger waren per Losverfahren für den Empfang ausgewählt worden, dazu geladen wurden Bürger, die sich im laufe des Jahres durch besondere Leistungen, gerade im Ehrenamt, hervorgetan hatten. Und auch das einst üppige Büfett musste einige Gänge runtergefahren werden: Currywurst und Pommes statt Festtagsbraten. Die Menschen ließen es sich dennoch schmecken. Auch an der Musik wurde gespart, es blieb still.
"Schwindende Kompromiss- und Konsensfähigkeit"
Was bedroht den Zusammenhalt in den Städten? Sind es objektive Missstände? Für Mülheim lässt die OB dies nicht gelten. Trotz aller Finanzprobleme gehe es der Stadt immer noch besser als vielen anderen Kommunen. In Mülheim sieht die OB eine immer weiter schwindende Kompromiss- und Konsensfähigkeit. „Stattdessen wächst der Wille zur Durchsetzung von Einzelinteressen auf Kosten des Gemeinwohls.“
Drei Beispiele nennt sie den Bürgern. Erstes: der Protest gegen jede Form von Bebauungsvorhaben. Die Stadt verbaue sich damit ihre guten Möglichkeiten, als Wohnstandort für alle Bevölkerungsschichten attraktiv zu bleiben. Gerade der Zuzug junger Familien wird aus Sicht der OB damit verhindert. Zweitens: „Einer Handvoll Menschen scheint es egal zu sein, ob über 100 Arbeitsplätze aus der Stadt verschwinden und die betroffenen Arbeitnehmer und deren Familien einer unsicheren Zukunft ausgesetzt werden, weil sie persönliche Nachteile durch die Umsiedlung eines Unternehmens innerhalb der Stadt befürchten.“ So gefährde man die Wirtschaft einer Stadt. Und drittens: Anwohner einer Grundschule in Mülheim fordern die Stadt auf, gegen ein zeitlich befristetes Zirkus-Projekt auf dem Schulhof tätig zu werden, um die Kinder vor ihrem eigenen Lärm zu schützen.
Und doch gibt es gerade was den Zusammenhalt, den Einsatz für das Gemeinwohl anbelangt auch große Hoffnungen, gute Beispiele. Im Rahmen der Aktion von WAZ und RWW „Menschen machen’s möglich“ wurden an dem Abend wieder zehn Vorbilder ausgezeichnet, drei von ihnen mit einem Geldbetrag zur Stützung ihrer Initiativen. 1300 WAZ-Leser hatten sich diesmal an der Aktion beteiligt, die so RWW-Chef Dr. Franz-Josef Schulte, beweise, dass der Einsatz mancher Menschen das Leben in einer Stadt um einiges lebenswerter mache.