Wenn heute Abend zum letzten Mal die Kaufhof-Türen schließen, weiß Manfred Müller, „werden wir am Anfang alle ein bisschen weinen“. Der Abteilungsleiter aus dem UG wird dem Haus indes keine dicken Tränen nachweinen.
Für ihn ist das Kapitel Mülheim nach „anständiger Raue“ beim Mitarbeiterfest heute abgeschlossen. Und das sei auch gut so.
Zuletzt hat es aber doch richtig Spaß gemacht. Der Ausverkauf – für Manfred Müller, seit 20 Jahren im Mülheimer Haus und 42 Jahre beim Kaufhof, war das mal wieder was. Als Kaufmann hat er sich da pudelwohl gefühlt. „Das hat mich an die schöne alte Zeit erinnert, an die Schlussverkaufsmontage vor 30, 40 Jahren, wo die Menschen in Trauben vor der Tür auf Einlass warteten.“ Der Trubel im Ausverkauf war Balsam auf die Seele des 58-Jährigen, der lange zurückdenken muss, um sich an bessere Zeiten für den Mülheimer Kaufhof zu erinnern. Dabei war der einst in der firmeninternen Rangordnung in die zweithöchste von vier Kategorien eingestuft. 1990 bedeutete der Wechsel vom Kaufhof Oberhausen nach Mülheim für Müller noch einen Karrieresprung, das Haus am Fuße der Schloßstraße hatte Größe.
„Es tut schon weh, wenn so ein Haus geschlossen wird“, sagt er nun, „aber man muss als Kaufmann wissen, wann es sich nicht mehr lohnt.“ Da verstehe er die Geschäftsleitung, die lange nichts mehr ins Haus investiert hatte. In Mülheim habe es die Politik nie geschafft, den Einzelhandel an die Innenstadt zu binden, seit 30 Jahren wandere Kaufkraft in Städte ab, die nicht geschlafen hätten. Müller erinnert sich: „Früher war die Schloßstraße voll mit hochpreisigen Modegeschäften, die Stadt war Anziehungspunkt im Umkreis. Heute ist’s in der Peripherie deutlich besser.“ Totenstill sei es in der City. Müller nennt nur die Größen, die der Stadt den Rücken gekehrt haben: C&A, Neckermann, Sinn-Leffers. Jetzt halt der Kaufhof als letzter Großkopferte – „der Letzte hat doch keine Chance mehr. Ruhrbania kommt 20 Jahre zu spät“, sagt der Kaufmann. Er glaubt nicht daran, dass der Einzelhandelsstandort jetzt, da schon so viel verloren sei, noch mal die Kurve bekommt.
Müller wird die Kurve kriegen. Das Aus in Mülheim hat für ihn die positive Begleiterscheinung, dass er die letzten zwei aktiven Jahre seiner Altersteilzeit nahe seiner Wahlheimat in Hünxe verbringen wird: Sein Weg führt ihn nach Wesel. Er kennt dort viele Mitarbeiter, weil er das Haus über drei Jahre lang von Mülheim aus zu betreuen hatte. Er freut sich drauf, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Mülheim werde er, „leider“, nicht vermissen. „Ich wünschte, ich könnte es“, spricht doch etwas Verbitterung über den Abgesang in seinen Worten, als er in dem kahlen Raum sitzt, der heute Ambiente geben soll für die Abschiedsfete.
Hunderte Fotos liegen schon jetzt zum Durchstöbern bereit. Sicher wird auch Müller manch’ Anekdote aus seinen langen Zeit im Kaufhof erzählen. Vielleicht plaudert er über seine Zeit als Lehrling, als er stolz wie Manfred war, dass er schon in seiner ersten Woche eine Waschmaschine verkaufte. Oder, dass seine Prämiensumme manchmal höher war als sein Lehrlingsgehalt. Besonders lohnenswert, erinnert er sich, war Ende der 60er Jahre der Verkauf der Schwarz-Weiß-Fernseher Metz Nordkap. Die gingen damals, das weiß Müller genau, für 599 Mark aus dem Haus. Und weil die Gewinnmarge bei diesem Gerät besonders groß war, „gab’s schon mal 10, 15 Mark Prämie“.
Heute Abend will Müller mit seinen Kollegen einen zünftigen Abschied feiern. „Ich denke“, sagt er, „und das hoffen wir alle: Es wird eine lange Nacht.“