Mülheim. . Der Eingang der Mülheimer U-Bahn-Station Stadtmitte ist zu einem Treffpunkt für Saufgelage geworden. Randale ist Tagesordnung. Geschäftsleute wollen das nicht länger hinnehmen. Sie klagen, dass Ordnungsamt und Polizei zu wenig unternehmen.

Eingang U-Bahn-Station Stadtmitte, Ecke Leineweber-/Friedrich-Ebert-Straße, die Blicke zum Boden oder gen Tengelmann-Markt gerichtet. Dorthin, wo der Bier-Nachschub schon für 35 Cent je Pulle zu haben ist. Viertel nach drei am Nachmittag: Der Treffpunkt für Saufgelage ist gut besucht, Schnaps macht die Runde. Benachbarte Geschäftsleute wollen das nicht länger hinnehmen. Sie klagen, dass Ordnungsamt und Polizei zu wenig unternehmen, um den ohnehin gebeutelten Standort der City vor dem Verfall der Sitten zu schützen.

„Hey, Schatz“, poltert einer der neun Trunkenen, die dort hocken, der Bedienung vom Café di Lara just entgegen. Die lächelt milde. Was bleibt ihr übrig, sie will ja nicht noch eine Auseinandersetzung riskieren. Ihr Chef, Café-Betreiber Servet Akdemir (44), kann nicht mal mehr müde lächeln, denkt er an die Saufgelage, die sich tagtäglich direkt neben seinem Lokal mit Außengastronomie abspielen. „Die Leute belästigen Passanten, unsere Gäste, ein Dreckstall ist das da drüben“, klagt er. Pöbeleien, Betteln, Glasbruch, Randale, ob handgreiflich oder verbal, reichlich Lautstärke – Akdemir hat die Nase gestrichen voll vom unliebsamen Grüppchen, das in wechselnder Besetzung nach seiner Sicht die öffentliche Ordnung stört.

Vergebliche Hoffnung auf Hilfe

Seit Jahren gehe das nun schon so, beklagt auch Halime Alkan, der nebenan, vis-à-vis zur alltäglichen Alkohol-Orgie, einen Laden mit Tabakwaren und Lotto betreibt. „Ich hab’ schon tausendmal das Ordnungsamt und die Polizei angerufen“, klagt er über den lärmenden Trupp vor seinem Geschäft. Auf Hilfe habe er vergeblich gehofft.

Belästigung von Passanten, von Gästen des Cafés und Kunden im Lottogeschäft – Akdemir kann nicht verstehen, warum die Stadt an dieser Stelle nicht für Ordnung sorgt. Ältere Passanten hätten regelrecht Angst. In der Woche der „Pennertreff“, an Wochenende rotteten sich häufig bis zu 50 Jugendliche am U-Bahn-Eingang zusammen. Die Älteren würden nach Tengelmann vorgeschickt, um in den Öffnungszeiten bis 22 Uhr Alkohol zu kaufen. „Danach lassen sich hier alle volllaufen und machen Randale.“ Wenn schon einiger Alkohol geflossen sei, komme es nicht selten gar zu Schlägereien.

Immer wieder, so Akdemir, müsse er sein Lokal vor ungebetenen Eindringlingen schützen, die die Toilette nutzen wollten. Unzählige Male sei er dabei mit „Scheiß Ausländer“ beschimpft worden. Nur weil es keine öffentliche Toilette gebe, müsse er doch nicht noch dafür herhalten, meint der Geschäftsmann. „Und dann setzt sich hier ein Junkie eine Spritze . . .“ Die Stadt müsse was tun. Man müsse sich nur umschauen. Nach dem Kaufhof-Aus sei es ohnehin schwer, einen Betrieb in der City aufrechtzuhalten. Die Stadt wolle die Steuern der Geschäftstreibenden, dann müsse sie auch für Ordnung sorgen.

Stadt sieht keine Handhabe

Bei der Stadt sieht man keine Handhabe. „Uns ist das Problem bekannt“, sagt Stadtsprecher Volker Wiebels, das gebe es auch auf der „kleinen Schloßstraße“. „Für den Café-Betreiber dort ist es eine unangenehme Situation, aber uns fehlen die rechtlichen Möglichkeiten.“ Die Polizei könne nur bei Straftaten, die Stadt bei Ordnungswidrigkeiten einschreiten. Wenn Übeltäter denn tatsächlich auf frischer Tat erwischt würden. Weil Mitarbeiter des Ordnungsamtes aber nicht rund um die Uhr „an der Ecke auf der Lauer sein können“, beschränke sich die durchaus vorhandene Ansprache durch Ordnungshüter auf Appelle. In der Öffentlichkeit Alkohol zu verzehren, sei in Mülheim, anders als in anderen Städten, nicht verboten, so Wiebels.

Ein solches Verbot müsse, wenn gewünscht, die Politik beschließen. Und, so der Stadtsprecher: Es sei auch keine Lösung, dass das Ordnungsamt mehr Druck auf­baue. „Verdrängen heißt: Die tauchen irgendwo anders wieder auf.“

Servet Akdemir will die Trinkgelage vor seiner Tür aber nicht länger ertragen müssen. Er denkt laut über eine Geschäftsaufgabe nach. „Die Stadt“, mahnt er, „muss sich bewusst sein, dass hier langsam alles abstirbt. Die Gegend wird immer unattraktiver. Langsam entwickelt sich Mülheim zur Pennerstadt. Viele hier kommen schon von auswärts, etwa aus Essen, wo sie die Stadt vom Hauptbahnhof weggejagt hat. Hier sind sie ja ungestört.“

Mit der beklagten Gruppe war gestern Nachmittag ob des Akoholpegels und vorherrschender aggressiver Stimmung schwer ins Gespräch zu kommen. „Wo sollen wir denn hin?“, fragten einige der Gruppe aber. Ihnen sei ihr Treff im „Rosengarten“ hinter dem Rathaus mit der Bauaktivität dort genommen worden. Eine der Szene vertraute Frau meinte, die WAZ möge doch „am 5. wiederkommen. Dann sind die Jungs wieder nüchterner. Dann haben sie ihr Geld versoffen.“