Abwarten und die Hände so einfach in den Schoß legen? Das ist gar nichts für Christa Vieten. Zum Glück für die Jugendlichen, die die 70-jährige Mülheimerin als ehrenamtliche Ausbildungspatin im Centrum für Bürgerschaftliches Engagement (CBE) betreut: „Willst du nicht mehr vom Leben?“, fragt sie forsch. Und dann zeigt sie ihnen, wie das geht, spricht persönlich bei Betrieben vor und verhandelt ganz pragmatisch die bestmögliche Zukunft für ihre Schützlinge.
„Alles Weitere liegt dann in der Hand der Jugendlichen“, das weiß Christa Vieten natürlich: „Ich habe im Leben auch viel ausprobiert“, sagt sie, aber immer ein Ziel vor Augen gehabt. Mit jungen Jahren machte sie ihre Lehre im Einzelhandel einer KFZ-Werkstatt, wechselte zu einem Fahrradgeschäft und ging auf die Berufsschule. „So habe ich den Verkauf und die Büroarbeit kennen gelernt.“ Später holte Vieten in Abendkursen die Buchhaltung nach und wechselte zum Arbeitgeber Stinnes.
Vielseitige Power-Frau
Vietens Vielseitigkeit kommt jetzt Jugendlichen zugute, „die nicht wissen, wie sie es anstellen sollen“, hat die Mülheimerin allzu oft beim Gang durch die Stadt beobachtet. „Ist doch egal. Geld gibt’s vom Amt“ – das sind perspektivlose Sprüche, die sie nicht gelten lässt: „Ich vermisse häufig die Frische bei jungen Menschen“, sagt sie nicht ohne Verständnis für ihre Probleme – „zu meiner Zeit wurde auch schlecht über ‘die Jugend’ geredet“.
Jede Menge Energie – „Power“ würde man heute sagen – hatte die 1941 in Duisburg geborene Frau schon immer. Mit 14 Jahren, als sie mit ihrer Familie längst nach Mülheim gezogen war, half sie ehrenamtlich im Marienhospital. „Dort wurden Helfer gesucht, die ältere Menschen das Frühstück reichen.“ Für Vieten – eine bekennende Langschläferin – hieß das jeden Samstag und Sonntag um 6 Uhr morgens raus und vom Rumbachtal zu Fuß in die Stadt zu laufen. Um 14 Uhr ging es wieder zurück.
"Ich tu’ ja etwas dagegen“
Was war der Grund für diese Strapaze? „Wenn ich das wüsste...“, antwortet Christa Vieten mit einem verschmitzten Lächeln. Vielleicht war es die Lust, etwas verändern zu wollen. Das jedenfalls hat es sie später dazu bewogen, eine Initiative auf die Beine zu stellen, die mit einer Prise Humor und einem Straßenfest an die häufig vergessene Ecke von Broich jenseits der Bergstraße erinnerte: „Hallo, wir gehören auch dazu!“ Oder eine Küche für Nichtsesshafte auf dem Kirchenhügel mit zu gründen. „Erst kamen 20, dann 30“, erinnert sich Christa Vieten, die heute nicht mehr ehrenamtlich in der Kochgruppe helfen kann. Nunmehr sollen es etwa 80 Menschen sein, die dort regelmäßig versorgt werden.
Vielleicht hat sie auch der Glaube motiviert: Um 1975 trat sie der Kolpingfamilie bei, zu der schon ihr Mann Peter gehörte. Dort übernahm sie die Leitung der Karnevalsgruppe. „Plötzlich musste ich Regie führen, ein Bühnenprogramm zusammenstellen“, erzählt sie, es war nicht das letzte Mal, dass Vieten dazulernte.
In der Kolpingfamilie gründete sie ebenfalls eine Witwengruppe, weil „es wichtig ist, einen Ort zu haben, wo man zusammenkommt, wenn man nicht mehr weiter weiß.“ Das gilt in Vietens Augen ebenso für Jugendliche, denen sie nun hilft: „Ich rege mich nicht auf, wenn sie ‘rumhängen’“, sagt sie, „denn ich tu’ ja etwas dagegen.“