Mülheim. .
Für 16 Uhr hatte sie ihren Anruf angekündigt, doch er kam nicht. Mal wieder kam ein Sitzungstermin dazwischen. Ulrike Flach (FDP) hat gerade jetzt kaum Zeit zum Durchatmen. Heute um 12 Uhr, wenn Bundespräsident Christian Wulff Flachs Parteifreund Daniel Bahr zum neuen Bundesgesundheitsminister ernennt, kommt auch die Mülheimer FDP-Politikerin am Höhepunkt ihrer bisherigen politischen Laufbahn an. Sie wird Teil der Bundesregierung, als Staatssekretärin im Gesundheitsministerium.
Ulrike Flach, im Januar ist sie 60 geworden. Die Mülheimerin hat sich als ausgesprochen kompetente Fachpolitikerin einen Namen gemacht. Politiker ihres Formats, ihrer Ausstrahlung seien nicht die Regel, auch nicht im Berliner Politikbetrieb, heißt es. Flach habe ein Gespür für Macht und Strategie; für Erfolg im Politikbetrieb unabdingbare Voraussetzung.
Ganz ohne Kratzer und Knicke ging’s auch nicht
Flach, in Oberhausen-Lirich als Tochter eines Lebensmittelhändlers aufgewachsen, hat eine Bilderbuch-Karriere hinter sich, freilich: Ganz ohne Kratzer und Knicke ging’s auch nicht. Ihre persönlich größte politische Enttäuschung liegt fast ein Jahrzehnt zurück. Bei der Bundestagswahl 2002 machte sie sich im Schattenkabinett einer denkbaren schwarz-gelben Koalition Hoffnung auf den Aufstieg zur Forschungsministerin. Die Wahl ging verloren, auch das Ansinnen, Jürgen Möllemann in der Folge als FDP-Landesvorsitzender zu beerben, ließ sich nicht realisieren. „Da habe ich erst mal einen Schlussstrich gezogen“, sagte Flach gestern zur WAZ.
Und doch ging es weiter für die Mülheimerin, die ununterbrochen seit 1998 im Bundestag sitzt. Sie war Vorsitzende des Bildungsausschusses, forschungspolitische Sprecherin der FDP, als ihr zum Jahreswechsel 2004/05 eine Affäre nicht in die Karten spielte: Flach, vor ihrem Einzug in den Bundestag als Übersetzerin bei Siemens beschäftigt, hatte doch tatsächlich trotz ihrer Tätigkeit in Berlin und im Wahlkreis weiter ein volles Jahresgehalt von rund 60.000 Euro von Siemens kassiert, obwohl ihre Übersetzer-Dienste immer weniger in Anspruch genommen worden waren. Und das zu einer Zeit, als bei Siemens hunderte Arbeitsplätze abgebaut wurden. Flach trat in der Folge als stellvertretende Landesvorsitzende und als forschungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion ab. Ein Karriere-Knick, sagt sie heute, sei dies nicht gewesen, die Vorwürfe gegen sie hätten ja „nicht gegriffen“. Hätte ihr die Fraktion sonst später die Aufgabe als Haushälterin und zuletzt, seit 2009, als stellvertretende Fraktionsvorsitzende anvertraut?
"Man muss sich gemäßigter verhalten."
Jetzt der Wechsel in die Bundesregierung. „Das ist schon eine Umstellung, für eines der Ministerien zu reden“, sagt Flach. „Man muss sich gemäßigter verhalten.“ Die Mülheimerin hatte zuletzt als gesundheitspolitische Sprecherin energisch auch mal die Gegenposition zum Regierungsstandpunkt vertreten, etwa in der Debatte über das neue Versorgungsgesetz, mit dem das Niederlassungsrecht für Ärzte neu geregelt werden soll. Flachs Position: Das System darf nicht weiter verstaatlicht werden. Vehement wehrte sie sich gegen ein Mitspracherecht der Länder. „Der Minister [Philipp Rösler; Anm. d. Red.] war da deutlich verhandlungsbereiter“, sagt sie.
Es wird arbeitsintensiv werden, Staatssekretärin Flach muss schon heute Abend ihren ersten Dienst im Plenum des Bundestags schieben und dort die Regierungsmeinung vertreten. Sie wird künftiger weniger Zeit haben, auch für Aufenthalte in Mülheim, bei ihrem Mann.
Häufiger wird sie wohl mit dem neuen Gesundheitsminister Daniel Bahr zusammenhocken und beratschlagen. Ihn kennt sie schon seit Möllemann-Zeiten. Da war Bahr Juli-Vorsitzender. Flach freut sich auf die neue Aufgabe in „einem der wenigen Ministerien, in denen man noch richtig was gestalten kann und nah an den Menschen ist.“