Berlin. . Die FDP plant einen Neubeginn. Mit neuen Themen und einem neuen Mann: Der junge Gesundheitsminister Philipp Rösler soll die Partei aus dem dramatischen Tief führen.

Man muss ihm zuhören und ihn ernst nehmen. Freundlich, fast nebenbei bemerkt Philipp Rösler, dass seine Bewerbung für den FDP-Vorsitz bloß der Anfang sei. „Weitere Schritte müssen und werden auch folgen.“ Er werde auf dem FDP-Parteitag Mitte Mai in Rostock „ein personelles und auch ein inhaltliches Angebot machen“.

Typisch Rösler: Verbindlich im Ton, aber womöglich härter in der Sache als alle an diesem Tag im Reichstag vermuten. Im Parlamentsgebäude hat sich die FDP-Spitze versammelt, um den Wechsel von Guido Westerwelle zu Rösler einzuleiten. Alle sind da: Präsidium, Vorstand, Landeschefs, Fraktion, die vier Führungsebenen der Partei.

Rangkämpfe sind der Stresstest jeder Partei. Darum vermeidet man sie. Als die Liberalen zusammenkommen, ist alles festgezurrt. Rösler wird FDP-Chef und Vize-Kanzler. Das Wirtschaftsministerium strebt er nicht an. Ebenso wenig legt Rösler es darauf an, Westerwelle zu demütigen. Der darf Außenminister bleiben. Die Liberalen quittieren das mit donnerndem Applaus. Es ist die Akustik der Heuchelei. Der Wechsel ist schließlich ein Bruch mit Westerwelle.

„Kein Pavianhügel“

Man muss nur Daniel Bahr oder Christian Lindner zuhören. Bahr bestätigt, es sei „heute nicht alles entschieden“. Der Chef der NRW-FDP legt Wert darauf, dass die Partei mehr als ein Ziel hat: Von Bürgerrechten ist die Rede, von der Bildungsfrage. Bei Westerwelle verstand man meist mehr Netto vom Brutto.

Lindner, der Generalsekretär bleiben soll – Röslers einzige Jobgarantie –, erklärt zudem, man müsse sich nicht jeden Tag aufpumpen. Das bezieht sich zwar auf das Verhältnis zur Union, in Koalitionsrunden etwa. „Politik ist kein Pavianhügel“, fügt Lindner gern hinzu. Nur: Wer war der lauteste auf dem Pavianhügel? Westerwelle. Eben.

Kein offener Machtkampf

Von ihm hebt sich die künftige Führung auch im Stil ab. Das erklärt nicht zuletzt, wa­rum es nicht zum offenen Machtkampf kam, weder um das Wirtschaftsministerium, noch um den Fraktionsvorsitz. An beiden Stellen hätte Rösler Signale setzen können, aber: auf Kosten der Amtsinhaber, Rainer Brüderle und Birgit Homburger. „Die werden das nicht vergessen“, gibt ein einflussreicher FDP-Landesgruppenchef trotzdem zu bedenken. Einige hatten sich eine Zäsur erhofft: Brüderle, Homburger und obendrein Westerwelle kaltstellen. Es kommt anders, ganz anders.

Stattdessen entschied sich Rösler für die kleine Lösung: Jeder bleibt an seinem Platz. Das gilt auch für ihn, der als Gesundheitsminister noch etwas reißen will, zum Beispiel eine Pflegereform. Der eine oder andere Parteifreund verhehlt nicht seine Enttäuschung. Warum scheut er den harten Schnitt?

Hat er die Zeit?

Die Antwort gibt wieder Lindner. Man habe nur als Mannschaft eine Chance. Wenn das stimmt, dann musste Rösler die neue Kameradschaft vorleben. Das heißt: Seine neue Stärke und Autorität ungenutzt lassen. Das passt zu ihm, wenn man Lindner glaubt, der Rösler „Gradlinigkeit, Authentizität, Humor und Standfestigkeit in der Sache“ bescheinigt.

Das alles und noch viel mehr wird Rösler brauchen, um zurückzugewinnen, was die FDP verlor: „Glaubwürdigkeit“, wie er selbst sagt. Der Prozess, von dem er redet, braucht Zeit. „Das geht nicht von heute auf morgen Aber es wird gehen“, sagt Rösler. Hat er die Zeit?