Essen. . Hochriskante Zinswetten könnten die Deutsche Bank in arge Bedrängnis bringen. Der Bundesgerichtshof entscheidet derzeit über die Haftung in derartigen Fällen. Von über einer Milliarde Euro Gesamtschaden ist die Rede.

Die Deutsche Bank könnte Geschäfte mit sogenannten hochriskanten Zinswetten teuer zu stehen kommen. Das ließder Bundesgerichtshof am Dienstag durchblicken.

Der BGH verhandelte am Dienstag den Fall eines hessischen Hygieneartikel-Herstellers, der bei einem Ge­schäft mit dem Kreditinstitut mehr als eine halbe Million Euro verlor. Sollte die Deutsche Bank den Prozess verlieren, droht ihr noch mehr Un­ge­mach. Das Urteil hätte möglicherweise Signalwirkung.

Laut Handelsblatt verkaufte das Kreditinstitut etwa 200 Kommunen und Mittelständlern hochriskante Zinswetten, die sich negativ entwickelten. Von über einer Milliarde Euro Gesamtschaden ist die Rede. Experten schätzen den Ge­samtschaden durch die komplizierten Finanzprodukte, sogenannte Spread Ladder Swaps, sogar auf sieben Milliarden Euro. Bei den Geschäften wettet der Kunde auf die Differenz verschiedener Zinssätze. Entwickelt sich der Zins zugunsten des Kunden, macht er Gewinn. Verläuft die Zinsentwicklung gegenläufig, ge­winnt die Bank.

Der BGH muss vor allem eine Frage klären: Wurde der Kläger genügend über die Risiken der Zinswette aufgeklärt und war er überhaupt in der Lage, das Risiko wegen der Komplexität des Geschäfts richtig einzuschätzen? Kläger Willi Blatz, Chef des Hygieneartikelherstellers Ille, sagte dem Spiegel, er fühle sich „eiskalt über den Tisch gezogen“. Die Deutsche Bank weist die Anschuldigungen zurück. Sie habe Kunden über die Risiken in vollem Umfang informiert.

Bundesrichter hält Fürsorgepflicht der Bank für gleich doppelt verletzt

Das sieht der Vorsitzende Richter am BGH, Ulrich Wiechers, allerdings anders. Das Kreditinstitut habe seine Fürsorgepflicht gleich zweimal verletzt, sagte Wiechers gestern. Zum einen habe die Bank nur unzureichend auf die Risiken hingewiesen. Zum anderen habe das Institut es versäumt, den Kläger über die un­günstige Struktur des Ge­schäfts aufzuklären. Der Kläger habe erst einmal den „ne­gativen Marktwert“ des Pro­dukts von 80 000 Euro aufholen müssen, mit dem die Bank ihre Kosten und ihren Gewinn abdeckte. Die Bank habe nicht genug getan, diesen Interessengegensatz aufzulösen.

Ein Anwalt der Deutschen Bank versuchte gestern, eine Drohkulisse aufzubauen. Sollte der BGH zugunsten des Klägers richten, „dann lö­sen sie eine zweite Finanzkrise aus“.

So weit will Bankenexperte Hans-Peter Burghof nicht gehen. Der Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim hält die Signalwirkung der BGH-Entscheidung für überschaubar. Entscheidend werde sein, ob eine Leitlinie aus dem Urteil herausgelesen werden könne.

Hagen verlor 42 Million Euro

Das Gericht muss benennen, wer in der Lage ist, ein solch komplexes Geschäft zu überblicken und wer nicht“, sagt Burghof. Manch ein Kämmerer einer Kommune sei sehr wohl in der Lage, die Tragweite eines Spread Ladder Swaps abzuschätzen, ein mittelständischer Unternehmer vielleicht nicht. Im Zweifel müsse über jeden Einzelfall entschieden werden. „Die Deutsche Bank ist sehr gut durch die Finanzkrise gekommen. Selbst wenn sie für einen Teil der entstandenen Verluste haften muss, bedeutet das noch keine zweite Finanzkrise“, so Burghof. Die Deutsche Bank sei das Kreditinstitut gewesen, das die meisten dieser Zinsgeschäfte angeboten habe.

Nicht nur Unternehmer, auch Städte haben sich auf die Zinswetten eingelassen. Mülheim verspielte rund acht Millionen Euro, Remscheid sogar 19 Millionen. Spitzenreiter ist Hagen. Die Stadt verlor durch Zinswetten 42 Millionen Eu­ro. Für sie käme ein Urteil zu ihren Gunsten zu spät. Die Kommune hat sich mit der Deutschen Bank geeinigt. Auf die Rückzahlung von fünf Millionen Euro.