Mülheim. Ein Gutachten im Auftrag der Beteiligungsholding ergab, dass ein Ersatz der Bahnlinien 102, 104, 110 und 112 durch Busse die Betriebskosten der MVG nachhaltig senken würde. Eine solche Umstrukturierung bringt jedoch hohe Einmalkosten mit sich.

Gerade erst hat die Politik dem öffentlichen Druck nachgegeben und sich mehrheitlich gegen die Verkürzung der Straßenbahnlinien 102 (bis Heuweg) und 104 (bis Hauptfriedhof) ausgesprochen, da liegt ihr eine Diskussionsgrundlage weitaus größeren Ausmaßes vor: Die Beteiligungsholding als Mutter der Mülheimer Verkehrsgesellschaft (MVG) hat die Frage aufgeworfen, ob nicht gar ganze Linien von Straßenbahn auf Bus umsatteln sollten, um im hoch defizitären Nahverkehr nachhaltig das Ergebnis zu verbessern.

Ein entsprechendes Gutachten hatte die Beteiligungsholding (BHM) bei den Hamburger Gutachtern von „Civity Management Consultans“, einem Beratungsunternehmen für öffentliche Dienstleistungen, in Auftrag gegeben. Seit wenigen Tagen nun liegt der Politik ein 127-seitiges, bislang – trotz Ankündigung einer breiten öffentlichen Diskussion zur Nahverkehrsplanung – ausdrücklich vertrauliches Papier vor. In ihm werden verschiedene Szenarien zur „Optimierung des Schienennetzes“ präsentiert. Der WAZ liegt dieses Gutachten, dessen Kosten unbekannt sind, vor.

"In Mülheim mangelt es an politischen Entscheidungen"

Aktuell beträgt das Minus bei der MVG trotz millionenschwerer Restrukturierungserfolge weiter bei 27 Mio Euro, gleichzeitig drängt ein über die Jahre gewachsener Investitionsstau von 75 Mio Euro die Frage auf, wie bei den maroden Stadtfinanzen überhaupt noch zukunftsfähiger ÖPNV vor Ort gewährleistet werden soll. Der Handlungsdruck ist enorm. „In Mülheim mangelt es an politischen Entscheidungen“ zum Thema, kommentierte jüngst Lothar Ebbers, stellvertretender Vorsitzender im Regionalverband Ruhr von „Pro Bahn NRW“, in dessen Publikation „Ruhrschiene“.

Tatsächlich hat die Politik der MVG mit dem Etatbeschluss vom Oktober ein Sparziel von 250 000 Euro allein in diesem Jahr aufgebürdet (ab 2013 sollen jährlich 0,5 Mio eingespart sein), doch bleibt die Politik die Antwort schuldig, wo die MVG Leistungen kürzen soll. Ein 100 000 Euro teures Gutachten vom Planerbüro Spiekermann scheint schon verpufft, jetzt legt die BHM besagtes Papier aus Hamburger Feder nach.

Wechsel von Schiene auf Bus würde Betriebskosten nachhaltig senken

Die untersuchten Szenarien zur Entwicklung des Straßenbahnnetzes reichen dabei vom Beibehalten des Status quo bis hin zum kompletten Ersatz der Straßenbahnlinien 102, 104, 110 und 112 durch Gelenkbusse. Freilich, so die Gutachter, sei das Ziel dieser Betrachtung zunächst nur „eine erste Abschätzung“, ob es lohnenswert sein könnte, einzelne Straßenbahnlinien einzustellen – und wenn ja, wann ein Systemwechsel sinnvollerweise vonstatten gehen könnte, ohne in großem Umfang Fördergelder zurückzahlen oder noch einmal kräftig ins Netz investieren zu müssen. 75,9 Mio Euro Förderung ist für das Netz der vier Linien geflossen. Unklar ist, wie viel die Stadt davon zurückzuzahlen hätte. Zusätzliche Unwägbarkeit bei der Linie 112 ist der Vertrag mit der Oberhausener Stoag.

Die Hamburger Gutachter stellen fest, dass sich mit dem Wechsel von Schiene auf Bus die Betriebskosten nachhaltig senken ließen, so stellen sie fest: „Je früher die Systemumstellung, desto wirtschaftlich sinnvoller ist sie. Allerdings fielen Einmalkosten in beträchtlichem Umfang an. So würde das komplette Umsatteln von Straßenbahn auf Bus einen einmaligen Aufwand von kalkuliert knapp 160 Mio Euro erzwingen. Dieser Aufwand für das Einstellen aller vier Linien könne erst nach 13 Jahren kompensiert werden.

Umstellung der Linien 104 und 110 am günstigsten

Dieser Zeitpunkt, der markiert, ab wann sich positive Effekte im Betriebsergebnis bemerkbar machen, liegt laut Gutachter am günstigsten bei den Linien 104 (Abzweig Aktienstraße – Flughafen) und 110 (Friesenstraße – Hauptfriedhof). Nach circa sieben Jahren könne sich hier eine Umstellung rechnen. Auf der Linie 102 (Uhlenhorst – Oberdümpten) sei dies erst nach 22 Jahren der Fall, weil allein dort mit der Rückzahlung von erheblichen 63 Mio Euro an Fördermitteln zu kalkulieren sei.