Mülheim. Im Gespräch mit der WAZ über die Sicherheitslage in der Mülheimer Innenstadt sieht der Rechts- und Ordnungsdezernent Dr. Frank Steinfort keinen Grund für übertriebene Ängste. Die Stadt sei ruhig und sicher, sagt er.
Prellungen, Beulen, Blutergüsse: Drei Jugendliche haben einen Buchverkäufer am Bahnhof zusammengeschlagen – morgens um kurz vor 10 Uhr. Ein erneuter Fall von hoher Brutalität im Bereich Bahnhof/Forum. Kümmert sich die Stadt neben der Polizei genug um die Sicherheit der Bürger?
Frank Steinfort: Wir tun eine Menge, allerdings eher selten öffentlich. Anfang 2009 haben wir, das sind die Dezernenten für Sicherheit und Ordnung, Soziales (Ulrich Ernst) sowie Kultur, Schule und Jugend (Peter Vermeulen), wegen sich häufender Beschwerden damit begonnen, uns regelmäßig und sehr systematisch mit den konkreten Sorgen und Nöten der Bürger zu befassen. Gleichzeitig beobachtet unsere Lenkungsgruppe „Aktionsraum Innenstadt“ seit vielen Jahren sehr genau, was sich in der Innenstadt abspielt. Vertreten sind dort neben dem Ordnungsamt und der Polizei die sozialen Dienste, die problematische Randgruppen betreuen. Schließlich treffen sich einmal im Jahr auf höchster Ebene Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter, um sich mit der Sicherheitslage zu befassen. Dabei geht es nicht nur um Gewalt, sondern auch um Dinge, die das subjektive Sicherheitsgefühl beeinflussen. Es geht um Drogen und Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit, aggressives Betteln, das wir übrigens per Satzung verboten haben.
Gibt es regelrechte Brennpunkte in Mülheim?
Steinfort: Wir nehmen mit unterschiedlichen Einrichtungen in der Stadt wie den Streetworkern oder dem Citydienst und der Polizei Bewertungen vor, wir betrachten dabei alle Stadtteile und haben ortsgenau ein Gefahrenausmaß von eins bis zehn festgelegt. Aber dies hängen wir nicht an die große Glocke, auch um die Menschen nicht zu verunsichern. Wir wollen keine Ängste verbreiten, im Gegenteil, wir wollen Ängste nehmen. Brennpunkte ändern sich und verschwinden wieder, auch, weil wir intervenieren, wenn wir Brennpunkte erkennen. Denken Sie an die Neue Mitte in Broich, den Bereich rund um das AZ oder den Sunderplatz. Seit zwei Jahren hat es hier keine größeren Beschwerden mehr gegeben. Die Analyse hat den Zweck, unsere Einsatzkräfte optimal zu nutzen.
Wie bewerten Sie die Stadt nach all den Untersuchungen und Analysen?
Steinfort: Mülheim ist eine ruhige und sichere Stadt, kein Vergleich mit vielen anderen Großstädten. Was würden manche sagen, wenn sie in Frankfurt, Essen oder Düsseldorf am Bahnhof lebten?
Dann gehören solche brutalen Überfalle auch zu einer sicheren Stadt?
Steinfort: Brutalität kann überall passieren, in Klein- wie in Großstädten. Oft tritt sie zufällig auf. Solche Vorfälle werden sich nie ganz verhindern lassen. Sie haben aber alle eine längere, zumeist individuelle Vorgeschichte, die mit der konkreten Tat nicht unbedingt direkt zusammenhängt. Vorbeugen kann in der Regel nicht das Opfer, sondern Vorbeugung muss am Täter ansetzen. Vorbeugen kann letztlich vor allem eine gute Erziehung im Elternhaus. Kinder müssen Regeln lernen, müssen mit Liebe erzogen werden, Wertschätzung und Achtung erfahren, auch in der Schule. Leider läuft manches nicht gut. Aggression fällt nie plötzlich vom Himmel, es scheint nur so, weil man meist den Blickwinkel auf den einzelnen Tathergang verengt.
Was kann eine Stadt wie Mülheim tun, damit Jugend nicht in Gewalt abgleitet?
Steinfort: Wir haben gute Angebote für Jugendliche, damit sie nicht herumhängen müssen und auf schlechte Gedanken kommen. Im Januar 2010 hat die Stadt eine Bedarfsanalyse der Kinder- und Jugendangebote in unserer Stadt erstellen lassen. Sie ist der Politik bekannt und behandelt auch explizit die Wünsche und Ansprüche der „Jugend im öffentlichen Raum“. So überprüfen wir unsere Angebote, suchen nach Verbesserungen und setzen diese im Rahmen unserer Möglichkeiten und im Dialog mit den Freien Trägern in der Jugendarbeit um.
Und zur Erhöhung der Sicherheit?
Steinfort: Wir versuchen z. B. seit über einem Jahr eine verbindliche Auskunft der Landesregierung zu erhalten, ob wir als Behörde jugendliche Testkäufer einsetzen dürfen. Also, wer verkauft Alkohol an Jugendliche? Wir denken nach über ein Haus des Jugendrechts, in dem junge Straftäter ein schnelles Urteil erhalten, weil alle Fachleute wissen, dass auf eine Straftat schnell die Strafe folgen muss, wenn sie einen erzieherischen Erfolg haben soll. Wir haben z. B. auch die Situation der Schulschwänzer untersucht, aber dieses Phänomen ist in Mülheim nicht groß. Eine Stadtverwaltung allein ist in ihren Möglichkeiten begrenzt: Wir sind nicht die Polizei oder die Staatsanwaltschaft. Wir können letztlich nur gegen Ordnungswidrigkeiten vorgehen.
Viele Bürger meiden die Innenstadt zu bestimmten Zeiten. Muss man in Mülheim Angst haben?
Steinfort: Ich meine definitiv nein. Die Guten sind zumindest eindeutig noch in der ganz großen Überzahl. Ein wenig aufpassen muss man im Leben immer, und in kritischen Situationen erleben wir auch heute noch sehr oft solidarische Unterstützung von Passanten und sei es nur dadurch, dass sie schnell Hilfe rufen.