Mülheim. .
Gerade wurde die neue Haltestelle der Linie 104 eingeweiht, schon gibt es Ärger: Gerd-Wilhelm Scholl ist sauer, weil es hier seiner Meinung nach zu viele ebenerdige Stationen gibt – und die Bahnen so für Gehbehinderte unerreichbar seien.
Seit gut einer Woche können Fahrgäste, die mit dem öffentlichen Nahverkehr auf der Linie 104 unterwegs sind, eine nagelneue Haltestelle benutzen. Die beiden Haltepunkte auf der Aktienstraße an der alten Feuerwache sind zu einem Mittelbahnsteig zusammengezogen worden. Außerdem gibt es nun eine moderne Wartehalle mit akustischen Infosäulen für Sehbehinderte. Eine dynamische Fahrgast-Anzeige, die Auskunft über An- und Abfahrtszeit gibt, ist ebenfalls in Planung und soll in der ersten Novemberwoche installiert werden.
Die Mülheimer Verkehrsgesellschaft wirbt bei der neuen Haltestelle damit, dass Gehbehinderte nun barrierefrei aus den sogenannten Niederflurbahnen aussteigen können . . .
MVG-Kunde Gerd-Wilhelm Scholl kann da dennoch nur den Kopf schütteln. „Auf der gesamten Strecke der Linie 104 können gar keine Niederflurbahnen verkehren, weil es zu viele ebenerdige Haltestellen gibt“, so Scholl.
Neues Gleis-Dreieck
Tatsächlich werden die 16 Niederflurbahnen der MVG zum größten Teil auf den Linien 112 und 102 eingesetzt. „Dort ist die gesamte Strecke niederflurtauglich“, erklärt Olaf Frei, stellvertretender MVG-Pressesprecher. Auf der Linie 104, die zwischen dem Flughafen und der Stadtgrenze Essen/Mülheim pendelt, gibt es bisher nur wenige Haltepunkte, die komplett barrierefrei sind.
Die Fahrgäste müssen sich auf dieser Strecke auch wohl noch eine Weile gedulden. Im kommenden Jahr soll lediglich die Haltestelle Friedrich-Ebert-Straße umgebaut werden. Dort, wo die Linien 104, 110 und 112 aufeinandertreffen, wird ein neues Gleis-Dreieck eingebaut. In diesem Zusammenhang soll auch die Haltestelle unter der Nordbrücke umgebaut werden, teilte die MVG letzten Freitag mit.
Ein Programm, wonach mehrere Haltestellen barrierefrei umgebaut werden sollten, ist von der Stadt und der MVG vorerst ad acta gelegt worden. Zu diesem Programm gehörten insbesondere die 104-Stationen RWE-Rhein-Ruhr-Sporthalle und Weißenburger Straße. „Es können leider nicht alle Haltestellen umgebaut werden. Das liegt einfach an den topographischen Gegebenheiten“, teilte das Tiefbauamt auf Nachfrage mit.
Sollten in naher Zukunft wieder Investitionen möglich sein, wollen Stadt und MVG das Thema aber noch einmal aufgreifen.
Tücken des Nahverkehrs
Gerd-Wilhelm Scholl fühlt sich von der Stadt „für dumm verkauft“. „Selbst wenn auf der Linie Niederflurbahnen verkehren würden, können Gehbehinderte auf den meisten anderen Haltestellen nur mit fremder Hilfe aussteigen“, so Scholl.
Der Mülheimer weiß, wovon er spricht. Seine Frau ist in diesem Jahr im Rollstuhl unterwegs gewesen. Auch er selbst kann aufgrund von Wirbelsäulenbeschwerden nur kurze Strecken zu Fuß zurücklegen. „Ich bin sehr viel mit Bus und Bahn unterwegs. Ich kenne fast alle Tücken des Nahverkehrs“, erzählt Scholl.
In seinem Ärger ist der Mülheimer, der früher bei der Deutschen Bahn angestellt war, nur schwer zu bremsen. Scholl ärgert sich besonders darüber, dass er an Umsteigepunkten seine Anschlüsse nicht bekommt, da die verschiedenen Busse und Bahnen nicht aufeinander abgestimmt seien. Aber das ist eine ganz andere Geschichte . . .