Mülheim. Die Neuordnung der Mülheimer Wahlbezirke zur Kommunalwahl ist notwendig. Doch sie beeinflusst auch die Chance auf Direktmandate für zwei Parteien.
Wenn 2025 der Rat der Stadt neu gewählt wird, droht der Mülheimer Norden einen Wahlbezirk zu verlieren und damit auch einen Repräsentanten im Rat, wenn die Stadt die Kommunalwahlbezirke neu ordnet. Gewinnen wird dagegen der Mülheimer Süden rechts der Ruhr, der einen Wahlbezirk und damit einen direkten Kandidaten für den Rat hinzubekommen soll. Nur sieben statt acht Bezirke im Norden, künftig elf in Rechtsruhr Süd plus neun im Süden links der Ruhr: Mancher befürchtet, dass die repräsentative Demokratie in der Stadt damit in Schieflage gerät.
Nun ist es nicht so, dass die Bevölkerung im Norden Mülheims so viel kleiner geworden wäre als im Süden: 49.931 Menschen wohnen im Stadtbezirk Rechtsruhr Nord, 56.430 in Linksruhr Süd und 68.812 in Rechtsruhr Süd. Doch ausschlaggebend für die Größe der Kommunalwahlbezirke sollen künftig nicht mehr die in einem Wahlbezirk lebenden Menschen, sondern allein die Wahlberechtigten sein. Gemeint sind Deutsche und Bürger der Europäischen Union ab 16 Jahren.
Weniger Wahlberechtigte in Mülheim-Mellinghofen als in Heißen
Das entschied 2019 der Verfassungsgerichtshof. Sonst könnte ein Kandidat etwa im Bezirk Mellinghofen mit nur 3961 Wählerstimmen das Direktmandat womöglich leichter gewinnen als jemand in Heimaterde mit rund 5000 Wahlberechtigten.
Das Problem nur: Die Wählerinnen und Wähler sind in der Stadt höchst unterschiedlich verteilt. Und trotz weniger Wahlberechtigter in einem Bezirk können dort viele Einwohner leben. Während etwa im Südwesten und Südosten der Stadt pro Wahlkreis durchschnittlich etwa 4800 Wahlberechtigte leben, sind es im Norden (Dümpten, Styrum) im Mittel nur rund 4300. Besonders in Mellinghofen (Bezirk 12: minus 16 Prozent), Eppinghofen-Nordwest (Bezirk 2: minus 16,6 Prozent) und Eppinghofen-Ost (3: minus 16,3 Prozent) weicht der Anteil stark nach unten ab.
Die durch die neuen Richtlinien entstandene ‚Schieflage‘ muss der Mülheimer Wahlausschuss nun korrigieren: Maximal 15 Prozent dürfen Wahlbezirke voneinander abweichen. In sechs Fällen ist das so. Zu den Genannten gesellen sich Heißen-Mitte (Wahlbezirk 9: plus 16,2 Prozent), Kahlenberg (5: plus 16,1 Prozent) und Holthausen-Süd (6: plus 19,2 Prozent). Das heißt: Hier sind ‚zu viele‘ Wahlberechtigte im Bezirk vorhanden.
Vorschlag der Verwaltung: Dümpten-Süd soll unter angrenzenden Bezirken aufgeteilt werden
An die Zahl der 27 Wahlbezirke gekoppelt ist ebenso die Größe des Stadtrates von 54 - doppelt so viele, wie es Wahlbezirke gibt. Reduzierte man die Bezirke, schrumpfte auch der Rat, erhöhte man sie, gäbe es auch mehr Sitze im Rat.
Ein nicht-öffentlicher Entwurf der Stadt liegt der Redaktion vor. Er schlägt vor, die Zahl der Wahlbezirke bei insgesamt 27 zu belassen. Brisant daran: Die Bezirksgrenzen müssen sich dafür gehörig verschieben, um jeweils ähnlich gleiche Wählerzahlen zu gewährleisten. Im Süden rechts der Ruhr schlägt sie einen zusätzlichen, elften Bezirk vor. Das zieht ein zusätzliches Direktmandat für den Rat der Stadt nach sich.
Im Norden dagegen sollen sich die Grenzen so verschieben, dass der Wahlbezirk Dümpten-Süd in den angrenzenden Bezirken aufgehen soll. Dabei liegt ausgerechnet dieser nahezu perfekt im Soll. Doch nach dem Plan der Verwaltung soll Dümpten-Süd künftig weitestgehend die fehlenden Wähler in Mellinghofen ausgleichen.
SPD protestiert: „Sozial benachteiligte Stadtteile werden demokratisch abgehängt“
Während am Ende also nur noch sieben Bezirke und damit Direktmandate für Dümpten und Styrum bleiben, wächst der Süden zwischen Kahlenberg und Holthausen-Nord um einen Bezirk und ein Direktmandat an. „Kinderreiche und sozial benachteiligte Stadtteile werden dadurch demokratisch abgehängt“, argumentiert der Parteivorsitzende der Mülheimer SPD, Rodion Bakum, mit Blick auf die Teilhabe des ärmeren Nordens im Rat.
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Und auf das Farbenspiel der Parteien, denn die Genossen würden mit Dümpten-Süd ein sicheres Direktmandat (Kommunalwahl 2020: 30,1 Prozent) verlieren. Von dem zusätzlichen Bezirk im Süden hingegen könnten die Grünen profitieren, wenn sich der elfte Bezirk aus Kahlenberg (Grüne 2020: 32,9 %) und Holthausen-Nord (Grüne 2020: 28,4%) speist.
Auch den Grünen ist die Repräsentation der Stadtteile wichtig: „Wir wollen nicht nur Stadtteile, sondern alle Lebensrealitäten vertreten, aber dabei ist es weniger entscheidend, ob jemand aus einem bestimmten Stadtteil oder Bezirk kommt“, meint der grüne Fraktionsvorsitzende Timo Spors. Auch die Wahlbeteiligung spiele eine Rolle: „Es kann ja nicht sein, dass jemand mit 380 Stimmen in seinem Bezirk das Mandat holt. Da gibt es aus unserer Sicht ein Spannungsverhältnis zwischen Repräsentation und Legitimation.“ Die Grünen wären aktuell für die 27er-Lösung, „wir müssen aber aufpassen, dass bei der Aufteilung Siedlungszusammenhänge erhalten bleiben“, sagt Spors. Hier gibt es offenkundig noch Abstimmungsbedarf.
Gegenvorschlag der SPD bedeutet höhere Kosten: Mehr Demokratie wagen?
Sorgt aber die Neuordnung der Wahlbezirke womöglich für neue Ungleichheiten? Weniger Wahlbezirke im Norden bedeutete auch, dass Stadtverordnete dort mehr Menschen pro Bezirk betreuen müssten, ob wahlberechtigt oder nicht. „Als Sozialdemokraten haben wir den Grundsatz: Wir sind für alle Menschen in unserer Heimatstadt da“, sagt Bakum.
Der Gegenvorschlag der SPD lautet daher, die Zahl der Wahlkreise von 27 auf 29 zu erhöhen. Damit müssten die Wahlbezirke im Norden zwar immer noch angeglichen werden, es könnte aber bei acht bleiben. Der Rat der Stadt erhöhte sich insgesamt um vier Mitglieder auf 58. Das wäre immer noch innerhalb der Norm für die Größe einer Kommune wie Mülheim, würde aber das Stadtsäckel um etwa 40.000 Euro belasten. Aus Sicht der SPD sollte mehr Nähe der Politik zum Bürger diese Mehrkosten wert sein.
Entscheidung am 25. April im Mülheimer Stadtrat
Doch finden sich dafür Mehrheiten? Bakum glaubt, dass die Mülheimer Grünen dafür votieren müssten, denn noch 2019 verabschiedeten sie mit der SPD im Mülheimer Rat eine gemeinsame Resolution. Darin eine Forderung an die damalige Landesregierung: Man sollte die Nicht-EU Ausländer bei der Einteilung der Wahlbezirke nicht außen vor lassen. Die schwarz-grüne Landesregierung entschied jedoch anders.
Eine Entscheidung über die Anzahl und Zuschnitte der Wahlbezirke soll im Rat der Stadt am Donnerstag, 25. April, fallen. Ob die Koalition den Entwurf mit ihrer einen Stimme Mehrheit durchboxen wird, ist noch offen. Mit Gegenwehr der SPD wird sie rechnen müssen.
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