Mülheim. Lieber ein Buch lesen, statt am Handy zu daddeln oder zu zocken: Studien zeigen, dass das Kindern zunehmend schwerfällt. Was Eltern tun können.

Mucksmäuschenstill ist es in der großen Aula der Realschule Stadtmitte, als die erste Teilnehmerin des diesjährigen Vorlesewettbewerbs aus ihrem Buch vorliest. Im Vorfeld haben sich acht Kinder aus den 6. Klassen der Mülheimer Schulen für den Wettbewerb qualifiziert. Um weiterzukommen, müssen sie zwei Runden durchlaufen. In der ersten lesen die Kinder drei Minuten aus einem Buch, das ihnen bekannt ist und das sie sehr gut vorbereitet haben. In der zweiten Runde bekommen sie dann einen Fremdtext, der sie herausfordert. Aufgeregt, aber mutig nehmen sie die Aufgabe an und stellen sich dem Publikum und der Jury. Dabei haben sie eines gemeinsam: Sie mögen es zu lesen.

Doch nicht jedes Kind in dem Alter liest gerne. Das weiß auch Jan Henning Hansen, zweiter Konrektor der Realschule Stadtmitte. „Bei der Eingangsbefragung stelle ich gerne die Frage: ‚Welches Buch liest du gerade oder welches ist dein Lieblingsbuch?‘ Dadurch erfährt man schon sehr viel.“ Natürlich ist nicht jeder ein Bücherwurm in dem Alter. „Manchmal fangen Kinder auch erst nach der Grundschulzeit damit so richtig an“, weiß Hansen.

Mülheimer Pädagoge: „Wer viel liest, hat selten eine Lese-Rechtschreibschwäche“

Es gibt verschieden Gründe, warum sich Kinder zu sogenannten Lese-Muffeln entwickeln. Manche bekommen es von den Eltern nicht vorgelebt und haben auch keine Bücher zu Hause. Auch der vermehrte Einsatz von Handy und Spielkonsolen schmälert den Drang zu einem Buch. Doch es kann auch andere Gründe geben. Zum Beispiel kann eine Legasthenie oder eine Sehstörung dazu führen, dass das Kind vermeidet zu lesen. Oft hilft es dabei schon, wenn man gemeinsam liest.

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Wer als kleines Kind abends schon eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen bekommen hat, wird wahrscheinlich auch später gerne zu einem Buch greifen. Und das macht nicht nur Spaß, sondern ist für die Entwicklung des Kindes sehr wichtig. Lesen fördert nicht nur die Vorstellungskraft, sondern auch die Kommunikation und Artikulation. „Wer viel liest, hat selten eine Lese-Rechtschreibschwäche“, erklärt Hansen. Die Kinder seien wortgewandter und können auch besser schreiben.

Mülheimer Kinder und ihre Beziehung zum Lesen

Nach einer kurzen Begrüßung eröffnet Kemi (11) den Wettbewerb. Sie ist stolz, dass sich die Schule für sie entschieden hat. „Das hat mich so sehr gefreut.“ Sie liest gerne Sachen, die spannend oder lustig sind. Besonders mag sie Disney. Momentan liest sie „Die Schöne und das Biest“. Beverly (11) gibt zu, dass sie nur ganz selten ein Buch in die Hand nimmt. „Ich lese nicht so gerne. Das letzte Buch ist schon eine Zeit her.“ Doch in der Schul-Bücherei liest auch sie manchmal.

Teilnehmer Djordje (12) mag es sehr zu lesen. „Ich finde die Fantasie dabei toll.“ Sein Buch ist momentan Harry Potter. Ein bis zwei Bücher pro Monat liest er durch. Dabei wird er auch von seinen Eltern unterstützt. „Es ist wichtig, dass die Kinder lesen. Das klassische Lesen kommt oft zu kurz“, meint Vater Boban Glusac. „Deshalb unterstützen wir es gerne und sind sehr froh darüber, dass er so viel liest.“

Mülheimer Buchhändlerin: „Wichtig ist, dass sie lesen und nicht was“

Das Buch „Der kleine Hobbit“ hat sich Jonas (12) für den Wettbewerb ausgesucht. Er liest regelmäßig und bevorzugt ebenfalls Fantasiebücher. „Manchmal schaue ich mich bei meinem großen Bruder um und manchmal stöbere ich in einer Buchhandlung.“ Seine Mutter Katrin Weber freut sich darüber. „Besonders zum Abend hin wird das Handy mal weggelegt und ein paar Seiten gelesen.“

Fatima (11) liest bevorzugt Bücher mit viel Spannung, das Genre ist ihr dann egal. „Manchmal lese ich in der Bücherei“, sagt sie. Als richtige Bücherwurm sieht sie sich zwar nicht, aber: „Wenn es mich interessiert, lese ich gerne.“ Es ist nicht verwunderlich, dass man bei einem Vorlesewettbewerb auf viele Kinder trifft, die sich ein Leben ohne Buch gar nicht vorstellen können. Sie lesen viel, gerne, suchen sich selber interessante Themen aus und können sich stundenlang darin vertiefen.

Fatima (11) ist kein richtiger Bücherwurm, liest eigentlich nur dann, wenn ein Buch sie richtig interessiert.
Fatima (11) ist kein richtiger Bücherwurm, liest eigentlich nur dann, wenn ein Buch sie richtig interessiert. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Die Erfahrung hat auch Petra Büse-Leringer von der Buchhandlung Bücherträume in Broich gemacht. „Es sind mit Sicherheit nicht alle Kinder Lese-Muffel. Eher das Gegenteil. Aber die Bücher müssen die Kinder interessieren“, weiß sie aus Erfahrung. „Viele Kinder sind richtig begeistert und schauen sich gerne in der Buchhandlung um.“ Dabei sind es nicht nur klassische Kinderbücher, die sie ansprechen, sondern auch Fantasiebücher und Sachbücher. „Wichtig ist, dass sie lesen und nicht was“, betont sie. Viele lassen sich von dem Buchcover inspirieren, aber besonders Empfehlungen von Freunden sind überzeugend. „Für jedes Kind lässt sich das richtige Buch finden.“

Gewonnen hat den Stadtentscheid des Vorlesewettbewerbs übrigens Leo aus dem Siepen.

IGLU-Studie

Etwa ein Viertel aller Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland hat Schwierigkeiten beim Lesen. Das geht aus der aktuellen Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung, kurz IGLU, hervor. Demnach erreichten 25 Prozent der Kinder in dieser Altersstufe nicht das Mindestniveau beim Textverständnis, das für die Anforderungen im weiteren Verlauf der Schulzeit nötig wäre.

Die Zahl der Grundschulkinder mit Schwächen beim Leseverständnis habe sich laut der Studie in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. So erreichten die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler im Bereich Lesekompetenz 524 Punkte. Zum Vergleich: In der vorangegangenen IGLU-Studie aus 2016 hatten die vierten Klassen bundesweit noch 537 Punkte erreicht. Im Jahr 2001 waren es 539 Punkte. Damit ist der deutsche Punktwert nach anfänglicher Verbesserung Mitte der 2000er-Jahre zum dritten Mal in Folge auf einen Tiefstand gesunken.

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