Mülheim. Die Tochter (18) eines Mülheimer Paares ist mit einem Mann zusammen, der ihr schadet. Für die Eltern ist mittlerweile klar: Er ist ein Narzisst.

Was es bedeutet, in einer Zwickmühle zu stecken, das wissen Zora und Mark (Namen geändert) erst seit ein paar Jahren so ganz genau. Aus Furcht, ihre Tochter vollends zu verlieren, mäßigen sie sich. Hart einzugreifen, das würde sie wohl das letzte Stück an Verbindung kosten, das sie zu ihrer Tochter noch haben. Die 18-Jährige ist seit etwas mehr als zwei Jahren in einer Beziehung. Mit einem Mann, den das Eltern- und Ehepaar mit seinem heutigen Wissen ganz klar als Narzissten einstufen würde. „Wenn wir was sagen, treiben wir sie noch weiter in seine Arme“, erklärt Mark und beginnt damit erst, die Dimension des Leids aufzuzeigen, das ihn und seine Frau seit Monaten quält.

Angefangen hat alles mitten in der Coronazeit. Lockdowns, Homeschooling, Isolation – „wir haben gemerkt, dass mit ihr etwas nicht stimmt und haben es auf die Umstände zurückgeführt“, erinnert sich Zora zurück. „Wir haben permanent überlegt, wie wir dem Kind helfen können und uns die Köpfe zerbrochen.“ Die Corona-Maßnahmen werden weniger, die Erkenntnis der Eltern mehr. Ein Verdacht beginnt, sich zu erhärten.

Mülheimer Paar wird nach und nach immer stutziger

„Nach und nach haben wir immer wieder Situationen zwischen unserer Tochter und ihrem Freund beobachtet oder von ihr erzählt bekommen, die uns stutzig gemacht haben“, sagt der Vater Mitte 50. „Dass das keine gesunde, gute Beziehung ist, haben wir längst gemerkt. Eine Freundin meiner Frau brachte uns dann auf den Narzissmus.“ Die Eltern lesen sich ein, Definitionen der Persönlichkeitsstörung, Foren, „wir haben alles gelesen, was uns in die Quere kam“, sagt Zora. „Je mehr wir gelesen haben, umso klarer war es für uns. Wir saßen so oft da und haben gesagt: ‚Genau das, eins zu eins!‘“

„Du und ich, wir lieben mich“, dieser Satz beschreibt aus Sicht eines Mülheimer Elternpaares ziemlich genau das, was sie seit nunmehr zwei Jahren zwischen ihrer Tochter und deren Freund beobachten.
„Du und ich, wir lieben mich“, dieser Satz beschreibt aus Sicht eines Mülheimer Elternpaares ziemlich genau das, was sie seit nunmehr zwei Jahren zwischen ihrer Tochter und deren Freund beobachten. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Die beiden berichten von zahlreichen Beispielen, aus dem Alltag, dem Urlaub. Vermeintlich unwichtige Situationen, die zeigen, wie immens der Partner ihrer Tochter einerseits von sich selbst überzeugt und andererseits von der Ergebenheit seiner Partnerin ihm gegenüber besessen ist. Um die Anonymität vor allem ihrer Tochter zu wahren, möchten sie keine der Situationen im Detail veröffentlicht wissen. Wann und wie lange sich ihre Tochter mit wem trifft, ob und wie sie ihr Aussehen verändert, was sie isst und wie die beiden als Paar ihre Zeit verbringen, alles das und auch andere Sachen schreibe der Partner der 18-Jährigen vor. „Wie oft haben wir unsere Tochter bitterlich weinen sehen, weil sie wieder von ihm niedergemacht wurde“, sagt Mark. „Sie ist da so unbedarft reingestolpert und kommt nicht mehr von ihm los.“

Definition von Narzissmus: „Das passt alles haargenau“

Laut dem Klassifikationssystem für psychische Störungen „Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen“, kurz DSM-5, gibt es mehrere Kriterien für Narzissmus. So haben Betroffene ein übersteigertes Gefühl der eigenen Wichtigkeit, sie verlangen nach übermäßiger Bewunderung, sie idealisieren sich selbst und sind stark von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz oder Schönheit eingenommen. In zwischenmenschlichen Beziehungen hingegen sind Narzissten häufig ausbeuterisch und ziehen Nutzen aus anderen Personen, um die eigenen Ziele zu erreichen. Ihnen mangelt es zudem an Empathie und häufig sind sie neidisch auf andere oder glauben, andere seien neidisch auf sie.

Und auch der Verlauf der Beziehung entspricht dem, was typisch für eine toxische Verbindung ist. „Erst Lovebombing“, also massive Liebesbekundungen, „dann Abwertung, Demütigungen, Schuldumkehr, Beleidigungen und der Versuch der Isolation vom sozialen Umfeld“, erklärt Mark. „Das passt schon alles haargenau auf ihn“, sagt Zora. „Ich habe mal den Satz gelesen: Du und ich, wir lieben mich. Das trifft es ganz gut.“ Nur, wie mit dieser Erkenntnis umgehen?

„Uns war ziemlich schnell klar, dass wir es jetzt zwar einordnen können, aber auch, dass wir nichts so wirklich machen können“, beschreibt Mark die Hilflosigkeit. Gespräche mit ihm? „Zwecklos, er ist heillos von sich selbst und seiner Überlegenheit überzeugt“, sagt Mark und schüttelt Mark den Kopf. „Ein Gespräch mit seinen Eltern wurde abgeblockt, das war nicht erwünscht.“ Und der Tochter schlicht den Kontakt verbieten? „Nein, das ist für uns keine Option. Sie ist ein freier Mensch und das entspricht nicht unserem Erziehungsstil“, erklärt Zora. „Es ist unerträglich mitanzusehen, wie das Kind nach unsäglichen Demütigungen immer wieder zum toxischen Partner zurückkehrt. Immer in der Hoffnung, dass er sich zum Besseren ändert.“

Mülheimer suchen vergeblich nach einer Anlaufstelle

In ihrer Suche nach Hilfe schreiben und telefonieren die Beiden zahlreiche soziale Träger an und ab, eine Anlaufstelle für Angehörige von „Narzissmus-Opfern“ finden sie nicht, auch nicht außerhalb Mülheims. „Es gibt viele Angebote für Betroffene selbst, aber auch für Partnerinnen und Partner“, sagt Mark. Deshalb hat sich das Paar entschlossen, nach anderen Betroffenen, Angehörigen von Menschen in toxischen Beziehungen, zu suchen und im besten Fall eine Selbsthilfegruppe zu gründen. „Wir erhoffen uns, von dem Austausch sehr viel. Reden tut immer gut und vielleicht hat auch jemand einen Rat, wie man damit umgehen kann.“

Wer sich angesprochen fühlt, kann sich beim Mülheimer Selbsthilfe-Büro des Paritätischen NRW unter 0208 300 48 14 oder per Mail an selbsthilfe-muelheim@paritaet-nrw.org mit dem Stichwort „toxische Beziehung“ melden.

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