Mülheim. Gestalterisch gelungene Neubauten will der Bund Deutscher Architekten in Mülheim auszeichnen. Wir stellen die fünf Bewerber vor: Teil 4.
Der Bund Deutscher Architekten (BDA) hat den Architekturpreis Mülheim 2023 ausgelobt. Fünf besondere Mülheimer Projekte gehen ins Rennen, Architekten und Bauherren hoffen auf den Preis. Wir stellen ihre Vorhaben nach und nach vor. Heute: die außergewöhnlichste und größte Garage Mülheims.
In exponierter Lage auf den Raadter Höhen leuchtet ihre silbrige Hülle bei Sonnenschein. Exponiert, auch einmalig kommt der Neubau der Luftschiffhalle der WDL Unternehmensgruppe daher. Denn wann baut man schon einmal eine Garage, die in Zukunft nicht nur Mülheims Luftschiff Theo beherbergen soll, sondern auch einen Zeppelin NT, der ab 2024 zu Rundflügen über das Ruhrgebiet und Düsseldorf abheben soll?
Mülheims Luftschiffhalle: Vom Fundament an auf Nachhaltigkeit gebaut
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Das Saarner Architekturbüro Smyk Fischer bewirbt sich mit ihrem Hangar-Bau um den Mülheimer Architekturpreis des Bundes Deutscher Architekten. Auch mit einem Wohnbau-Projekt am Steinknappen sind sie mit von der Partie. Die Architekten sahen seinerzeit nicht nur im Entwurf der Luftschiffhalle eine außergewöhnliche Herausforderung für sich. „Die Aufgabe, einen Hangar im Einklang mit den Prinzipien der Nachhaltigkeit zu gestalten, verleiht diesem Projekt eine besondere Komplexität, zumal er nicht nur als Heimat für das Luftschiff „Theo“, sondern auch als multifunktionale Veranstaltungshalle für bis zu 1500 Personen dienen soll“, geben sie in ihrer Bewerbung die Aufgabenstellung wieder, mit der sie die WDL betraut hatte. Sie hatten nicht nur einen neuen Hangar zu konzipieren, er sollte auch dem Gold-Standard für ressourcenschonendes Bauen der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen entsprechen.
„Ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit“ stehe schon der Umgang mit den Fundamenten des alten Hangars. Die alten Fundamente seien zerkleinert und direkt vor Ort recycelt worden, um sie als Unterbau für den Hallenboden direkt wiederzuverwenden. Auch die „neue“ Bodenplatte genüge den Ansprüchen einer Kreislaufwirtschaft, denn alte Beton-Großformatplatten von einer Mülheimer Baustelle wurden dafür recycelt. So habe man Emissionen durch lange Transportwege vermieden.
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557 Tonnen Holz bilden das Grundgerüst für Mülheims Vorzeigebau
Insgesamt, so betonen Martin Smyk und Patrick Fischer, hätten beim Hallen-Neubau durch ausgewählte Materialien und das Baustoff-Recycling 156 Tonnen CO2 eingespart werden können. Das mache das Investitionsvorhaben zu einem „wegweisenden Projekt“.
Bei den gewählten Materialien fällt dann auch nicht nur die laut Smyk Fischer vollständig recycelbare Aluminiumfassade an Stelle der damals verwendeten Foliendächer ins Gewicht, sondern auch die Holzbauweise. Insgesamt 557 Tonnen Holz aus deutschen Wäldern bilden das Grundgerüst in Form einer Holz-Fachwerkkonstruktion. Die 15 Zweigelenkbögen aus Brettschichtholz haben eine Spannweite von 42 Metern. Sie sind als Fachwerkträger mit reinen Holzverbindungen konzipiert und besitzen insgesamt 592 Knotenpunkte, deren Verbindungen mittels Holzdübeln in Handarbeit hergestellt wurden. Die über den Trägern liegende Dachtragschale ist aus zehn Zentimeter starken, großformatigen Brettsperrholzplatten gefertigt. Sie steife die Konstruktion aus und sorge für Schall- und Wärmeschutz, so Smyk Fischer.
Architekten aus Mülheim-Saarn sehen ein skulpturales Bauwerk erschaffen
Im neuen Luftschiffhangar sehen die Saarner Architekten eine „zeitgemäße Neuinterpretation“. Als identitätsstiftende Landmarke und wichtiger Teil der Mülheimer Stadtgeschichte spiegele er die prägnante Form der Vorgängerbauten unmittelbar wider. „Die feinen vertikalen Linien der Stehfalz-Fassade unterstreichen die klare Form und die sanften Rundungen des Bauwerks und erzeugen je nach Sonnenstand unterschiedliche Lichtreflexe und Schattenspiele. Funktion und Ästhetik werden zu einem skulpturalen, fast schon abstrakt anmutenden Bauwerk kombiniert“, heißt es in der Bewerbung des Büros für den Mülheimer Architekturpreis.
Das Fensterband, das sich um die Westseite erstreckt, mache die Nutzung des zunächst introvertierten wirkenden Baus ablesbar. Die Glasfuge verleihe der Halle „eine gewisse Leichtigkeit und Transparenz“, belichte den Innenraum und eröffne den Blick großzügig auf das Flugfeld, den Tower und die anderen Flughafengebäude.
„Projekt vereint Ingenieurbau, Architektur und Nachhaltigkeit auf eindrucksvolle Weise“
Herausragend natürlich auch das Tor im Osten der Halle, durch das künftig der Zeppelin zu navigieren sein wird. „Die Torflügel öffnen sich, auf einer viertelkreisförmigen Schiene gleitend, wie ein Theatervorhang zu den Seiten“, beschreiben Smyk Fischer ihre Konstruktion, die über vier Elektromotoren bewegt wird. „Im geöffnetem Zustand bilden die freistehenden Torflügel gemeinsam mit der Halle ein imposantes Ensemble und eine einzigartige Kulisse für Veranstaltungen verschiedenster Art.“ Jeder Torflügel erstreckt sich über eine Fläche von 400 m2 und wiegt 72 Tonnen. Das Öffnen der Tore dauert drei Minuten. Für die Architekten schafft das „einen wirkungsvollen Rahmen für die Inszenierung des ein- und ausfahrenden Luftschiffs“.
„Das Projekt vereint Ingenieurbau, Architektur und Nachhaltigkeit auf eindrucksvolle Weise. Es steht für die Symbiose von Innovation und ökologischer Verantwortung und ist ein Wegweiser für die Region“, sind Smyk und Fischer überzeugt vom 26 Meter in die Höhe ragenden Hangar, der mit einer Größe von 90 mal 42 Metern die Dimension eines Fußballfeldes erreicht.
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Die Jurysitzung zur Vergabe des BDA-Preises findet am 17. November statt. In der Jury sitzen der städtische Planungsdezernent Felix Blasch, die BDA-Architekten Markus Wüllner (Bochum) und Tobias Klodt (Essen) sowie Romain Burgy, Künstler aus Köln. Nur beratend dabei ist der Mülheimer BDA-Vorsitzende Gunvar Blanck. Zugelassen für den Wettbewerb waren Neu-, Um- und Ausbauten, städtebauliche Anlagen und Freianlagen, die seit Januar 2021 fertiggestellt worden sind.