Mülheim. Damit der Gefangenen des Arbeits- und Erziehungslagers am Flughafen Mülheim würdig gedacht werden kann, finanziert die WDL das Mahnmal großzügig.

Seit 1996 erinnert eine in der Lehrwerkstatt der Mannesmannröhrenwerke hergestellte Gedenktafel an die 130 Menschen, die zwischen 1941 und 1945 im Arbeitserziehungslager am Flughafen ums Leben gekommen sind. Sowie an die insgesamt 8000 Menschen, die im Lager am damaligen Militärflughafen Essen/Mülheim gelebt, gearbeitet und gelitten haben. Jetzt soll ein Mahnmal geschaffen werden. Künstler sind aufgerufen, ihre Ideen einzuschicken.

Unter der Federführung des hiesigen Kunstmuseums und finanziert von der Westdeutschen Luftwerbung WDL, schreibt die Stadt Mülheim einen Wettbewerb aus, an dem sich Künstler aus ganz NRW beteiligen können. Ihre Entwürfe können sie bis zum 31. Dezember 2023 beim städtischen Kunstmuseum einreichen. Eine Fachjury wird vier eingereichte Konzepte auswählen und mit jeweils 800 Euro dotieren. Spätestens am 30. Juni 2025 – und damit gut 80 Jahre nach Kriegsende –, soll das Mahnmal auf einer Grünfläche an der Brunshofstraße eingeweiht werden.

Mülheims Kulturdezernentin: „Wir müssen Hand in Hand für die Demokratie kämpfen“

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Kulturdezernentin Dr. Daniela Grobe sagt dazu: „Gerade in der aktuellen Situation muss dieses Mahnmal viel mehr als eine Erinnerung an historische Ereignisse sein, sondern im wahrsten Sinne eine Mahnung daran, wie schnell gedankliche Abwertung und Ausgrenzung zu körperlicher Gewalt und Mord führen können. Es muss darum gehen, diesen Weg erst gar nicht zu beschreiten, sondern aktiv und Hand in Hand für die Demokratie und die Menschlichkeit zu kämpfen.“

Die WDL-Geschäftsführer, Barbara Majerus und Frank Peylo, sind sich einig: „Als das Projekt vor zwei Jahren vom Bürgermeister Markus Püll an uns herangetragen wurde, war es für uns keine Frage, dass wir die Errichtung dieses Mahnmals finanzieren. Auch wenn die WDL hier erst zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg von Inge Bachmann und Theo Wüllenkemper gegründet worden ist und in der Folge vergleichsweise glückliche Jahre erleben durfte, wissen wir um die Vergangenheit dieses Ortes und sehen es deshalb als unsere Verpflichtung an, uns mit der Vergangenheit dieses Ortes auseinanderzusetzen und so dafür zu sorgen, dass das unvorstellbare Leid, dass hier Menschen angetan worden ist, auch von nachfolgenden Generationen nicht vergessen wird.“

Insassen aus den Niederlanden, Belgien, Ukraine, Frankreich, Polen – und Deutschland

Das 1941 für 500 Insassen errichtete Lager war Teil der menschenverachtenden NS-Ideologie, die die Deutschen als Herrenmenschen ansah, die in ihren Augen das Recht hatten, in ihrem Krieg, um neuen Lebensraum für das deutsche Volk Menschen aus den europäischen Nachbarländern ins Deutsche Reich zu verschleppen und für ihre Zwecke auf Leben und Tod auszubeuten. Neben niederländischen, belgischen, ukrainischen, französischen und polnischen gab es auch deutsche Lagerinsassen, die vor allem für Tiefbauarbeiten am Flughafen, aber auch für die Trümmerbeseitigung nach Luftangriffen eingesetzt wurden. Bis heute erreichen das Stadtarchiv immer wieder Anfragen von Menschen, deren Vorfahren im Arbeitserziehungslager am Flughafen interniert waren.

Das Lager am Flughafen war während des Zweiten Weltkrieges nur eines von stadtweit 55. Dort lebten und litten insgesamt 25.000 Menschen, die nicht nur in kriegswichtigen Industriebetrieben, wie den Röhrenwerken und der Friedrich-Wilhelms-Hütte für Hitlers „Endsieg“ schuften mussten, sondern auch als Hilfskräfte in Haushalten, Firmen, Kliniken und auf Höfen eingesetzt wurden.

Gefangene wurden erschossen oder totgeschlagen, Nacktappelle gehörten zum Alltag

Wie alle Konzentrationslager unterstand auch das Arbeitserziehungslager der Geheimen Staatspolizei. Die Wachmannschaften, die nach Kriegsende nicht zur Rechenschaft gezogen wurden, waren zur Brutalität angehalten. Immer wieder kam es vor, dass Lagerinsassen erschossen oder totgeschlagen wurden, weil sie nicht mehr arbeiten konnten. Auch sogenannte Nacktappelle, bei denen sich die Häftlinge auf dem Lagergelände bei Wind und Wetter nackt aufstellen mussten, gehörten zu den Repressalien der Wachmannschaften. Hinzu kamen Unterernährung und mangelnde Hygiene, die 1943 und 1944 zu einem Fleckfieberausbruch führten, der viele Lagerinsassen das Leben kostete.

Angesichts des eigenen Leids überrascht es nicht, dass sich einige Zwangsarbeiter, die nach Kriegsende als freigelassene „displaced persons“ in der Stadt überleben mussten, sich an ihren ehemaligen Peinigern, aber auch an unbeteiligten deutschen Einwohnern zum Teil blutig rächten. Erst ab dem Jahr 2000 leisteten der deutsche Staat und deutsche Unternehmen mit der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter und deren Familien. 2003 besuchten ehemalige Zwangsarbeiter, auf Einladung der Stadt, die Orte ihres Leidens und auf dem Altstadtfriedhof die Gräber der in Mülheim getöteten und verstorbener Zwangsarbeiter.

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