Mülheim. Mülheims bröckelnder Bismarckturm wartet seit mehr als sechs Jahren auf eine Sanierung. Jetzt will ein Alt-OB eine Rettungsaktion starten.
Die „Schlossretter“ haben im vergangenen Jahrzehnt Großartiges beigetragen zur Sanierung von Schloß Broich. Nun unternimmt Alt-Oberbürgermeister Hans-Georg Specht (83) einen Vorstoß, ein weiteres Mülheimer Denkmal, das seit Jahren wegen immenser Bauschäden gesperrt ist, wieder zu alter Imposanz zu verhelfen.
Specht, von 1994 bis 1999 CDU-Oberbürgermeister und damit Kopf jener ersten schwarz-grünen Koalition in einer deutschen Großstadt, hat die Idee ins Leben gerufen, nach den Schloss- nun die Turmretter für Mülheim zu versammeln. Mit seiner Initiative will er dazu beitragen, dass der Bismarckturm auf dem Kahlenberg ähnlich wie vor Jahren Schloß Broich in nicht allzu langer Zukunft auch wieder ein vorzeigbares Denkmal wird. Und nicht – wie etwa der Wasserbahnhof auf der Schleuseninsel oder das VHS-Denkmal in der Müga – ein Zeugnis verwahrloster Mülheimer Gebäude bleibt.
Schlossretter brachten für Mülheims marodes Schloß Broich 362.000 Euro zusammen
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2020 war es nach jahrelanger, 4,6 Millionen Euro schwerer Sanierung so weit: Die letzten Bauarbeiten an Schloß Broich waren abgeschlossen. Das Megaprojekt zur Sanierung der alten Karolingerburg am Rande der Müga wäre ohne die zahlreichen stillen Helfer kaum zu stemmen gewesen: 2014 hatte die Mülheimer Stadtmarketing- und Tourismusgesellschaft (MST) als Schlossherrin dazu die Aktion „Schlossretter“ aus der Taufe gehoben. Rund 362.000 Euro kamen an Spenden zusammen, die der klammen Stadt halfen, ihren Eigenanteil an der geförderten Sanierung zu stemmen. Durch Spenden von Privatpersonen oder Unternehmen, auch durch Bannerwerbung an der Schlossmauer und zahlreiche Aktionen war das Geld zusammengekommen.
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An diesen Erfolg erinnert nun Alt-OB Specht – und regt an, die Retter-Aktion für den Bismarckturm neu aufzulegen. Der 1909 errichtete Turm ist seit Jahren weiträumig abgesperrt, wird gestützt. Die 2017 entdeckten Schäden sind immens. Die Rede war von Abplatzungen der Natursteinverkleidung an der Außenfassade, feuchtes Mauerwerk, Risse im Estrich, Korrosion an den Deckenträgern, Auswaschungen der Fugen am Ziegelmauerwerk und Korrosion der im Mauerwerk verbauten Stahlkonstruktionen. . .
Mülheims Alt-OB Specht tourt durch die Stadt und sucht Unterstützer
Specht tourt aktuell durch die Stadt, um Mitstreiter für die „Turmretter“ einzuwerben, damit der Bismarckturm als einer der letzten öffentlichen Aussichtstürme im Ruhrtal wieder zugänglich wird. In dieser Pflicht steht die Stadt ohnehin, wie Klaus Beisiegel als Referent im Technischen Rathaus jüngst der Planungspolitik deutlich machte: Die Gretchen-Leonhard-Stiftung hatte der Stadt den Turm einst überlassen, die Stadt verpflichtete sich im Gegenzug, ihn öffentlich zugänglich zu halten und für die Instandhaltung zu sorgen. „Selbst wenn wir den Turm zurückgäben“, so Beisiegel im September vor der Planungspolitik, „müsste er saniert sein.“
Im Rahmen der Internationalen Gartenbauausstellung bewirbt sich die Stadt aktuell um erste Förderungen: a) für eine Machbarkeitsstudie zur Turmsanierung (100.000 Euro) und b) um 600.000 Euro, die dazu dienen sollen, erste Sicherungsmaßnahmen zu finanzieren, damit das Bauwerk nicht weiter verfällt. Zu mehr sieht sich die Stadt derzeit nicht in der Lage. In der politisch abgesegneten Prioritätenliste für Investitionen der kommenden Jahre wird der Bismarckturm an letzter Stelle geführt – mit 150.000 Euro als „Platzhalter“ für etwaige Eigenmittel, die bei entsprechenden Fördermöglichkeiten absehbar aufzustocken wären.
Zur Internationalen Bauausstellung 2027 wird Turmsanierung nicht klappen
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„Eine Menge Hürden“ sieht Beisiegel für ein Sanierungsprojekt, das geschätzt 1,5 bis 2,5 Millionen Euro schwer sein dürfte. Zur Internationalen Bauausstellung im Jahr 2027 werde sicher noch kein sanierter Turm am Kahlenberg in neuem Glanz erstrahlen. Immerhin, so stellt er in Aussicht, werde der aktuell personell etwas besser ausgestattete städtische Immobilienservice eine Fachkraft damit betrauen, in die Planung einzusteigen.
Die Initiative für ein bürgerschaftliches Engagement für die Turmrettung begrüßt Beisiegel. Er lässt nach einem Gespräch mit Specht aber noch offen, ob die Koordination dessen aus dem Rathaus heraus stattfinden kann. Bei MST-Chef Michael Birr habe er schon mal die Erfahrungen mit der Schlossrettung abgefragt, so Beisiegel. Auch mit dem obersten Planer der Schlosssanierung, Dr. Ägidius Strack, suche man Kontakt, um ihn womöglich für ein weiteres Projekt in Mülheim zu begeistern. Strack sei allerdings mittlerweile im verdienten Ruhestand.
Mülheims Bismarckturm mit Café oder als Ort für standesamtliche Trauungen?
Alt-OB Specht würde als Turmretter die ersten 1000 Euro spenden, gab er jetzt im Gespräch mit dieser Redaktion ein Versprechen. Aber wer setzt den Hut auf, wird am Ende auch Spendenquittungen ausstellen können? Specht glaubt jedenfalls, bürgerschaftliche Organisationen für seine Idee begeistern zu können. Im Vorjahr etwa hatte der Lions Club Mülheim an der Ruhr dafür gesorgt, das Turm-Umfeld von wildem Gestrüpp zu befreien. Das wird dieses Jahr wiederholt. „Wir würden eine solche Initiative in jedem Fall auch unterstützen“, so Marten Breckling als Activity-Beauftragter der Lions.
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Nicht nur die Sanierung wäre zu stemmen, sondern auch die Frage zu klären, in welcher Form der Turm mit seiner prächtigen Aussicht aufs Ruhrtal und weit darüber hinaus wieder öffentlich zugänglich gemacht werden könnte. Specht würde sich ein Café wünschen, Beisiegel sinniert darüber nach, ob die MST auch den Turm in ihre Obhut nehmen könnte – neben der Stadthalle, den beiden Schlössern in Broich und Styrum sowie der Camera Obscura.
Die MST könnte dann womöglich das Café betreiben. Warum nicht auch standesamtliche Hochzeiten im Turm? Oder auch eine kleine Ausstellung zur Geschichte der Bismarcktürme, die seinerzeit zu Ehren von Otto von Bismarck (1815-1898), dem ersten Reichskanzler des Deutschen Reiches, errichtet worden waren. 31 dieser Türme gibt es alleine noch in Nordrhein-Westfalen.
„All das ist noch zu klären“, sagt Beisiegel. „Soweit wir es können, unterstützen wir das bürgerschaftliche Engagement aber erst mal.“
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