Mülheim. „Zu wenig lukrativ“: Familie Bertram schließt ihre Traditionsbäckerei in Mülheim-Heißen. Auch um den Kiosk gleich gegenüber muss man sich sorgen.

Frühmorgens um fünf öffnet sich die Tür der Bäckerei Bertram an der Heinrichstraße in Heißen. In der hauseigenen Backstube wird dann schon seit Stunden gearbeitet. In der Theke und in den Regalen liegen frische Semmeln, Brote und Teilchen aus eigener Produktion, belegte Brötchen bekommt man hier schon für 1,90 Euro. Fast täglich geht es dort so zeitig los, außer am Montag, dem Ruhetag. Auch sonntags müssen sich Frühaufsteher etwas gedulden, bis das Geschäft um acht Uhr startet.

Dafür schließen Bertrams schon vormittags um 11 Uhr – und ab Oktober für immer. Der letzte Septembertag 2023 wird der letzte Öffnungstag des traditionsreichen Familienbetriebs sein. Am Schaufenster klebt ein schlichtes Blatt Papier, von Hand schnörkelig beschrieben: „Wir bedanken uns für Ihre Treue und wünschen für die Zukunft alles Gute.“ Die Kundinnen und Kunden der Bäckerei Bertram geben das sicher gerne zurück.

Mülheimer Bäckerei schließt aus Altersgründen

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Damit verschwindet eine weitere Mülheimer Kleinbäckerei. Bäckermeister Kai Bertram und seine Frau Karin, die seit mehr als 40 Jahren täglich im Geschäft steht, möchten die Schließung am liebsten still vollziehen, nicht groß über ihren Abschied reden, nicht auf Fotos erscheinen. Sie ziehe sich aus Altersgründen zurück, sagt die 63-Jährige – ein länger geplanter Entschluss. Ihr Mann bleibe noch berufstätig: „Er hat sich eine andere Arbeit gesucht.“

Die Gründe, warum kleine Bäckereien nicht mehr lohnend seien, warum sie keine Auszubildenden mehr fänden, keine Nachfolger, seien vielfältig und hinreichend bekannt, meint Karin Bertram. „Es würde sich keiner melden, der hier weitermachen will. Es ist zu wenig lukrativ.“ Noch vor 20 Jahren habe es zig Kleinbäckereien in Mülheim gegeben, heute hätten sie Seltenheitswert. „Die Verbraucher haben längst entschieden.“

Nur noch drei Mülheimer Betriebe gehören der Bäcker-Innung an

Bei der Bäcker-Innung Rhein-Ruhr ist die bevorstehende Schließung in Mülheim-Heißen offenbar schon lange bekannt: Bereits seit Jahren hätten Kai und Karin Bertram geplant, den Betrieb aus Altersgründen zu schließen, sofern sich kein Nachfolger findet, heißt es dort.

Mittlerweile gehören der Bäcker-Innung Rhein-Ruhr nur noch drei Mülheimer Betriebe an, namentlich die beiden großen Familienunternehmen Döbbe (laut firmeneigener Website mit rund 55 Filialen in zehn Städten) und Hemmerle (14 Mülheimer Filialen) sowie die Heißener Vollwertbäckerei Broehenhorst. Die Bäckerei Bertram ist schon länger kein Innungsmitglied mehr.

Nachmieter gesucht: Auch Trinkhalle in Mülheim-Heißen vor unsicherer Zukunft

An der Heinrichstraße, Ecke Bonnstraße, wird es nun ruhig werden. Laut Karin Bertram hat es hier etwa seit dem Jahr 1900 immer eine Bäckerei gegeben. Ihre Familie betreibe das Geschäft seit mehr als vier Jahrzehnten. Da den Bertrams auch das Haus gehört, wollen sie das Erdgeschoss demnächst zu einer Mietwohnung umbauen. Einen Laden wird es hier nicht mehr geben.

Auch um den frei stehenden Kiosk gleich gegenüber muss man sich sorgen. Auch dort kündigt ein handgeschriebener Zettel Veränderungen an: „Trinkhalle zum nächstmöglichen Zeitpunkt abzugeben“, es folgt eine Handynummer. Eine örtliche Immobilienfirma hat ein Schild installiert: „Zu vermieten“. Der jetzige Betreiber steht im Verkaufsraum und bestätigt, dass ein Nachmieter gesucht werde. Falls dieser nicht gefunden wird, ist auch die Bude an der Heinrichstraße wohl bald zu.

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