Mülheim. Sieben-Tage-Woche im eiskalten Laden, finanziell harte Zeiten. Doch die Blumenfrau von Baldus in Mülheim liebt ihre Arbeit. Und Kunden loben sie.

Seit weit mehr als drei Jahrzehnten verbringt die Floristin Christina Terschüren überlange Arbeitstage in ihrem Eckladen an der Kaiserstraße, in Nachbarschaft zum St. Marien-Hospital. Sie ist die Inhaberin von Baldus Blumen, einem Mülheimer Traditionsgeschäft der bedrohten Art. Auch samstags und sonntags steht die 53-Jährige wie selbstverständlich im Laden.

Kürzlich fertigte sie für einen Kunden, der sporadisch bei ihr kauft, einen Geburtstagsstrauß aus zartrosa Rosen und satt pinkfarbenen Gerbera mit üppigem Beiwerk. Ein Glücksgriff. In einer Mülheimer Facebook-Gruppe lobt der Mann den „wunderschönen“ Strauß zum „wirklich guten Preis“ und bescheinigt Christina Terschüren, man merke ihr „die Liebe zu den Blumen deutlich an“. Sein Beitrag wird lebhaft und wärmstens kommentiert. Baldus Blumen, dieses bescheidene Geschäft, hat wohl besondere Qualitäten.

Alteingesessener Mülheimer Blumenladen: 82-Jährige arbeitet noch mit

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Wer sich dem Laden nähert, sieht gelegentlich hinter den Fenstern zwei lebendige Maskottchen, zwei hübsch gefleckte Shelties. „Die Hunde sind mein Ausgleich“, sagt die Floristin. Die Spaziergänge mit ihnen sind an manchen Tagen die einzige Pause, die sie sich gönnt. Im Verkauf unterstützt ihre Mutter sie, Brunhilde Beldzik (82), die noch in geringfügiger Beschäftigung mitarbeitet.

Als Lehrmädchen, mit 15 Jahren, fing Brunhilde Beldzik bei Baldus an. Das Geschäft selbst besteht seit etwa 70 Jahren – an genau dieser Stelle, mit derselben nostalgischen Leuchtreklame hin zur lärmigen Kaiserstraße. 1988 übernahm ihr Ehemann offiziell das Geschäft, ein Jahr später stieg Tochter Christina als Floristin ein, frisch ausgebildet in einem Essener Betrieb. Seit 2000 ist Christina Terschüren die Inhaberin von Baldus Blumen.

Viele andere Geschäfte auf der Kaiserstraße sind verschwunden

Das Traditionsgeschäft konnte sich bislang behaupten, während etliche andere Läden auf der Kaiserstraße aufgeben mussten. Metzgerei, Bäckerei, Obstladen, Schreibwarengeschäft. Christina Terschüren will es bis zur Rente schaffen. Dafür arbeitet sie hart, verzichtet auf Freizeit, weiß, dass sie eigentlich nie krank werden darf. „Meine Familie kennt das nicht anders.“ Sie ist verheiratet und hat einen 24-jährigen Sohn.

Seit rund 70 Jahren besteht Baldus Blumen. Das Geschäft liegt an der Kaiser-, Ecke Adolfstraße, in unmittelbarer Nachbarschaft des Mülheimer St. Marien-Hospitals.
Seit rund 70 Jahren besteht Baldus Blumen. Das Geschäft liegt an der Kaiser-, Ecke Adolfstraße, in unmittelbarer Nachbarschaft des Mülheimer St. Marien-Hospitals. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Wenn die Floristin morgens um acht Uhr die Ladentür aufschließt, war sie oft schon zwei Stunden vorher auf dem Großmarkt in Oberhausen. Werktags öffnet sie durchgehend bis 18.30 Uhr, samstags von 8 bis 14 Uhr, und sogar sonntags von 10 bis 12.30 Uhr bindet Christina Terschüren lächelnd Sträuße oder wickelt Topfpflanzen in Papier. Wie viele Arbeitsstunden hat bei ihr eine durchschnittliche Woche? „Ich rechne mir das gar nicht aus.“ Sommerurlaub gönnt sie sich. Zwei Wochen, maximal.

Umsatz geht zurück – die Leute müssen sparen

In der Corona-Zeit durften Blumengeschäfte geöffnet bleiben, ausgenommen im ganz harten Lockdown. Dennoch spürte Christina Terschüren, dass der Umsatz schrumpfte. „Und jetzt geht es zurück wegen der steigenden Energiekosten. Man merkt, dass die Leute sparen müssen.“ Auch die Lage in Wurfweite zum St. Marien-Hospital garantiere kein gutes Geschäft mehr, sagt die Floristin. „Die wenigsten Leute nehmen noch einen Blumenstrauß mit ins Krankenhaus. Die Zeiten sind vorbei.“

Ähnlich bei Beerdigungen, für die sie früher oft reichen Blumenschmuck geliefert hätte. Heute hätten viele Bestattungsinstitute ihre eigenen Floristen. Und der Trend zur Urnenbeisetzung reduziert die Flut an Blumen, die früher dem Grab beigegeben wurden. „Früher wurde ein Gesteck oder ein Kranz genommen – heute oft nur noch ein Röschen.“

Explodierende Kosten beim Blumeneinkauf belasten

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Zugleich muss die Floristin selbst Preissteigerungen hinnehmen, ganz besonders beim Blumeneinkauf seien die Kosten explodiert. Unmöglich, dies bei der eigenen Ware aufzuschlagen. „Sonst kriegen wir das nicht mehr verkauft.“ Die Energiekosten dagegen halten sich im Blumengeschäft noch im Rahmen. Der Verkaufsraum ist nahezu unbeheizt und momentan eisig kalt. Christina Terschüren trägt eine Fleecejacke und mehrere Schichten Pullover übereinander. Die Kunden frösteln sogar im Wintermantel.

Ihre Geschäftsräume sind überdies schlecht isoliert: „Unsere Fenster haben noch die alte Einfachverglasung. Ich würde also für draußen heizen.“ Eine Renovierung könne sie sich finanziell nicht leisten. So üppig sind die Umsätze nicht. „Aber ich bin immer noch zufrieden. Man schraubt seine Erwartungen zurück.“

Floristin versucht, auch Sonderwünsche zu erfüllen

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Baldus ist keine schick eingerichtete Blumenboutique. Es gibt auch kaum Deko-Artikel zu kaufen, bewusst nicht. Anderes zählt, meint die Inhaberin: „Meine Kunden achten darauf, dass wir eine große Schnittblumenauswahl haben.“ Vielfältig, bunt und möglichst täglich frisch beschafft, so füllen sie das schlichte Geschäft und leuchten in der warmen Jahreszeit üppig vor dem Laden. Viele Stammkunden kommen, häufig ältere Menschen, die zwischen Rosen, Veilchen und Gerbera auch Persönliches mitteilen, ihr Herz ausschütten.

Sonderwünsche werden nach Möglichkeit erfüllt. Eine ältere Dame öffnet von außen die Ladentür, fragt in den Geschäftsraum hinein, ob sie eine rote Amaryllis haben könne. Leider nicht, antwortet Christina Terschüren, doch sie werde gleich beim Lieferanten („dem Holländer“) nachhören, ob sie einzelne Amaryllis abnehmen könne, keinen ganzen Karton. Der Kundin drückt die Floristin mit beiden Händen herzlich den warmen Handschuh: „Rufen Sie nachher einfach noch mal an, Frau ...“

Ehemann überrascht sie manchmal mit Blumen

Christina Terschüren sagt über ihr Geschäft: „Man hängt ja dran, mit Herzblut. Schon als ich klein war, bin ich nach der Schule hierhin gekommen. Ich kenne es nicht anders.“ Manchmal, berichtet die Floristin, bekommt sie selbst Blumen geschenkt – von ihrem Ehemann. „Aber die kauft er dann woanders. Sonst ist es ja keine Überraschung.“