Mülheim. Wer erinnert sich an die berühmten Tiffany-Lampen? Ein Mülheimer hat ihnen sein gesamtes Berufsleben gewidmet. Seine einzigartige Geschäftsidee.

Jeder Trend kommt irgendwann wieder, heißt es. Roland Scherbaum lebt diese Weisheit, denn sein berufliches Schicksal ist seit den Achtzigerjahren an eine Design-Ikone geknüpft, deren Beliebtheit kommt und geht: die Tiffany-Lampe. Das sind diese Lampen aus buntem Glas, die früher in jedem zweiten Haushalt standen – meist als Billigkopie – und die bis heute immer mal wieder als Requisite in Filmen auftauchen.

„Erst wollte sie jeder haben, dann keiner mehr, dann kam der Shabby Chic und es ging wieder voran“, sagt Roland Scherbaum, der in seinem Glaskunst-Laden am Dickswall die einzige Tiffany-Klinik Deutschlands betreibt. Menschen aus dem ganzen Land kommen zu ihm, um ihre Sammlerstücke reparieren zu lassen. Aber das ist streng genommen bereits die Pointe seiner Berufslaufbahn. Um die besondere Geschichte von Roland Scherbaum und den Tiffany-Lampen zu verstehen, muss man in den Achtzigerjahren anfangen.

Die große Liebe begann am Mülheimer Hauptbahnhof

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1986 war es, als der damals 29-Jährige ein Ladenlokal am Hauptbahnhof mietete, um ein Fachgeschäft für diese besonderen Lampen zu eröffnen, die jeder haben wollte. Die Tiffany-Lampe war bis dahin ein absolutes Luxus-Gut für Superreiche gewesen. Erfunden von Louis Comfort Tiffany (1848-1933), Erbe der legendären Schmuckmanufaktur Tiffany & Co, waren die Kunstwerke aus gefärbtem Glas der Gipfel des exquisiten Geschmacks. Doch in den Achtzigern wurden sie plötzlich für jedermann erschwinglich – zahlreichen Kopien aus Großbritannien, China und Co. machten es möglich.

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In der Hochzeit des Tiffany-für-Jedermann-Booms also eröffnete Roland Scherbaum seinen Laden am Bahnhof. Und nicht nur das: Er gab auch Kurse zum Selbermachen. „Damals war das eine beliebte Sache, sich seine Tiffanylampe selbst zu bauen. Die Leute waren kreativ. Da gab es nicht so viel Ablenkung von Netflix und Co.“ Billig war die Sache nicht. Um die 700 Euro pro Lampe wurden dabei schon mal fällig, was nicht zuletzt dazu geführt haben dürfte, dass viele Lampen bis heute existieren. Aber dazu später mehr.

Mülheimer mit dem Hang zum besonderen Sortiment

„15 Jahre lief der Laden gut. Dann kamen die Billigmöbel und die ganze Wertschätzung für Interieur änderte sich. Außerdem kam das Halogen“, sagt Scherbaum, der damals im wahrsten Sinne des Wortes kreativ werden musste. „Ich habe alles im Keller eingelagert und wurde der Drachenmann“, sagt er nicht ohne Amüsement. Denn genau unter diesem Namen kennt man Roland Scherbaum bis heute in Mülheim: Er ist der mit dem Fachgeschäft für Lenkdrachen. Man könnte auch sagen: ein Mann mit dem Hang zum außergewöhnlichen Sortiment.

Roland Scherbaum mit einer original Tiffany-Lampe in seinem Ladenlokal am Dickswall.
Roland Scherbaum mit einer original Tiffany-Lampe in seinem Ladenlokal am Dickswall. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Aber die geliebten Lampen haben ihn nie losgelassen. Und als 2016 ein ehemaliger Kunde bei ihm mit einer Tiffany-Lampe auf der Matte stand, die er vor vielen Jahren in einem von Scherbaums Workshops gebastelt hatte, da hatte er ein Aha-Erlebnis. „Der Mann kam mit seiner erwachsenen Enkelin, die die Lampe in ihre Wohnung stellen wollte. Auf einmal war nämlich der Shabby Chic gefragt und die jungen Leute haben sich wieder die alten Schätze hingestellt.“ Roland Scherbaum strahlt, wenn er über diese Renaissance spricht.

Der Mülheimer erfährt viele persönliche Geschichten durch seine Kunden

„Tiffany ist zurück – da mache ich was draus“, sagte sich der Lampen-Profi und eröffnete seine Reparatur-Werkstatt am Dickswall. Seitdem erlebt er immer wieder berührende Geschichten von Menschen und ihren Lampen. Scherbaums Glück: Inzwischen gibt es das Internet, so dass er bundesweit für sein sehr spezielles Handwerk werben kann.

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„Man erlebt viele persönliche Geschichten“, sagt er und erinnert sich an Menschen, die sich mit den Lampen an schmerzlich vermisste Angehörige erinnern. Oder an den kleinen Lampenschirm mit der besonders außergewöhnlichen Farbe, den ihm jemand extra aus Münster zum Reparieren vorbeigebracht hat. Und siehe da: Tatsächlich fand sich in den angesammelten Reserveglas-Beständen von Roland Scherbaum exakt dieser Fliederton. „Da entstehen Glücksgefühle“, sagt er, und wer sein Gesicht dabei sieht, hat keinen Zweifel, dass das stimmt.

Tiffany-Lampe: Die Trend-Welle baut sich schon wieder auf

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Zu den traurigen Momenten gehört für ihn der Besuch eines jungen Mannes, der eine Wisteria Lampe vorbeibrachte, ohne zu wissen, was er da eigentlich für einen Schatz besitzt. „12.000 D-Mark hat diese Lampe damals gekostet, ein absolutes Sammlerstück“, sagt Scherbaum. Aber die Reparatur war aufwendig und teuer und eigentlich wollte sich der junge Mann die üppige Lampe mit dem Blauregen aus Glas gar nicht in die Wohnung stellen. Unter Design-Klassikern versteht man eben heutzutage etwas anderes. „Ich habe ihn nur gebeten, sie nicht wegzuschmeißen“, sagt Scherbaum, der den Kunden ziehen lassen musste.

Heute schätzt er den Anteil der echten Tiffany-Lampen auf ein Prozent. Ein Blick in das Online-Verzeichnis des Auktionshauses Christie’s macht besonders deutlich, wie rar die Originalware inzwischen ist. Dort wurde im Jahr 2020 ein top erhaltenes Exemplar der besagten Wisteria Lampe versteigert. Erzielter Erlös: 525.000 US-Dollar.

Gut möglich übrigens, dass Roland Scherbaum sich noch einmal wappnen muss. Denn diese Sache mit den Trends ist und bleibt eine Wellenbewegung. Vor wenigen Monaten erst titelte die amerikanische Vogue: „Die ikonischen Tiffany Lampen kehren zurück ins Rampenlicht“. Auch der Architectural Digest meldete vor einigen Monaten: „Tiffany Lampen sind in – mal wieder“. So ist das mit den Trends: Man weiß nie, wann es wieder so weit ist.