Mülheim. Nur eine Woche nach dem Fahrplanwechsel kürzt die Ruhrbahn ihr Angebot. Nun äußert sich der Ruhrbahnchef. Von den Kunden hagelt es Kritik.

In den vergangenen Tagen liefen die sozialen Medien heiß, auch Mülheims Ratskoalition schäumt angesichts der Schreckensmeldung, die die Ruhrbahn am Freitagabend vergangener Woche publiziert hatte: Der Nahverkehrsbetrieb musste sein Linienangebot nur eine Woche nach dem Fahrplanwechsel in Mülheim einschränken. Wie massiv das Problem in Mülheim sein wird? Dazu äußerten sich Ruhrbahn-Geschäftsführer Michael Feller und Betriebsrats-Chef Ahmed Avsar.

Eine Fahrplan-Einschränkung nicht einmal eine Woche nach dessen Einführung: Entsprechend wütend waren die Reaktionen vieler Fahrgäste, die sich in den sozialen Medien an den zahlreichen Diskussionen rund um das neue Bus- und Bahnangebot in Mülheim beteiligen. Vom „Flop des Jahres“ ist da die Rede oder davon, dass es unter gegebenen Umständen „teilweise unmöglich“ sei, von der Arbeit nach Hause zu kommen. Probleme im Schülerverkehr hatten auch Eltern auf die Palme gebracht.

Mülheimer Grüne: „Die Kommunikation der Ruhrbahn ist definitiv maximal ausbaufähig“

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„Was ist das eigentlich für eine Informationspolitik, die die Ruhrbahn da betreibt? Keine Informationen, welche Linien betroffen sind, es wird wieder auf die Zäpp und die Webseite verwiesen, und man möge auf die Anzeigetafeln gucken“, kritisierte Linken-Ratsfrau Andrea Mobini dort.

In die Debatten im Netz schaltete sich immer wieder auch Grünen-Verkehrspolitiker Timo Spors ein, der Mülheimer Interessen im Aufsichtsrat vertritt und maßgeblich das neue Liniennetz miterdacht hatte. Auch er wurde am Montag deutlich: „Die Kommunikation der Ruhrbahn ist definitiv maximal ausbaufähig.“ Zum Fahrplan-Wechsel und zu den Einschränkungen jetzt sei die Kommunikation des Verkehrsunternehmens „absolut suboptimal“ gelaufen.

Mülheims OB soll zeitnah alle Verantwortlichen zusammen an einen Tisch holen

Was Spors damit insbesondere anspricht, machten seine Partei und die CDU als ihre Koalitionspartnerin im Mülheimer Stadtrat ebenfalls am Montag deutlich. Die Erklärung der Ruhrbahn zum Ausfall zahlreicher Busfahrten in Mülheim vom vergangenen Freitag sei verwirrend. Weder Stadtverwaltung noch Aufsichtsrat seien zum Zeitpunkt des Fahrplanwechsels über einen erhöhten Krankenstand im Fahrpersonal informiert worden. Man frage sich, „ob die Ruhrbahn dies nicht auch schon vor dem Fahrplanwechsel erahnen konnte und warum keine Information diesbezüglich an Stadtverwaltung, Aufsichtsrat oder auch den Mobilitätsausschuss gingen“, heißt es da.

Mit Verwunderung blicken CDU und Grüne da auch eine Woche zurück, als Ruhrbahn-Chef Michael Feller noch geäußert hatte, der Fahrplanwechsel sei gut verlaufen. Die Fraktionen haben OB Marc Buchholz eingeschaltet, um ein klärendes Gespräch der mobilitätspolitischen Sprecher der Ratsfraktionen mit Vertretern von Stadtverwaltung, Ruhrbahn-Verantwortlichen und -Betriebsrat zeitnah zu terminieren – noch vor der nächsten Sitzung des Mobilitätsausschusses am 7. September. Der OB bestätigte, dass er dem nachkommen werde. CDU und Grüne fordern von der Ruhrbahn „unverzügliches Handeln“, um Probleme schnellstmöglich zu lösen.

Kritik an Mülheims neuem ÖPNV-Angebot – unsere Berichte:

Ruhrbahn-Chef: Es liegt nicht am Fahrplanwechsel in Mülheim

Ruhrbahn-Geschäftsführer Michael Feller
Ruhrbahn-Geschäftsführer Michael Feller © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Ruhrbahn-Geschäftsführer Michael Feller blieb am Montag gegenüber der Redaktion dabei: Der Fahrplanwechsel an sich sei gut umgesetzt worden von allen Beteiligten. Davon losgelöst bereite aber der hohe Krankenstand Probleme. Dass beides voneinander zu trennen sei, habe man mit der öffentlichen Erklärung von Freitag deutlich machen wollen.

Der erhöhte Krankenstand habe sich auch nicht angekündigt, er sei Ende vergangener Woche zutage getreten. So habe die Krankenquote im Mülheimer Busbetrieb am Montagmorgen 17 Prozent betragen. Man habe im Ergebnis sechs von 132 Busfahrer-Diensten am Montag in Mülheim nicht besetzen können – entsprechend seien Fahrten ausgefallen. Feller drückte sein Bedauern aus, dass Fahrgäste wohl wieder vergeblich an Haltestellen warten mussten, was beim dünneren Takt in Mülheim natürlich noch mehr ins Gewicht falle als in Essen.

Krankenquote bei Ruhrbahn in Essen und Mülheim erreicht tageweise auch 20 Prozent

Weiter bleibt der Rat der Ruhrbahn, sich online auf ruhrbahn.de oder über die Zäpp-App über Fahrausfälle zu informieren. Anders könne man keine Ad-hoc-Verkehrslage übermitteln, so Feller auf den Einwand hin, dass ältere Fahrgäste womöglich von den Informationen abgeschnitten sind. Feller sieht keinen Grund für Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit, mit ihr sei er „sehr zufrieden“.

Der Ruhrbahn-Chef sagte für Dienstag und Mittwoch voraus, dass sich die Personallage entspannen könnte. Weiter vorausschauen möchte er aber nicht. Die Personaldecke bleibe dünn, die Krankenquote schwanke tageweise in Essen und Mülheim zwischen neun und gar 20 Prozent. Einige neue Bus- und Bahnfahrer werden bald ihren Dienst antreten, die Ruhrbahn sucht aber weiter händeringend Fahrer. Ein Pilotprojekt zur Anwerbung von spanischen Arbeitnehmern sei nicht erfolgreich gewesen, sagt Feller und kündigt gleichsam an, auch im weiteren Ausland nach potenziellen Arbeitskräften suchen zu wollen.

Ruhrbahn-Betriebsrat: „Vielleicht jetzt mal der Zeitpunkt, wo alle wachgerüttelt sind“

Ahmet Avsar (Betriebsratsvorsitzender der Ruhrbahn) zu den Problemen im Fahrbetrieb in Mülheim und Essen: „Alle müssen sich hier ihrer Verantwortung bewusst werden.“
Ahmet Avsar (Betriebsratsvorsitzender der Ruhrbahn) zu den Problemen im Fahrbetrieb in Mülheim und Essen: „Alle müssen sich hier ihrer Verantwortung bewusst werden.“ © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Eine „Spirale“ zwischen sich gegenseitig aufschaukelnder Personalmisere und hohem Krankenstand sieht Ruhrbahn-Betriebsratsvorsitzender Ahmed Avsar. Immer wieder würden Kolleginnen und Kollegen für erkrankte Fahrer einspringen. Die Belastungen würden immer größer, auch diese Fahrer drohten auszufallen. Durch Optimierungen im Dienstplan würden Pausenzeiten kürzer, etwa um mal zur Toilette zu gehen, der Stress im Verkehr nehme zu, bei Verspätungen ließen Fahrgäste ihren Frust an Fahrern aus. Der Fahrplan-Wechsel sorge dafür, dass Fahrer viele Fragen von Kunden zu beantworten hätten und ebenso Frust über geänderte Linienwege und Co abbekämen. . .

Avsar hält es für notwendig, dass die Städte als Aufgabenträger, die Politik und die Ruhrbahn gemeinsam ihre Anstrengungen intensivieren, um „die Spirale einmal zu durchbrechen“. „Alle müssen sich hier ihrer Verantwortung bewusstwerden“, sagt der Betriebsrat. „Vielleicht ist jetzt mal der Zeitpunkt gekommen, wo alle wachgerüttelt sind und erkennen, dass es so nicht weitergeht.“ Es gebe „einen riesigen Optimierungsbedarf im Fahrbetrieb“. So sei es unrealistisch, „dass nächste Woche plötzlich alles besser wird“, warnt Avsar vor der Erwartungshaltung, dass das Problem mit Ausfällen bei Bus und Bahn schon zeitnah behoben sein könnte. „Nur ein Pflaster hier und da – das wird nicht reichen.“

Ruhrbahn-Geschäftsführer: „Wir sind weit weg von einem Notfallplan“

Immerhin: Ruhrbahn-Chef Feller sieht den Nahverkehr nicht gänzlich vor Zusammenbruch und Vertrauensverlust: „Wir sind weit weg von einem Notfallplan“, holte er am Montag eine womöglich missverstandene Äußerung einer Ruhrbahn-Sprecherin vom Freitag ein, die so publiziert worden war, als dass womöglich im Schnitt jede zweite Busfahrt in Mülheim ausfallen könnte. Sechs unbesetzte von 132 Busfahrer-Diensten entspricht bei weitem nicht jenen 50 Prozent. Es sind knapp fünf Prozent – für Abo-Kunden trotzdem ein Ärgernis.

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