Mülheim. Lange musste Mülheims SWB ein Großprojekt ruhen lassen. Der Bauzaun um die Brache soll bald verschwinden, auch bezahlbare Wohnungen entstehen.
Vor drei Jahren hatte das städtische Wohnungsbauunternehmen SWB einen Architekturwettbewerb ausgelobt für sein Großprojekt zwischen A 40-Zubringer und Filchnerstraße in Heißen. Jetzt – endlich – steht ein Baustart in Aussicht.
„Wir hängen mit dem Projekt bedauerlicherweise eineinhalb Jahre hinter der Zeitschiene“, blickt SWB-Geschäftsführer Andreas Timmerkamp mit Sorge auf die großen Verwerfungen für die Wohnungswirtschaft mit immer neuen politischen Vorgaben auch in der Förderung, dazu drücken die explodierten Baupreise und Zinsen Investoren kräftig aufs Gemüt; viele Bauprojekte sind gar auf Eis gelegt, weil nicht finanzierbar, insbesondere im frei finanzierten Wohnungsbau.
Mülheimer Eichbaum-Siedlung: Im 1. Bauabschnitt investiert die SWB 49 Millionen Euro
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In der Eichbaum-Siedlung will die SWB nun aber endlich vorankommen, einen mindestens symbolischen Spatenstich für den ersten Bauabschnitt nördlich der Filchnerstraße wünscht sich Timmerkamp noch für dieses Jahr. Die dafür vorgesehene Fläche ist längst geräumt, alte Mehrfamilienhäuser aus den 1950er- und 1960er-Jahren sind bereits vor zwei Jahren abgerissen worden. Nun soll ein Vorzeigequartier entstehen, von denen die SWB in Heißen, aber auch Dümpten in der jüngeren Vergangenheit schon einige geschaffen hat: mit bezahlbarem Wohnraum und einer Durchmischung in der Mieterschaft, die auf ein soziales Miteinander aller Generationen setzt und damit Fehler der Vergangenheit meidet, bei Quartieren mit Monostrukturen soziale Probleme vorzuprogrammieren.
Mit 49 Millionen Euro kalkuliert die SWB mittlerweile den ersten Bauabschnitt, sie hofft auf 32 Millionen Euro aus der Wohnraumförderung des Landes NRW. Vorgelagert war bereits die Sanierung und Modernisierung des Punkt-Hochhauses an der Ecke Filchner-/Gneisenaustraße, wo die SWB 64 Wohnungen altengerecht hergerichtet hat und laut Timmerkamp mit einem endlich auch barrierefreien Zugang zum Haus „unmögliche Verhältnisse“ beseitigt hat. Für eine Mieterschaft, die inzwischen im Durchschnitt älter als 70 Jahre sei.
Neubauprojekt für betreutes Wohnen: DRK-Dienste auch für Nachbarschaft buchbar
Neue Bäder, Photovoltaik auf dem Dach für Mieter- und Allgemeinstrom – 4,4 Millionen Euro hat die SWB in die geförderte Modernisierung gesteckt. Ein Großteil der Mieterinnen und Mieter sei trotz Bauarbeiten im Bestand im Haus verblieben. 6,40 Euro pro Quadratmeter sind nun als Miete fällig. Rund ein Euro mehr als zuvor und damit „vollkommen im Rahmen“, meint Timmerkamp.
Die ältere Mieterschaft dort darf sich auf die Neubauten in der Nachbarschaft insbesondere auch deshalb freuen, weil direkt nebenan ein fünfgeschossiger Bau unter anderem mit Wohnungen für betreutes Wohnen geplant ist – mit 6,50 Euro Miete kalkuliert und mit Deutschem Roten Kreuz als Partner für Betreuungsleistungen, die auch von Mietern im benachbarten Hochhaus zu buchen sein sollen.
Quartierstreff und Gemeinschaftspraxis sollen sich um neuen Quartiersplatz ansiedeln
Auch im weiteren Fünfgeschosser im Osten der Filchnerstraße ist etwas Besonderes geplant: Im Erdgeschoss soll auf rund 260 Quadratmetern der Quartierstreff, momentan noch an der Kleiststraße untergebracht, heimisch werden. Ganz frisch verkündet Timmerkamp die Nachricht, dass sich im ersten Obergeschoss das Medizinische Versorgungszentrum MVZ Hausärzte Ruhr in modernen Praxis-Räumen, die Platz bieten für eine Erweiterung des Hausarzt-Services, niederlassen will. Aktuell firmiert die Gemeinschaftspraxis an der Gneisenaustraße. „Das passt natürlich super, eine runde Geschichte“, sagt Timmerkamp mit Blick auf das geballte Angebot von Altenwohnungen, betreutem Wohnen, Quartierstreff und ärztlicher Versorgung auf kleinem Raum.
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Die Neubebauung zieht dann schrittweise nach Westen. 126 neue Wohnungen sollen entstehen, davon 87 öffentlich gefördert. Der Bauantrag ist laut SWB seit 14 Tagen eingereicht. Viele kleinere Wohnungen seien darunter, aber auch Platz für Familien, heißt es. In der Baureihe hin zum A 40-Zubringer sind die Häuser so konzipiert, dass Schlafzimmer und Aufenthaltsräume auf der lärmabgeschirmten Seite verortet sind. Die SWB verwirklicht vor Ort erstmals in ihrer Geschichte den KfW 40-Standard: mit Photovoltaik, mit Nahwärme, teilweise in ressourcenschonender Holzbauweise. Die Wohnraumförderprogramme fingen die Mehrkosten dafür auf, sagt Timmerkamp, gleichsam betonend, dass sich mit dem Projekt aufgrund der Kostenentwicklungen kaum Geld verdienen lasse, die Situation für Investoren ungemein schwer sei.
Mitten durch das neue Mülheimer Quartier schlängelt sich ein Fußweg
Im Angebot werden später Wohnungen über den ersten oder zweiten Förderweg sein, ebenso frei finanzierte. Zähe Verhandlungen mit dem Fördergeber seien vorausgegangen, so Timmerkamp. Alles sei neu zu rechnen gewesen, so habe man – anders als geplant – nach Abriss der alten Häuser erst mal einen Bauzaun um das Bauland aufstellen müssen. Mit dem Ergebnis könne man aber leben. Immer noch sei der hauseigene Anspruch erfüllt, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die Kaltmieten sind aktuell wie folgt kalkuliert: 6,50 Euro im 1. Förderweg, 7,50 Euro im 2. Förderweg und 9,50 bis elf Euro in frei finanzierten Wohnungen. Gerade die Nachfrage nach Wohnungen per Wohnberechtigungsschein für den 2. Förderweg gewännen immer stärker an Bedeutung und erfreuten sich sehr hoher Nachfrage, so Timmerkamp.
Aber noch mal zurück zum neuen Quartier. Der Siegerentwurf aus dem Architektur-Wettbewerb beeindruckt insbesondere auch durch seine Freiraumgestaltung: Mitten durch das neue Quartier schlängelt sich ein Fußweg, der später auch Kindern der nahen Grundschule ein sicherer Schulweg sein kann. Möglichst viel Grün will die SWB hereinbringen ins Quartier, überall auch kleine Treffpunkte für einen Tratsch unter Nachbarn anlegen – neben dem großen Quartiersplatz, der am Quartierstreff entstehen soll. Mietergärten wird es geben, ebenso zwei Tiefgaragen mit jeweils 40 Plätzen.
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2. Bauabschnitt Filchnerstraße: SWB will Altbauten 2024 leerziehen und 2025 abreißen
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Was auf der Abstandsfläche zum A 40-Zubringer, der frei bleiben muss von Bauten, passieren wird, ist noch nicht entscheiden. Auf jeden Fall soll viel Grün hin, sagt Timmerkamp. Ansonsten gebe es schon viele Ideen dafür: Eine Spielplatzanlage, vielleicht gebe es Raum für Gemeinschaftsprojekte, Schrebergärten oder gar Sinnesgärten für ältere Quartiersbewohner.
Ein erster Spatenstich erfolge noch in diesem Jahr, aber Timmerkamp sagt, dass der tatsächliche Baubeginn wohl noch ein bisschen länger auf sich warten lassen wird: „Wir würden uns freuen, wenn wir im Frühjahr 2024 anfangen könnten.“ Und die Vorplanungen für den zweiten Bauabschnitt weiter im Westen der Filchnerstraße laufen auch bereits: Die Häuser stehen noch, sind teils noch bewohnt. Die SWB gedenkt, sie 2024 leerzuziehen und 2025 abzureißen. Mit Blick auf die Unwägbarkeiten in der Wohnungswirtschaft schränkt der SWB-Chef aber ein: „Ob es so kommt, weiß ich nicht.“
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