Mülheim. Mülheims Planungspolitik hat Weichen für die Entwicklung des Mega-Bauprojektes „Parkstadt“ gestellt. Auf welcher Basis es nun weitergeht.

Nun ist klar, mit welchen politischen Maßgaben die Planungen für die „Parkstadt Mülheim“ auf dem ehemaligen Konzernareal von Tengelmann weitergehen.

Auf den letzten Drücker zur gemeinsamen Sitzung von Planungsausschuss und Bezirksvertretung 3 am Dienstag hatte schließlich auch die Ratskoalition aus CDU und Grünen ihre Leitplanken für das weitere Verfahren gesetzt. Dabei ging Schwarz-Grün nicht so weit wie etwa die SPD, die eine Begrenzung der geplanten Wohneinheiten auf 450 bis 500 an der Zahl gefordert hatte.

Parkstadt Mülheim – das sind unsere aktuellsten Berichte:

So sieht der überarbeitete Entwurf für die „Parkstadt Mülheim“ aus.
So sieht der überarbeitete Entwurf für die „Parkstadt Mülheim“ aus. © funkegrafik nrw | Anna Stais

Schwarz-Grün zeigt sich zunächst einmal damit zufrieden, dass Investor Soravia nur noch 650 bis 680 statt 800 Wohneinheiten bauen will mit einer Bruttogrundfläche von 89.000 Quadratmetern. Auch bei den aktuell zwischen Stadtplanern und Investor ausgehandelten Gebäudehöhen gehen CDU und Grüne mit, heißt: fünf Hochhäuser im Kern des alten Tengelmann-Areals mit rund 33 bis 45 Metern Höhe; östlich und westlich davon Bauten mit bis zu acht beziehungsweise sechs Geschossen. Dies aber solle das Maximum sein, betonen CDU und Grüne. Weiterhin denkbar seien auch weniger Geschosse.

Grundsätzlich unterstreichen die Koalitionäre, dass eine „qualitätsvolle Nachverdichtung der Stadt“ einer weiteren Flächenversiegelung im Grünen vorzuziehen sei. Für die Parkstadt fordern die beiden Fraktionen eine „Netto-Null-Versiegelung“, sprich: Am Ende soll nicht mehr versiegelt sein als heute schon etwa durch die großen Parkplatz-Flächen oder das Technikum. Mit eingerechnet werden sollen bei dieser Bilanz auch Flächen, unter denen Tiefgaragen liegen.

Mülheims CDU und Grüne legen sich fest: See statt Technikum

Auch auf einen Anteil geförderten Wohnungsbaus wollen sich CDU und Grüne – anders als die SPD (je ein Drittel preisgebunden, preisgedämpft oder frei finanziert) – zum jetzigen Zeitpunkt nicht festlegen. Zwar wollen auch sie eine Quote in einem städtebaulichen Vertrag zwischen Stadt und Investor Soravia festgelegt sehen. Wie hoch die Quote aber sein soll, soll eine Bedarfsermittlung im Rahmen des „Bündnisses für Wohnen“ erst noch zeigen.

Mit ihrer Mehrheit hat die Ratskoalition weitere Festlegungen getroffen. So soll etwa der See inmitten des Areals fester Bestandteil der Parkstadt bleiben, zudem soll zwingend geprüft werden, ob eine ÖPNV-Anbindung via Straßen- oder Stadtbahn Sinn machen könnte. Ferner wollen CDU und Grüne keinen Bebauungsplan absegnen, ehe Soravia ein Energiekonzept vorgelegt hat, „welches die Erfordernisse der Klimanotlage (Klimaneutralität 2035) erfüllt“. Vertraglich zu fixieren sei ferner, dass die Stadt in Zukunft kein Geld in die Pflege von Park und See stecken muss.

Parkstadt Mülheim: Ende 2023, Anfang 2024 sollen Gutachten vorliegen

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Die Festlegungen sollen Grundlage dafür sein, dass nun allerlei Gutachten, teils schon in Auftrag gegeben, feinjustiert werden können, etwa zum Verkehr, zum Lärm, zum Stadtklima, zur Entwässerung etc. Ende 2023, Anfang 2024 sollen diese Gutachten vorliegen. CDU und Grüne fordern fortlaufende öffentliche Informationsveranstaltungen zu deren Ergebnissen ein. Viele der Fragen, die die Parkstadt-Kritiker aufgeworfen hätten, ließen sich erst mit jenen Gutachter-Ergebnissen beantworten, sagte Planungsdezernent Felix Blasch am Dienstag. Er verspricht, mit Bürgerinnen und Bürgern weiter im Austausch bleiben zu wollen.

Mit Stimmen auch der FDP setzte die Ratskoalition ihre Leitplanken fest. Die SPD zeigte sich enttäuscht. Zehn Prozent öffentlich geförderter Wohnungsbau, was Soravia anbiete, sei „deutlich zu wenig“, so deren Planungspolitiker Oliver Willems. Vergeblich warb er dafür, Soravia hinsichtlich Quantität und Qualität mehr Eingeständnisse abzuverlangen. Auch für den Erhalt des Technikums als Kulturstätte bekam die SPD eine Abfuhr. „Wenn ein Investor sich entscheidet, die Veranstaltungshalle auf seinem Grundstück nicht zu halten, können wir ihn ja nicht zwingen“, sagte Petra Seidemann-Matschulla (CDU). Für Architekt Klaus Ruppin, als sachkundiger Bürger für die SPD im Gremium, ist ein Abriss trotzdem widersinnig, weil ein relativ junges Gebäude für hohe Kosten verschwinden werde.

Investor Soravia sagt Architektur-Wettbewerb für fünf Hochhäuser zu

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Im Streit um die Hochhäuser hatte Soravia im Vorfeld zugesagt, einen Architektur-Wettbewerb für acht bis zehn teilnehmende Büros auszuloben. Am Ende soll eine Jury mit Vertretern auch aus Stadtverwaltung und Politik einen Siegerentwurf küren. Insgesamt schwebt es der Verwaltung vor, in einem städtebaulichen Vertrag auch „eine hohe architektonische Vielfalt und Qualität“ abzusichern.

Oliver Linsel (Grüne) und Petra Seidemann-Matschulla sehen das ebenso. Hochhäuser seien „nicht grundsätzlich Mist“, sprach sich die CDU-Frau gegen eine Stigmatisierung aus. In der Parkstadt werde man sich nicht mit 08/15-Bauten zufriedengeben, auch diese Soravia-Hochhäuser müssten preisverdächtig werden. Rolf Hornbostel (SPD) forderte, endlich eine realitätsnahe 3D-Betrachtung in die Debatte einzubringen, „um Relationen besser einschätzen zu können“.

Banner in Mülheims Ratssaal: „Keine Hochhäuser – kein Urbanes Gebiet“

Für die Grünen drückte Brigitte Erd Zuversicht aus, auf ehemaligem Tengelmann-Terrain nicht nur etwas gegen die Wohnungsnot tun zu können, sondern auch für die Aufenthaltsqualität der angrenzenden Wohngebiete in Broich und Speldorf. Es sei eine einmalige Chance, ein solch großes Gelände planen zu können. Erd warb bildreich auch bei kritischen Bürgern dafür, gemeinsam in der Küche zu wirken und ein Mehr-Gänge-Menü zuzubereiten, das deutlich mehr munde als ein „schnöder Eintopf“. Dass es am Ende wohl nicht jedem schmecken werde, sei klar. Wer sich aber jetzt beteilige, bestimme mit, „welches Gericht wir da kochen und wie es schmeckt“.

Für MBI-Fraktionssprecher Lothar Reinhard ist der Vorgeschmack bereits bitter. Die Bürgervereine hätten viele Kritikpunkte schon dezidiert begründet. Die geplante Bebauung passe nicht in die Umgebung, auch Verkehrsprobleme sieht Reinhard kommen. Dass die Kritik aus dem Umfeld die weiteren Planungen begleiten dürfte, zeigte sich am Geländer der Zuschauertribüne im Ratssaal. Dort hatte das Netzwerk „Parkstadt – aber richtig!“ ein Banner platziert mit der Forderung: „Keine Hochhäuser – kein Urbanes Gebiet“.

Investor Soravia sieht in Eingeständnissen Basis dafür, Bedenken auszuräumen

Investor Soravia begrüßt die Entscheidungen der Mülheimer Politik. „Eine Reduzierung über 650 Wohneinheiten hinaus wäre mit unseren elementaren Planungszielen nicht vereinbar gewesen“, so Projektleiter Lorenz Tragatschnig. „Der See und die Bereitstellung großzügiger, öffentlich nutzbarer Freiräume wären unter diesen Bedingungen wirtschaftlich nicht umsetzbar und die Entstehung einer ,Parkstadt‘ nicht möglich.“ Mit den Kompromissen zu den Gebäudehöhen und der Erschließung über eine neue Straße fernab des Veilchenweges hofft Tragatschnig, Bedenken auszuräumen. Sie „unterstreichen unser Entgegenkommen“, sagte er.

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