Mülheim. Verkneift sich mancher das zweite Bier beim geselligen Kneipenabend oder knausern die Restaurant-Gäste beim Trinkgeld? Das sagen Mülheimer Wirte.
Alles wird teuerer – an der Kasse im Supermarkt, an der Zapfsäule, beim Energieversorger. Bleibt da noch Geld übrig, um chic Essen zu gehen, gemütlich im Biergarten zu sitzen oder sich ein Eis zu gönnen? Wir haben Mülheimer Gastronomen gefragt, ob ihre Gäste sparsamer geworden sind.
„Ich beobachte schon mal Gäste, die ein Stück Kuchen mit zwei Gabeln bestellen oder nur eine Vorspeise nehmen“, sagt Maik Wittenberg, Wirt des Liebfrauenhofs im Rumbachtal. Doch das seien Ausnahmen, noch – an sich zeigt sich der Gastronom zufrieden: „Bei dem Wetter wollen die Leute draußen sitzen, das merken wir an unserem Biergarten.“
Kein Verdienst für Mülheimer Wirt: Gäste trinken nur eine Flasche Wasser
Wenn sich dann allerdings Gäste über Stunden an einer Flasche Wasser aufhalten und damit einen Tisch blockieren, an dem sich sonst wahrscheinlich mehr verdienen ließe, registriere er das zähneknirschend, sagt Maik Wittenberg: „Bevor die Gäste gar nicht kommen…“ Dabei räumt der Gastwirt ein: „Eigentlich habe ich damit gerechnet, dass wir mehr davon merken, dass jeder sparen muss.“
Seine Besucher aber kommen und keiner habe sich bislang beschwert, dass er die Preise anheben musste. „Da führt kein Weg dran vorbei, aber ich habe das human gemacht.“ Senf etwa sei extrem teuer geworden und vieles, was in der Restaurantküche zuhauf gebraucht wird. Die Preise für Butter und Öl hätten sich zwischenzeitlich normalisiert, sagt Wittenberg, doch Lachs etwa sei nach wie vor teuer. Was Gastronomen zudem belaste, seien die hohen Energiepreise – auch die müsse er umlegen und über das Angebot auf der Speisekarte zumindest teils an die Gäste weitergeben.
Da hat Jörg Thon vom Restaurant Bürgergarten an der Aktienstraße vorgebaut: „Zu 80 Prozent stellen wir unseren Strom selbst her, zudem müssen wir keine Pacht zahlen.“ Mit Blockheizkraftwerk und Photovoltaikanlage gelingt dem Gastronomen diese Einsparung. Nicht nur Klimaschutz ist ein Effekt daraus, sondern auch, dass er die Preise in seinem Restaurant nicht so stark anheben musste, sagt der Gastwirt. Gleichwohl erfährt er auch, dass er beim Einkauf tiefer ins Portemonnaie greifen muss: „Das geht vom Umsatzgewinn ab.“
Dass seine Kollegen in der Gastronomie aber noch genauer als vorher schon kalkulieren müssen, weiß Thon, der auch Kreisvorsitzender des örtlichen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga ist. Weil Restaurantbetreiber von vielen Seiten Preiserhöhungen erfahren, pocht Thon für seine Branche darauf, dass der durch das Corona-Steuerhilfegesetz aktuell geltende verringerte Mehrwertsteuersatz für Speisen in Restaurants von sieben Prozent nicht nur bis Ende des Jahres gilt, sondern längerfristig. Denn einige Restaurants und Kneipen, hat Thon nicht nur in seiner Heimatstadt beobachtet, seien „still und heimlich verschwunden.“
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Dass die Gäste trotz Sparzwang ausgehen wollen und „Lust haben auf Geselligkeit und Events“, wie Jerome Krüger sagt, registriert der Betreiber des Cafés „Das Kaff“ am Fuße der Altstadt, und führt das nach wie vor auf den Nachholbedarf nach den Corona-Lockdowns zurück. Hin und wieder falle ihm auf, dass ein Gast nicht noch ein zweites oder drittes Getränk bestellt – „aber das sind Einzelfälle.“ Auch dass das Trinkgeld knapper ausfällt, kann Kaff-Chef Krüger nicht erkennen: „Wenn die Leute ausgehen, dann geben sie auch aus.“ Krüger ist derzeit positiv gestimmt, wenn er auf sein Geschäft schaut: „Die Einkaufspreise haben sich größtenteils stabilisiert.“
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Das kann Richard Reichenbach nicht unbedingt bestätigen. Der Gastronom betreibt Franky’s Wasserbahnhof Mintard und Franky`s an der Ruhrpromenade sowie Eventlocations. Gerade die erhöhten Personalkosten und die Energiepreise schlügen ins Kontor, aber ebenso nach wie vor die Kosten mancher Lebensmittel.
Mülheimer Gastronom: Bier im Einkauf um 20 Prozent teuerer, Wein zehn bis 15 Prozent
Seien die Einkaufspreise bei Saisonartikeln wie Spargel oder Pfifferlingen noch moderat, verzeichne er etwa bei Milchprodukten, Bratwürsten, Öl und Bier minimal eine Steigerung von 20 Prozent, bei Wein von zehn bis 15 Prozent. „Das können wir nicht alles über die Speisekarte auf die Gäste umlegen“, sagt Reichenbach, denn: „Ich hab ja nichts davon, wenn keiner mehr kommt." Dass aber die Gäste zurückhaltender sind, weil sie an anderen Stellen mehr ausgeben müssen, merkt Reichenbach kaum: „Wenn sie am Wochenende rausgehen, scheinen sie in etwa das gleiche Budget zu haben wie vorher.“ Allerdings sei es teils während der Woche ruhiger.
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Dass sich das Ausgehverhalten der Mülheimerinnen und Mülheimer geändert hat, registriert auch Marc Schmeling, der die „Alte Schule“ an der Kölner Straße betreibt. „Die Leute kommen früher zum Essen und bleiben nicht so lange. Daher verzehren auch weniger.“ Beim Wein etwa fällt dem Gastronomen das auf: „Da trinkt man dann eher ein Gläschen weniger.“ Und bei den Speisen hat Schmeling beobachtet; „Früher wurden öfter zwei Gänge bestellt, das gibt’s heute selten.“ Häufig sieht er auch Gäste, die sich eine Vorspeise teilen.
Mülheimer Gäste geben weiterhin Trinkgeld
Das Trinkgeld für seine Mannschaft, freut sich Schmeling, bleibe hingegen konstant. „So wird honoriert, dass sie einen guten Job machen.“ Mit welchen Preissteigerungen sich Wirte konfrontiert sehen, darüber mache sich kaum ein Gast Gedanken, meint Schmeling. „Klar, dass manche Lebensmittel teuerer geworden sind, weiß jeder. Und das sind gar nicht unbedingt die Hauptprodukte, sondern vor allem, die Gebrauchsmittel wie etwa Öl.“ Aber auch für das, was das Bier zum Schäumen bringt, müssen Wirte mehr bezahlen: „Die Kohlensäure ist fast doppelt so teuer geworden. Wenn ich dann noch die Lagerung im Kühlhaus und die Reinigung der Bierleitungen draufrechne...“
Woran sie merkt, dass die Gäste sparen, sagt Gastfrau Kerstin Möllecken: „Ich rufe viel seltener Taxen, weil die Leute öfter selbst mit dem Auto fahren. Aber dann trinken sie auch entsprechend weniger.“ Manchen Stammgast kann die Gastronomin, die mit ihrem Mann gemeinsam Mölleckens Altes Zollhaus in Speldorf betreibt, derzeit statt drei bis vier Mal im Monat nur einmal begrüßen.
Eiscafé-Chefin: „Die Kugel Eis soll nicht teurer werden, aber die Becher“
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Wenn ihre Kundschaft aber komme in das seit Jahrzehnten bestehende Restaurant, das im vergangenen Jahr mit der Kochmütze des renommierten Restaurantführer Gault & Millau ausgezeichnet wurde, dann verzehrten sie nahezu wie gewohnt – und spendierten auch Trinkgeld wie zuvor. „Das ist ein persönliches Dankeschön für unsere Mitarbeiter, die das als echte Belohnung für ihre Mühen verstehen“, zeigt sich Kerstin Möllecken froh. Damit sich ihre Gäste auch weiterhin wohlfühlen, will die Chefin den hohen Standard halten: „Ich weigere mich, von Stoff- auf Papierservietten umzusteigen, und halte an gestärkter Tischwäsche fest, auch wenn das für uns Kosten bedeutet.“
Und zum Schluss ein Eis? Gern genommen, gerade bei dem Wetter – etwa beim Eiscafé Kröömel an der Hansastraße in Speldorf, das Sylvia Everts betreibt. Aufgrund des Besucheransturms hat sie nicht viel Zeit, um die Fragen der Reporterin zu beantworten. Nur so viel: „Wetter gut, Bude voll.“ Trinkgeld fließe wie gewohnt. Hinterher scheibt die Eisdielen-Chefin noch, dass sie den Preis ihrer Kugel tunlichst bei 1,50 Euro halten wolle, auch wenn sie höhere Preise im Einkauf zahlen müsse. Ganz am Kunden gehe das nicht vorbei: „Die Becher sind etwas teurer geworden.“