Mülheim. Apotheker kämpfen gegen das „Kaputtsparen“ und unzumutbare Zustände, auch für Patienten. In Mülheim bleiben am Mittwoch die meisten Türen zu.

Wer in diesen Tagen etwas in einer Apotheke zu erledigen hat, entdeckt dort mit einiger Wahrscheinlichkeit den Aushang: „Bundesweiter Protesttag“. Am 14 Juni, also Mittwoch, bleiben auch in Mülheim viele Apotheken geschlossen, vermutlich die meisten. Apothekerinnen und Apotheker fahren nach Düsseldorf, um dort zu demonstrieren, gegen das „Kaputtsparen“ von Apotheken und die Gefährdung der Medikamentenversorgung. Gegen „unzumutbare Zustände“ für Apotheker und Patienten, wie es im offiziellen Aufruf heißt.

Aktuell gibt es noch 38 Apotheken in Mülheim, darunter einige Filialen, so dass insgesamt 32 Inhaber dahinter stehen. Diese Zahlen nennt Peter Lamberti, Sprecher der Mülheimer Apotheken. Vor zehn Jahren waren es noch 46 Standorte. Neueröffnungen sind eine Seltenheit, Nachfolger für bestehende Apotheken extrem schwer zu finden. Aus Gründen, um die sich der Protesttag dreht - eine bislang einzigartige Aktion.

Auch Mülheimer Apotheker protestieren gegen „Honorarstillstand“

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Kundinnen und Kunden sehen in der Regel nur, wie immens viel Geld sie in der Apotheke lassen, immer häufiger als Selbstzahlende. Apotheken haben traditionell den Ruf eines lukrativen Geschäftes. Dem versuchen die Betreiberinnen und Betreiber mit ihrer Kampagne zu begegnen, die von der Apothekerkammer Nordrhein getragen wird und vom Apothekerverband.

Die Umsätze seien tatsächlich weiterhin hoch, räumt Peter Lamberti ein, keineswegs aber der Gewinn. „Die wirtschaftliche Lage vieler Apotheken hat sich dramatisch verschlechtert. Das Berufsbild muss wieder an Attraktivität gewinnen. Und das geht nicht zuletzt über das Honorar.“ So kämpfen die Apotheken gegen „zehn Jahre Honorarstillstand“. So lange hätten sich die gesetzlichen Festbeträge für verschreibungspflichtige Medikamente nicht erhöht, erläutert der Mülheimer Apothekensprecher, „bei sprunghaft steigenden Lohn-, Energie- und Zinskosten“. Die Honorarfrage sei „Dreh- und Angelpunkt“ des Protestes, „aber es geht auch um die Gesundheitspolitik und Lieferfähigkeit, auf die wir leider überhaupt keinen Einfluss haben“.

Viele Medikamente weiterhin nicht lieferbar: „Man bastelt dauernd“

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Kreisvertrauensapotheker in Mülheim, sprich: örtlicher Vertreter der Apothekerkammer, ist Hannu Uwe Kratz. Seine Kronen-Apotheke an der Mellinghofer Straße in Dümpten öffnet werktags um 8 Uhr. Beim Telefonat am Montagmorgen, gut zwei Stunden später, hatte Kratz den ersten „komplizierten Fall“ des Tages bereits gelöst. Bei einem Blutdruckmedikament war die verordnete Stärke nicht verfügbar, eine Alternative gefragt. „Man bastelt ja dauernd“, sagt der Dümptener Apotheker. Dies gehöre längst zum Alltag.

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Auch nach Einschätzung von Peter Lamberti haben sich die Lieferengpässe nicht gebessert, allenfalls „etwas verlagert“. Nach wie vor seien etwa bestimmte Antibiotika nicht zu bekommen, ebenso Medikamente für Diabetiker. Bei diesem Missstand sehen die Apotheker auch Kundinnen und Patienten auf ihrer Seite, auf deren Verständnis sie am Protesttag angesichts geschlossener Türen hoffen. „Sie erleben ja tagtäglich, dass die Belastungen der Apothekenteams immer größer werden und die Lieferengpässe, die extrem viel Mehrarbeit bedeuten, nicht enden“, so Peter Lamberti.

Fairer Ausgleich für Mehrarbeit gefordert

Die Apotheker fordern „fairen Ausgleich“ für die Anstrengungen, die mit den Medikamentenengpässen verbunden sind. Auch Abbau von Bürokratie sei zwingend notwendig, erläutert Lamberti: „Lieferverträge wirken oft wie Daumenschrauben. Wir müssen immer bange sein vor Nullretaxationen.“ Das bedeutet: Wenn Kunden etwa Rezepte vorlegen, auf denen Ärztin oder Arzt keine Dosierung notiert haben, werten Krankenkassen dies als Formfehler. Wenn der Apotheker das Medikament dennoch herausgibt, muss er fürchten, dass ihm nichts erstattet wird.

In Mülheim eine große Mehrheit für Schließung am 14. Juni

Hannu Uwe Kratz hat in der Mülheimer Apothekerschaft abgefragt, wer beim Protesttag mitzieht. Ergebnis: „Es gibt eine große Mehrheit für die Schließung.“ Und zwar ganztags, wobei am Mittwochnachmittag oft sowieso nur mit halber Kraft gearbeitet werde. „Einige Apotheken machen Klappendienst, wie beim Notdienst, geben also notwendige Medikamente heraus. Und ein paar wenige haben gesagt, sie wollten nicht schließen.“ In der Mülheimer Innenstadt werde aber wohl keine Apotheke am 14. Juni öffnen.

Ausgerechnet Apothekensprecher Peter Lamberti wird sich nicht an der Protestaktion beteiligen können, er sagt: „Ich selber bin in der prekären Situation, am Mittwoch Notdienst zu haben.“