Mülheim. Eine Apotheke muss in Mülheim rund 4500 Menschen versorgen – die Tendenz ist steigend. Verband sieht Versorgung besonders im Notdienst gefährdet.

Die Zahl der Apotheken in der Ruhrstadt sinkt beträchtlich: Gab es vor zehn Jahren noch 46 Apotheken vor Ort, sind es nunmehr 38 – das ist ein Rückgang von rund 18 Prozent. Noch mag die Versorgung nicht einbrechen, denn eine Apotheke versorgt rein rechnerisch immerhin noch 4526 Mülheimerinnen und Mülheimer – damit liegt Mülheim etwas besser als im Durchschnitt. Doch den Schließungen stehen eben auch hier kaum Neueröffnungen gegenüber. Das hat Gründe: Denn trotz Pandemie, Grippewelle und RS-Virus lohnt sich das Geschäft immer weniger.

So gab es im vergangenen Jahr keine einzige Neueröffnung in Mülheim, stattdessen aber eine Schließung. Reinhard Busch, Apotheker und Inhaber der Alten-Mühlen-Apotheke an der Düsseldorfer Straße in Saarn, hat nach rund 26 Jahren vor Ort seine Apotheke aufgeben müssen. Schweren Herzens, wie der nunmehr über 70-Jährige betont. Doch eine Nachfolge zu finden, war trotz intensiver Bemühungen ohne Erfolg.

Bereitschaft, Apotheken zu eröffnen, ist so gering wie nie

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Dabei lief das Geschäft mit einem durchschnittlichen Jahresnettoumsatz von rund 1,8 Millionen Euro gut, „wenn auch vielleicht nicht ,top’“, vergleicht Busch. Denn im Dorf Saarn steht seine Apotheke im Wettbewerb mit zwei weiteren. Auch seien die Mieten hier vergleichsweise hoch gewesen. Doch trotz Zugeständnissen des Vermieters ließ sich bislang niemand für die Übernahme finden, am 27. Dezember machte Busch daher die Ladentür zu. Theoretisch könnte hier ein Nachfolger noch bis Mitte des Jahres in fertige, ausgestattete Räume ziehen.

Dass dies aber passiert, ist nicht sehr wahrscheinlich. Denn seit Jahren sei die Bereitschaft, Apotheken zu übernehmen oder neu zu eröffnen so gering wie nie, bestätigt die Apothekenkammer Nordrhein. Ein Trend, den der Berufsverband bereits seit zwei Jahrzehnten registriert. 2022 standen in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln 53 Schließungen gerade einmal elf Neueröffnungen gegenüber.

Einzig in Viersen hatte eine Apotheke geöffnet und dagegen keine geschlossen. Doch schon etwas weiter in Düsseldorf gibt es nun sechs weniger als im Jahr zuvor: Mit 157 hat die Landeshauptstadt zwar noch eine Apothekendichte von 3985 Einwohnern, doch noch vor zehn Jahren gab es hier 182 Apotheken.

Die Alte-Mühlen-Apotheke an der Düsseldorfer Straße in Mülheim-Saarn hat am 27. Dezember vergangenen Jahres zugemacht. Einen Nachfolger für die traditionsreiche Apotheke konnte Reinhard Busch trotz großer Bemühungen nicht finden.
Die Alte-Mühlen-Apotheke an der Düsseldorfer Straße in Mülheim-Saarn hat am 27. Dezember vergangenen Jahres zugemacht. Einen Nachfolger für die traditionsreiche Apotheke konnte Reinhard Busch trotz großer Bemühungen nicht finden. © Dennis Vollmer

Warum das Apothekennetz Löcher bekommt

Im Vergleich zu den Nachbarstädten Essen (4942), Oberhausen (4997) und Duisburg (5623) steht Mülheim mit 4526 Einwohnern pro Apotheke zwar immer noch besser da, doch der Trend schreitet voran. „Unser dichtes Apothekennetz bekommt Löcher, das darf nicht so weitergehen“, beklagt Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein. Besonders im Nacht- und Notdienst werde man es spüren. Die Politik müsse endlich gegensteuern. Die Situation für künftige Selbstständige müsse dringend verbessert werden. „Es muss sich wieder lohnen, eine Apotheke zu übernehmen.“

Für Reinhard Busch liegen die Probleme im Wesentlichen im Fachkräftemangel und dessen Folgen: „Es gibt kaum approbierte PTA, also pharmazeutisch-technische Assistenten“, sagt Busch. Die PTA ist die rechte Hand des Apothekers, sie dürfen etwa Verschreibungen abzeichnen, Arzneimittel herstellen und prüfen, beraten und informieren. Weil es zu wenige von ihnen gibt, „können sie verlangen, was sie wollen“, erläutert der Apotheker.

Der Alltag: Sechs Tage die Woche, acht bis 19 Uhr, ohne Urlaub

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Wenn man sie denn findet. In der Alten-Mühlen-Apotheke mussten die Busch’ selbst ran, weil man auch hier um Personal rang – „sechs Tage die Woche, in der Regel von acht bis 19 Uhr, ohne Urlaub“, schildert der Chef den Alltag. Und auch die stetigen Kostendämpfungsbemühungen der Politik für Arzneimittel, Busch spricht von „Zwangsrabatt“, hätten angesichts erhöhter Arbeitsbelastung und Personalkosten die Selbstständigkeit für Apotheker unattraktiv gemacht.

Auch Reinhard Busch hat das zu spüren bekommen, trotz gutem Kundenstamm mit persönlichen Kontakten und einem Abschied von vielen mit Geschenken und unter Tränen. „Dass die Auflösung unserer Apotheke so ein Hammer wird, hätte ich mir nie vorgestellt.“

Hoffnung auf Nachfolge

Noch hofft Apotheker Reinhard Busch auf die Übernahme der traditionsreichen „Alte-Mühlen-Apotheke“ in Saarn. Bis zum 30.6.2023 soll die Einrichtung noch in den Räumen an der Düsseldorfer Straße erhalten bleiben.

Interessenten können sich weiterhin melden. Postalisch unter „Alte-Mühlen-Apotheke“, Düsseldorfer Straße 98, 45481 Mülheim. Oder per E-Mail: info@alte-muehlen-apotheke.com