Mülheim. Die derzeit schlechte Versorgungslage bei einigen Medikamenten bereitet den Apothekerinnen und Apothekern Mehrarbeit – und viel Kommunikation.
Seit einiger Zeit bestehen Engpässe bei verschiedenen Medikamenten. Immer wieder gibt es Berichte über Kundinnen und Kunden, die in diesem Zusammenhang gegenüber den Apotheken-Mitarbeitenden unflätig oder sogar aggressiv werden. Wie sieht es damit in Mülheim aus? Wir haben nachgefragt.
„Momentan sind vor allem Blutdruck- und Diabetes-Medikamente sowie Antibiotika knapp“, erläutert Sabine van Heek. Sie ist die leitende Apothekerin der Schloss Apotheke auf der gleichnamigen Straße inmitten der Innenstadt. Unmut und Beschwerden von Kundinnen und Kunden kämen dann vor, wenn Produkte spezieller Hersteller nicht lieferbar sind. Oft könne dann aber auf Produkte anderer Hersteller ausgewichen werden. „Manchmal wird auch bemängelt, dass das gewünschte Produkt nur in einer anderen Packungsgröße oder Wirkstärke vorrätig ist“, so van Heek.
Mülheimer Apothekerin: Keineswegs nur Ärger, auch Dankbarkeit
„Die Kunden sind aber auch sehr dankbar dafür, dass wir alles versuchen, was möglich ist, um sie mit dem Notwendigen zu versorgen und dass wir uns kümmern und mit ihren Ärzten Rücksprache halten, um abzuklären, welche Alternativen es gibt, wenn etwas fehlt“, berichtet sie. „Wir haben ein sehr großes Warenlager. Die Lieferschwierigkeiten machen uns viel Mühe und Arbeit, die nicht entsprechend bezahlt wird“, gibt die leitende Apothekerin zu bedenken. „Die Bearbeitung ist sehr zeitintensiv, aber in den meisten Fällen finden wir gemeinsam mit unserem Gegenüber eine Lösung.“
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Hannu Uwe Kratz von der Kronen Apotheke in Dümpten bezeichnet speziell die momentane Lage bei antibiotischen Säften als „ärgerlich“. „Auch Fiebersäfte sind immer noch in zu geringer Zahl vorhanden“, so der Apotheker. Die momentane Knappheit wirke sich „seit Monaten auf rund 270 bis 300 unserer Lagerartikel aus - aber auch alles mögliche Andere quer durchs Sortiment in wechselnder Zusammensetzung“, so Kratz. Das führe bei seinen Kundinnen und Kunden aber nicht zu unangemessenem Verhalten gegenüber den Apotheken-Mitarbeitende. „Nein! Die Kunden sind eher verzweifelt oder hilflos, aber bei uns jedenfalls nicht ausfallend“, sagt Kratz.
Mülheimer Apotheker: Zu niedrige Preise und zu wenige Hersteller
Peter Lamberti betreibt die Phönix Apotheke in Styrum und sieht derzeit eine Knappheit speziell bei Antibiotika und Kindersäften wie Amoxycillin. „Es sind etliche Sachen nicht lieferbar“, erläutert der Apotheker. In vielen Fällen könne man auf andere Produkte ausweichen – das sei aber nicht immer problemlos möglich.
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Bei der ganzen Knappheitsdebatte sei ein ganz wesentlicher Faktor, dass das Preis-Niveau bei Medikamenten von den Krankenkassen so stark gedrückt wurde, dass sich der Verkauf in Deutschland für die Hersteller nicht mehr lohnen würde, so Lamberti. „Heute gibt es nur noch wenige Hersteller. Wenn dann einer komplett ausfällt, gibt es sofort Probleme. Es ist dann zu wenig da und dann geht das, was da ist, natürlich da hin, wo es vernünftig bezahlt wird.“
Bisher keine Ausfälle in der Mülheimer Phönix Apotheke
Beschimpfungen wegen der Engpässe habe Lamberti in seiner Apotheke noch nicht erlebt. „Als es Anfang des letzten Jahres mit den Liefer-Engpässen losging und Fiebersäfte und –zäpfchen plötzlich nicht mehr lieferbar waren.“ Das sei lästig und ärgerlich gewesen. „Ich habe schon davon gehört, dass es unangenehme Vorfälle im Zusammenhang mit den momentanen Engpässen gegeben haben soll.“ Manche Kundinnen und Kunden seien enttäuscht und entsetzt, andere schockiert bis verzweifelt. „Aber, wenn wir erklären, dass das nicht unsere Schuld ist, verstehen sie das“, so Lamberti. Ihn ärgere vielmehr, dass das Problem von entscheidenden Funktionsträgern auf Bundes-Ebene klein geredet werde.