Mülheim. Die Mülheimer Herz-Jesu-Kirche ist auf dem Markt und findet überraschende Interessenten. Kritiker versuchten das Exposé zu bekommen - vergeblich.
Die Zukunft der Ende Februar geschlossenen Kirche Herz Jesu in Broich ist weiterhin völlig offen. Grundstücke und Gebäude der katholischen Gemeinde St. Mariä Himmelfahrt werden nach wie vor im Immobilienportal des Bistums Essen zum Verkauf angeboten, einschließlich des Kindergartens „Broicher Rasselbande“. Wie berichtet, prüft unter anderem der österreichische Soravia-Konzern, ob das Areal interessant sein könnte. Der Investor errichtet in enger Nachbarschaft zum Kirchengelände die Parkstadt Mülheim, um deren Gestaltung heftig gerungen wird.
Nach Auskunft des zuständigen Pfarrers Christian Böckmann läuft das Angebotsverfahren noch. Bislang gebe es drei oder vier ernsthafte Interessenten für Herz Jesu, die auch bereits Ortstermine vereinbart hätten. „Wir hoffen, dass noch weitere Interessenten dazu kommen“, so Böckmann.
Mülheimer Herz-Jesu-Kirche: Äthiopisch-orthodoxe Kirche hat Interesse
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Die leerstehende Herz-Jesu-Kirche hat auch die Aufmerksamkeit einer Gemeinschaft geweckt, die in Mülheim bis dato noch nicht in Erscheinung getreten ist und neue Akzente setzen würde: die Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo Kirche. Deren Vertreter könnten sich in Broich ein geistliches Zentrum vorstellen und haben offenbar auch schon beim Bistum Essen vorgesprochen. Pfarrer Böckmann bestätigt, dass Gespräche geführt wurden.
Die Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo Kirche ist eine uralte christliche Gemeinschaft, deren deutscher Exil-Ableger 2001 in Frankfurt am Main gegründet wurde. Sie bezeichnet sich selber als „zweitgrößte orthodoxe Kirche der Welt“. Der Kontakt wurde nach Informationen dieser Redaktion durch einen Mülheimer vermittelt, der allerdings nicht im Auftrag der Broicher Gemeinde oder des Bistums tätig ist. Er hat nach eigener Aussage dem äthiopisch-orthodoxen Erzbischof Abune Dionasios vor einigen Monaten vorgeschlagen, sich die Herz-Jesu-Kirche einmal anzuschauen.
Besichtigung und Gespräche mit führenden Bistumsvertretern
Mitte März seien Vertreter der äthiopisch-orthodoxen Kirche in Mülheim gewesen, neben dem Erzbischof auch der bekannte Unternehmensberater und Autor Dr. Prinz Asfa-Wossen Assserate, ein Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie. Sie hätten Grundstück und Gebäude von außen besichtigt und anschließend ein persönliches Gespräch im bischöflichen Generalvikariat in Essen geführt. Dr. Asserate bestätigt auf Anfrage der Redaktion, dass es ein Gespräch mit führenden Bistumsvertretern gab. Zu den Plänen seiner Kirche äußert er sich nur knapp: „Wir wollen das erste äthiopisch-orthodoxe Kloster in Deutschland gründen.“ Konkret sei jedoch noch nichts.
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Mülheimer OB: „Ich habe den Kontakt zu Soravia hergestellt“
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Gleiches gilt für ein mögliches Engagement des Investors Soravia. Mülheims Oberbürgermeister Marc Buchholz hatte erklärt, die Gespräche zwischen Soravia und der katholischen Kirchengemeinde in Broich sowie dem Bistum seien auf seine Initiative zustande gekommen. „Ich habe den Kontakt hergestellt.“
Das Unternehmen Soravia habe in seinem Portfolio bereits Gotteshäuser, die zu Kulturzentren umgestaltet wurden, so Buchholz weiter. Nun werde dort geprüft, ob man Ideen für das Broicher Kirchenareal entwickeln wolle. „Wir würden es positiv begleiten“, sagt der OB. Eine Soravia-Sprecherin hatte Ende März bestätigt, dass intern „eine technische Ersteinschätzung“ durchgeführt werde.
Neue Online-Petition gestartet: Kirche wieder in Dienst stellen
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Und dann gibt es noch eine interessierte Gruppe, die das Exposé gerne einsehen und prüfen würde, es aber nicht bekommt: die Initiative „Ich steh auf Herz Jesu“, die seit Jahren gegen die Kirchenschließung argumentiert und kämpft. Bereits 2020 hatte die Gruppe auf der Plattform openpetition.de eine Online-Petition für den Erhalt der Kirche gestartet, die allerdings nur 72 Unterstützende fand.
Nun, nach vollzogener Schließung, gibt es eine neue Petition, die fordert: „Stellt die Herz-Jesu-Kirche wieder in Dienst“. Bislang gingen erst vereinzelte Unterschriften ein, 500 sind das Ziel. Man habe die jüngste Petition noch nicht aktiv beworben, erläutert Hubert Kauker, Sprecher von „Ich steh auf Herz Jesu“.
Initiative hat vergeblich um ein Exposé gebeten - „Baumängel interessieren uns“
Die Gruppe habe die Fachabteilung des Bistums um ein Exposé der Immobilie gebeten: „Uns würden insbesondere die Baumängel interessieren, die in der Diskussion immer eine große Rolle gespielt haben.“ Mit massiven Schäden, die siebenstellige Sanierungskosten erforderten, bei zugleich schwacher Finanzlage der Gemeinde war die Aufgabe der Kirche begründet worden. Kauker und seine Mitstreiter zweifeln diese Notwendigkeit hartnäckig an.
Nun haben sie ein Exposé angefragt, Anfang Mai jedoch eine Absage erhalten. Begründung laut Hubert Kauker: Bewerber müssten zunächst entsprechende Referenzen, Nutzungskonzepte und Kapitalnachweise vorlegen. Erst nach deren Prüfung würden Unterlagen zur Verfügung gestellt. Pfarrer Christian Böckmann sagt: „Der Sanierungsbedarf ist der neuralgischste Punkt. Diese Unterlagen geben wir nicht ohne Weiteres heraus, sondern nur an ernsthafte Interessenten.“