Mülheim. Der 25. Februar wird für Mülheimer Katholiken ein trauriger Tag werden: Dann wird die letzte Messe gefeiert in einer altehrwürdigen Kirche.
Wo katholische Christen aus Broich und Speldorf seit 1892 ihre Gottesdienste gefeiert haben, wird am 25. Februar um 17 Uhr zum allerletzten Mal die Heilige Messe zelebriert. Dazu wird Weihbischof Wilhelm Zimmermann in der Herz-Jesu-Kirche erwartet. Anschließend lädt die Pfarrgemeinde St. Mariä- Himmelfahrt zur Raue ein. „Das hört sich nach einer Beerdigung an“, räumt Pfarrer Christian Böckmann ein. „Aber wir beerdigen ein Gebäude und keine Menschen. Das Gemeindeleben geht weiter“, ergänzen die Pfarrgemeinderatsvorsitzende Hiltrud Verweyen-Frank und der stellvertretende Kirchenvorstandsvorsitzende, Norbert Wortberg.
Zum Abschiedsprogramm rund um die seit Oktober 2022 bekannte Schließung der Herz-Jesu-Kirche am 24. und 25. Februar gehören auch Kirchenführungen, Gebetsstunden und Orgelmusik. „Im Rückblick wäre es klüger gewesen, das Geld, das man während der 1990er Jahren in eine neue Orgel investiert hat, für die Instandhaltung der Kirche auszugeben“, räumt Pfarrer Böckmann ein. Er gesteht: „Wir können den Abschiedsschmerz nicht wirklich lindern, sondern ihm nur einen würdigen Rahmen geben.“
Gemeinderatsvorsitzende: „Eigentlich wollten wir Herz Jesu erst 2030 schließen“
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„Eigentlich wollten wir Herz Jesu erst 2030 schließen. Aber die Entwicklung der Kirchenaustritte und der rückläufigen Kirchensteuereinnahmen hat uns ebenso überrollt wie der Finanzbedarf für die notwendige Instandsetzung der Kirche. Deshalb mussten wir die Kirchenschließung vorziehen,“ sagt die Pfarrgemeinderatsvorsitzende Verweyen-Frank.
Und weiter: „Niemand von uns schließt leichten Herzens diese Kirche. Aber wir müssen die auf dem Tisch liegenden Fakten anerkennen und dafür Sorge tragen, dass wir uns als Pfarrgemeinde nicht strukturell überfordern und auch langfristig handlungsfähig bleiben. Nur so können unsere Pflichtaufgaben wie Personalkosten, Bauinstandhaltung und Friedhofsverwaltung finanzieren.“
Mülheimer Gemeinde verlor seit 2006 Tausende Mitglieder
Verwaltungsleiterin Martha Wieczorek nennt Zahlen: Zurzeit beschäftigt die Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt, die seit 2006 aus den Gemeinden Sankt Mariä Himmelfahrt, Herz Jesu und Sankt Michael besteht, elf Mitarbeitende. Die Zahl der Gemeindemitglieder ist seit 2006 von 19.225 auf 14.829 zurückgegangen. Gleichzeitig stieg die Zahl der jährlichen Kirchenaustritte von 65 auf 227.
Dementsprechend hätten sich die Schlüsselzuweisungen für die Pfarrgemeinde aus dem Kirchensteueraufkommen und des Bistums zwischen 2019 und 2021 von 430.000 auf 363.000 Euro reduziert. Zeitgleich seien die jährlichen Spendeneinnahmen von 82.000 auf 78.000 Euro zurückgegangen, während die Energiekosten seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine massiv ansteigen. 2021 lagen sie für die Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt bei 132.000 Euro. „Wir haben nicht nur mit den Kirchenaustritten, sondern auch mit der Überalterung der christlichen Bevölkerung zu kämpfen“, unterstreicht Pfarrer Böckmann.
Herz-Jesu Kirche in Mülheim: Gespräche mit Investoren laufen
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Die denkmalgeschützte Herz-Jesu-Kirche steht seit Dezember 2022 im Immobilienportal der Internetseite des Bistums Essen. Laut Böckmann gibt es Gespräche mit interessierten Investoren, die das Gotteshaus übernehmen und umfunktionieren wollen. Die Angebotsfrist läuft bis Ende März. Danach müssen Kirchenvorstand, Pfarrgemeinderat und Pastoralteam darüber entscheiden, welches Angebot auch ethisch für die Pfarrgemeinde akzeptabel ist. Dankbar ist Pfarrer Böckmann dafür, das potenzielle Investoren von Architekten und Denkmalschützern des Bistums und der Stadt beraten werden.
Zum anstehenden Arbeitsprogramm der Pfarrgremien gehört auch die Beschäftigung mit Projektvorschlägen zur Nachnutzung von Herz Jesu, die acht Düsseldorfer Architekturstudenten im Rahmen ihrer Semesterarbeit vorgelegt haben. Diese Vorschläge sollen auch der interessierten Öffentlichkeit präsentiert werden.
Zwei weitere Kirchen der Mülheimer Gemeinde stehen auf roter Liste des Bistums
Gemeinderatsvorsitzende Verwegen-Frank weist mit Blick auf den Fahrplan des 2015 begonnenen Pfarreientwicklungsprozesses darauf hin, dass die Schließung von Herz Jesu nicht das letzte Wort sein wird. Denn auch die Gemeindekirchen St. Elisabeth am Nachbarsweg in Saarn und St. Theresia von Avila an der Karl-Forst-Straße in Selbeck stehen auf der roten Liste des Pfarreientwicklungsprozesses. „Wir haben aber als ehrenamtliche Gremien nicht genug Kapazitäten, um mehrere Großprojekte gleichzeitig abzuarbeiten“, betont Verweyen-Frank.
Zuletzt wurde in Herz Jesu mit durchschnittlich 80 bis 100 Gottesdienstbesuchern nur noch die Samstagabendmesse um 17 Uhr gefeiert. „Wer am Samstag um 17 Uhr in der Pfarrgemeinde St. Mariä-Himmelfahrt eine Heilige Messe besuchen möchte, wird dies künftig in St. Michael an der Schumannstraße in Speldorf tun können“, erklärt Pfarrer Böckmann die unmittelbaren Folgen der Kirchenschließung in Broich.
Widerstand in Broich: Boykott-Aufruf zum Abschiedsprogramm für Herz Jesu
Der Pastor der Broicher Gemeinde Herz Jesu, Dr. Heinrich Weyers, schreibt in den aktuellen Pfarrnachrichten: „Die Zukunft der Christinnen und Christen in Broich ist eine Aufgabe, der sich die ganze Pfarrei stellt. Sie verlieren ihre gottesdienstliche Heimat. Wo sie eine Neue finden werden, liegt in erster Linie bei Ihnen selbst. Denn Heimat kann nicht verordnet, sondern muss gefunden werden. Was wir als Vertreter der Pfarrgemeinde tun können, ist, ihnen dabei zu helfen und ihnen die Suche zu erleichtern.“
Der Widerstand gegen die Schließung von Herz Jesu formiert sich innerhalb der Pfarrgemeinde in der Gruppe „Ich stehe auf Herz Jesu“ um Hubert Kauker. Im Gespräch mit dieser Zeitung und in einem Rundbrief, der am 13. Februar auf der Internetseite www.unsere-kirche-2030.de veröffentlicht worden ist, wirft Kauker den Pfarrgremien, die die Schließung von Herz Jesu beschlossen haben, einen „Geheimbeschluss“ und fehlende Transparenz, Dialogbereitschaft und Ergebnisoffenheit gegenüber der Gemeindebasis vor. Die Gemeindebasis, so Kauker, sei allen anderen Verlautbarungen zum Trotz „nicht mitgenommen worden.“
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Kauker fordert dazu auf, das Abschiedsprogramm für Herz Jesu zu boykottieren und stattdessen Grablichter vor das Kirchenportal zu stellen. Den Ruhrbischof bittet er darum, „in seiner Gesamtverantwortung für das Bistum eine Störung der Seelsorge in Herz Jesu festzustellen, die Kirchenschließung zu stoppen und einen ergebnisoffenen Dialogprozess in Gang zu setzen“.